Über Wasser (2007)

Dokumentarfilm | Österreich/Luxemburg 2007 | 85 Minuten

Regie: Udo Maurer

Anhand dreier Episoden aus Bangladesch, Kasachstan und Kenia zeigt der diskussionswerte Dokumentarfilm - auch stilistisch - versiert die weltweit ungleiche Verteilung der Ressource Wasser auf, wobei ökologische wie ökonomische Aspekte in den Blick genommen werden und sich ohne zusätzlichen Off-Kommentar Fragen nach den Ursachen für die gezeigten Zustände auftun. Dabei wird der Finger auf die Wunde der Verteilungsmechanismen einer globalisierten Gesellschaft gelegt, bei denen Gerechtigkeit keine Rolle spielt. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ÜBER WASSER
Produktionsland
Österreich/Luxemburg
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Lotus Film/Samsa Film
Regie
Udo Maurer
Kamera
Attila Boa · Udo Maurer
Musik
Serge Tonnar
Schnitt
Oliver Neumann · Ilse Buchelt · Emily Artmann
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Bis zur Hüfte stehen die Bauern im Wasser, mit der Machete zwischen den Zähnen ernten sie Reis, Jute oder Sesam. Zur Regenzeit in Bangladesch werden die Häuser zu Flößen. Auf der Suche nach verbliebenen Inseln treiben Wellblechdächer den überfluteten Fluss entlang. Das Wasser ist hier der Feind, zwingt die arme Landbevölkerung in ein Leben als Flutnomaden. Eher intuitiv und persönlich gebunden als systematisch umkreist der österreichische Regisseur Udo Maurer wesentliche Fragen, die mit seinem Thema einhergehen: Sollte Wasser ein Menschenrecht sein? Welche Ungerechtigkeiten sind mit der Verteilung der wertvollen Ressource verbunden? Welche Verantwortung tragen die Regierungen der armen Länder, in denen gedreht wurde, und welche Verantwortung tragen die westlichen Gesellschaften, in denen einfach der Wasserhahn aufgedreht wird, damit Wasser fließt? In drei Episoden ist der Dokumentarfilm eingeteilt. Zu Beginn werden jeweils die geografischen Fakten eingeblendet: die Größe des Landes oder der Stadt, Einwohnerzahl und -dichte. Einen Off-Kommentar gibt es nicht. Es liegt am Zuschauer, die Verbindung herzustellen mit den personalisierten Geschichten, Maurer liefert keine Erklärungen, er beobachtet und lässt seine Protagonisten erzählen. Durch Anschauung werden die erwähnten Fragen gleichsam von selbst aufgeworfen, wie ein Mosaik aus den einzelnen Teilen der Kapitel und den Kapiteln selbst setzt sich nach und nach eine komplexe, unbequeme Wahrheit zusammen. Auf die Episode in Bangladesch, auf das dramatische Zuviel von Wasser, folgt das genaue Gegenteil, das dramatische Zuwenig: Maurer reiste nach Aralsk in Kasachstan. Aralsk war eine florierende Stadt am in den 1960er-Jahren viertgrößten Binnensee der Welt, die meisten ihrer Einwohner lebten von der Fischerei. Nun beginnt der Aralsee 100 Kilometer entfernt, zurück blieb eine bizarre Wüstenlandschaft, die der Regisseur in so surreale wie emblematische Bilder fasst: Zwischen rostigen Schiffswracks im Nirgendwo, weit und breit kein Wasser in Sicht, laufen Kamele umher. Ein Filmvorführer in Aralsk zeigt Ausschnitte aus sowjetischen Propagandafilmen; indem man den See anzapfte und ableitete, hatte man sich einst blühende Landschaften in der Wüste versprochen. Insbesondere die Kontrastierung der Realität mit dem schwarz-weißen Archivmaterial macht dieses Kapitel zum Höhepunkt des Films. „Über Wasser“ steht als Film, der sich mit globalen Verteilungsmechanismen beschäftigt, in einer neuen Tradition mit dokumentarischen Kinoproduktionen aus Österreich, die sich durch eigenwillige, kritisch-globale Ansätze und eine extravagante Bildsprache auszeichnen: Michael Glawoggers „Megacities“ (fd 33 726) und „Workingman’s Death“ (fd 37 581), Erwin Wagenhofers „We feed the World – Essen global“ (fd 37 595) oder Nikolaus Geyrhalters „Unser täglich Brot“ (fd 37 987), der die serielle Nahrungsmittelproduktion in durchkomponierten Bildern und kommentarlos wie am Fließband ablaufen lässt. Das Konzept zu „Über Wasser“ hat Michael Glawogger mitentwickelt. Kibera ist der größte Slum Kenias, fast die Hälfte aller Einwohner von Nairobi lebt dort. Das letzte Kapitel dreht sich um den Verteilungsnahkampf, für viel zu viele Menschen gibt es viel zu wenig, viel zu teures Wasser – während die reichen Bewohner Nairobis wiederum um ein Vielfaches weniger für Wasser bezahlen. Ein von Episode zu Episode differierendes visuelles Konzept macht die Problematik der Drehorte fast physisch erlebbar: In Kibera stürzt sich Maurer mitten ins Gedränge und Getümmel, weit entfernt von den Tableaus am ausgetrockneten Aralsee.
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