Peace Mission

- | Deutschland 2007 | 79 Minuten

Regie: Dorothee Wenner

Dokumentarfilm über die nigerianische Filmindustrie, die jährlich 1.400 Filme produziert und damit die größte der Welt ist. In erster Linie werden "Home Videos" für das einheimische Publikum gedreht, deren mitunter bizarrer Sujet-Mix aktuelle Unterhaltungsbedürfnisse befriedigt. Die für europäische Augen gewöhnungsbedürftigen Filme sind voller Energie, leben von der Improvisation und nutzen häufig ein unterhaltendes "Soap"-Format, auch wenn religiöse Themen angeschnitten werden. Neben Ausschnitten aus den Filmen geben Produzenten, Regisseure und Schauspieler Einblicke in diese Filmszene, die sich neben der Ölindustrie zum zweitgrößten Arbeitsmarkt in Nigeria entwickelt hat. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
PEACE MISSION
Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Pong/ZDF/ARTE
Regie
Dorothee Wenner
Buch
Dorothee Wenner
Kamera
Bernd D. Meiners
Musik
Philip Scheffner
Schnitt
Merle Kröger
Länge
79 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
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Verleih DVD
absolut (FF, DD2.0 engl.)
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Diskussion
Abseits vom perfekt vermarkteten Mainstream-Kino aus den USA, dem mehr oder minder soliden Kino Europas und vielleicht noch der Highlights japanischer und chinesischer Arthouse-Ware schlummert noch viel unentdeckter filmischer Output im Verborgenen. So hat man erst seit einigen Jahren (vor allem dank engagierter DVD-Anbieter) vor Augen geführt bekommen, dass etwa in Indien die größte, vor allem die bunteste Filmindustrie der Welt blüht: Bollywood. Doch wer außer speziellen cineastischen Zirkeln kennt schon das Kino Nigerias? Dabei hat sich die Metropole des westafrikanischen Landes zum filmischen Boomtown entwickelt. Dorothee Wenner machte sich auf den Weg dorthin, wo Afrikas prosperierendste Filmwirtschaft zu Hause ist, die sich nach den amerikanischen und indischen Vorbildern „Nollywood“ nennt. Was schauen sich etwa 150 Mio. Menschen in Nigeria im Kino an? Sind sie gefangen vom nordamerikanischen Einheitsbrei? Ist auch dort „Titanic“ der erfolgreichste Film der Geschichte? Mitnichten! Die Autorin geht zwar kaum darauf ein, wie groß die wirtschaftliche Bedeutung der Hollywood-Importe ist; aber wozu auch, ahnt man doch schon nach den ersten Eindrücken der Dokumentation, dass sich in den zahlreichen Videokinos des Landes ein anderer Filmgeschmack äußert. Es sind herzzerreißende Liebesgeschichten sowie der klassische Actionkrimi, die die vielleicht wohnzimmergroßen Räume inmitten der Armenviertel füllen, in denen sich kaum einer einen eigenen Fernseher leisten kann. Vor allem aber sind sie „home made“, zumeist mit kleinem Budget (bis 50.000 US-Dollar) von einer der zahllosen Produktionsfirmen in Nigerias größter Stadt Lagos produziert, mit Darstellern aus der Region. Die „wahren“ Storys von nebenan reißen hier die Leute mit – so Shaibu Husseini, Filmkritiker von Nigerias größter Tageszeitung „Guardian“ –, der Glamour und die Dramaturgie aus Hollywood ließe die meisten hingegen kalt. Da stört es nicht weiter, dass die gut 1.800 Filme pro Jahr nicht sonderlich perfekt gestaltet sind, zumeist schnell am heimischen Computer geschnitten und mit einfachsten Spezialeffekten versehen werden. Neben den Liebes- und Krimi-Sujets ist ein Charakteristikum des Nollywood-Films besonders bemerkenswert. Wenner stellt in ihrer größtenteils aus Interviews bestehenden Dokumentation heraus, dass der Film in Nigeria vor allem durch die Kirchen, in denen er gerne gezeigt wird, groß geworden ist. In einem zu 40 Prozent aus gläubigen Christen bestehenden Land sind Filme, in denen die Hand Gottes leitend in die schicksalhaften Geschehnisse der Menschen eingreift, sehr beliebt und eine willkommene Argumentationshilfe für die Gotteshäuser; so wird die böse Tat des Killers oder des Ehebrechers hier nicht selten durch ein Zeichen Gottes gesühnt. Im Zentrum steht indes eine starke Frau: Peace Aniyam Fiberesima, einzige Tochter unter sieben Brüdern einer Familie, die durch den Ölboom zu Wohlstand gelangte, ist nicht nur Chefin von PMO-Global Productions, sondern auch um das Kino des afrikanischen Kontinents bemüht, das allein in Nigeria eine halbe Milliarde US-Dollar umsetzt. Eine afrikanische Filmakademie hat sie noch nicht initiiert, wohl aber ein Pendant zum „Oscar“ ins Leben gerufen, die AMAA (African Movie Academy Awards). Über diese aus gesellschaftspolitischen Gründen jährlich im Niger-Delta, dem Armenhaus des Landes, abgehaltene Zeremonie hätte man gerne mehr erfahren. Vielleicht macht Dorothee Wenner, die unter anderem auch den „Berlinale“-Talent-Campus leitet, demnächst eine ebenso exotische Dokumentation darüber. Nach diesem eindrücklichen Einblick ins Filmherz Afrikas bleibt eine Erkenntnis: Das Wenige, was aus Afrika zu uns ins Kino oder zumeist auf Festivals kommt, ist für den Westen produziertes Anspruchskino – in Nigeria interessiert sich für diese Filme niemand. Im einzigen Multiplex des Landes, in dem solche Kinoformate laufen könnten, führt Hollywood Regie; in den Wellblechhütten thront derweil das B-Picture.
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