Memory Books - Damit du mich nie vergisst

Dokumentarfilm | Deutschland/Schweiz 2007 | 94 Minuten

Regie: Christa Graf

Bewegender Dokumentarfilm über die Initiative "Memory Books", mit deren Hilfe sich in Uganda HIV-infizierte Eltern von ihren Kindern verabschieden und sie auf ein Leben als Waise vorbereiten. Der trotz des ernsten Themas durchaus entspannte Film belässt den porträtierten Müttern und Kindern stets ihre Würde und besticht zugleich durch seine sorgfältige Bildsprache, auch wenn er damit phasenweise in die Nähe der Ästhetisierung des Elends rückt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MEMORY BOOKS
Produktionsland
Deutschland/Schweiz
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Kick Film/Snakefilm/ZDF/SF DRS
Regie
Christa Graf
Buch
Christa Graf
Kamera
Roland Wagner
Musik
Gert Wilden jr.
Schnitt
Carmen Kirchweger
Länge
94 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Die Szene hat etwas von einem Familienidyll: Da sitzt eine Mutter mit ihren kleinen Kindern über ein Buch gebeugt, in das sie kleine Geschichten schreibt. Geschichten über die Familie, den ersten Schultag oder ihre Vorstellungen, was aus den Kleinen einmal werden soll. Neben die Texte werden Fotos geklebt oder besondere Ereignisse in Zeichnungen festgehalten. Doch was in diesem Szenario so harmonisch aussieht, ist eine Vorbereitung aufs Sterben. Denn die Mutter ist HIV-positiv und bereitet ihre Kinder auf ihr Leben als Vollwaisen vor, da der Vater bereits vor Jahren an AIDS gestorben ist. „Memory Books“ nennt sich die Initiative, die in Uganda, wo bereits rund zwei Mio. AIDS-Waisen leben, betroffenen Familien durch Erinnerungsbücher eine Möglichkeit zu schaffen versucht, sich mit ihrem Schicksal auseinander zu setzen und den Kindern somit Trost und eine Art Leitfaden für ihr Leben nach dem Tod der Eltern an die Hand zu geben. Mit Harriet und ihren Kindern steht eine solche Familie im Zentrum des bewegenden Dokumentarfilms. Man sieht sie bei ihren alltäglichen Verrichtungen, im unermüdlichen Kampf um ihr karges Auskommen und eben beim gemeinsamen Anfertigen ihres Memory Book. Auf diese Gemeinsamkeit legen die Initiatoren Wert, damit die Kinder nicht eines Tages ganz unvermittelt mit dem Tod ihrer Eltern konfrontiert werden. Daher wird auch geraten, wie im Fall von Harriet mit dem Buch zu beginnen, bevor die Krankheit ausbricht. Wer annimmt, dies müsste eine vorweggenommene, tränenreiche Trauerarbeit sein, dürfte von der friedlichen Atmosphäre der Sitzungen überrascht sein, bei denen in Erinnerung an komische Situationen auch immer wieder gelacht wird. Dabei ist der fast schon gelassen wirkende Umgang der Kinder mit dem nahenden Tod der Eltern aber fraglos auch dem Umstand geschuldet, dass AIDS für sie längst zum Alltag gehört. So ist auch Betty, die Zweitfrau von Harriets verstorbenem Mann, die mit ihren Kindern in derselben Hütte wohnt, von diesem Schicksal gezeichnet. An einem anderen Ort in Uganda lebt der zehnjährige Dennis allein mit seiner kleinen Schwester Chrissi, um die er sich liebevoll kümmert, obwohl ihm selbst in Erinnerung an seine vor einem Jahr gestorbene Mutter immer wieder die Tränen kommen. Diese Tränen im Gesicht des Jungen sind womöglich das emotional bewegendste Bild dieses Dokumentarfilms, der dennoch frei von jeder billigen Betroffenheits-Attitüde ist. Vielmehr verleiht er seinen Protagonisten in ruhigen, langen Einstellungen eine erstaunliche Würde und vermittelt eher en passant Hintergründe der AIDS-Epidemie auf dem afrikanischen Kontinent. Sei es die Armut, die es Betroffenen nicht erlaubt, die nötigen Medikamente zu kaufen, um den Ausbruch der Krankheit hinauszuzögern, oder die Promiskuität der Männer, die sich im Stile von Patriarchen nach alter Tradition noch immer weigern, sich mit dem Problem überhaupt auseinander zu setzen. So ist der Film, in dem Männer so gut wie nicht vorkommen, nicht zuletzt eine Hommage an die Stärke und Würde der Frauen. Fernab des Reportage-Stils setzt die unkommentierte Dokumentation auf dezidiert filmische Elemente, wobei die Kamera zu dezent eingängiger Musik in Landschaftsbildern, Szenen aus dem wuseligen Treiben auf den Straßen Kampalas oder Bildern von abenteuerlichen LKW-Überholmanövern auf sandigen Landstraßen auch immer wieder Momente einfängt, die nicht unmittelbar mit den Memory Books zu tun haben. Diese Haltung verleiht dem Film auf der einen Seite eine originäre Poesie, die auch eine Kinoleinwand zu füllen vermag, auf der anderen Seite gerät sie, wenn etwa beim Fegen einer Hütte der aufgewirbelte Staub im Gegenlicht pittoresk ins Bild gesetzt wird, bisweilen auch in die Nähe einer Ästhetisierung des Elends.
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