The Limits of Control

- | USA/Japan 2009 | 116 Minuten

Regie: Jim Jarmusch

Ein Mann bekommt einen nicht näher erläuterten Auftrag, der ihn von Madrid aus in die spanische Provinz führt. Während der vor allem durch Warten bestimmten Reise trifft er immer wieder auf diverse Boten, die ihm zu weiteren diffusen Informationen zum Gelingen des Auftrags verhelfen. Jim Jarmuschs stoischer und völlig bedeutungsoffener Film bedient sich nur oberflächlich der Ingredienzien des europäischen Gangsterfilms der 1960er- und 1970er-Jahre. Die ausdrucksstarken, durch ihre immanente Ruhe umso stärker wirkenden Bilder erheben das Werk zum ästhetischen Spiel über Narration und Kunst, Bilder und Abbilder, das den Zuschauer dazu einlädt, kreativ die eigenen Gedanken treiben zu lassen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE LIMITS OF CONTROL
Produktionsland
USA/Japan
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Entertainment Farm/PointBlank Films
Regie
Jim Jarmusch
Buch
Jim Jarmusch
Kamera
Christopher Doyle
Schnitt
Jay Rabinowitz
Darsteller
Isaach de Bankolé (geheimnisvoller Fremder) · Alex Descas (Kreole) · Jean-François Stévenin (Franzose) · Luis Tosar (Violine) · Paz de la Huerta (Nackte)
Länge
116 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen die interessante und ausführliche Dokumentation "Behind Jim Jarmusch" (zwei Teile: 30 & 22 Min.).

Verleih DVD
Universum (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Universum/UFA (16:9, 1.85:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Diskussion
„Ich mag vor allem Filme, in denen sich Menschen einfach gegenüber sitzen und nichts reden.“ Die filmbegeisterte Blondine sieht Lone Man an, der ihr gegenüber an einem Bistrotisch auf einer kaum bevölkerten Plaça in Madrid mit den üblichen „zwei Espressos in zwei getrennten Tassen“ sitzt. Es ist warm, die Sonne scheint, und sie sagen nichts mehr. Wie in Samuel Becketts „Warten auf Godot“ geht es in „The Limits of Control“ eigentlich um nichts. Sicher, schon in der ersten Szene bekommt Lone Man, der in der deutschen Fassung bedeutungsschwanger und deplatziert als „Der geheimnisvolle Fremde“ bezeichnet wird, einen Auftrag, der eine Handlung in Gang bringt. Doch worum es geht, weiß der Zuschauer nicht – und wahrscheinlich Lone Man auch nicht wirklich: Er soll zu den Türmen gehen und auf die Violine warten. Der drahtige, dunkelhäutige Mann, der kurz zuvor noch in einer Toilettenkabine in seinem nach billiger Seide aussehenden Maßanzug isometrische Übungen vollführte, findet sich bald in Madrid wieder und wartet. Er wird in den nächsten Tagen Stammgast in besagtem Seitenstraßen-Café sowie im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, wo er auf der Suche nach nichts durch die Gänge streift. Eines Tages kommt ein zwielichtiger Violinenmann, setzt sich zu ihm, tauscht Belanglosigkeiten und eine Schachtel Streichhölzer aus und gibt ihm einen diffusen Hinweis auf die nächste Station der mysteriösen Schnitzeljagd. Eine Einstiegsfrage nach den nicht vorhandenen Spanisch-Kenntnissen des offensichtlich nicht aus Spanien stammenden Anzugträgers wird als „Running Gag“ künftige Treffen ebenso begleiten wie das Austauschen der Streichholzschachteln. Schließlich wird Lone Man eine Nackte in seinem Hotelzimmer finden, eine Blondine im Café, einen Mann mit einer Gitarre, eine Asiatin namens Molekül, einen Mexikaner namens Mexikaner, eine Fahrerin aus Israel und schließlich einen hochsicherheitsbeschützten Amerikaner namens Amerikaner – und der scheint das offensichtliche Ziel seiner Odyssee ins dörfliche Spanien zu sein. Filme, die im Ungewissen schweben, haben etwas Faszinierendes; allerdings wird ihre Offenheit allzu gerne „zuinterpretiert“. Transportiert das Rimbaud-Zitat aus der Präambel des Films tatsächlich seinen tieferen Sinn als Metapher für die Unordnung unserer Sinneswahrnehmung? Oder ist es einfach nur der Einstieg, den Jim Jarmusch nach Beendigung des Films gesucht und gefunden hat? Gibt der Titel des Films verborgene Informationen über die Kommunikationsprobleme der Protagonisten? Oder ist er einfach nur der Titel eines Essays von William S. Burroughs, der den Regisseur zum grundsätzlichen Grübeln brachte? „The Limits of Control“ ist voller solcher Fährten, die den Zuschauer zu gedanklichen Exkursionen animieren, ohne dass sie eindeutig auf irgendetwas hinaus wollen. Wichtig ist indes das flüchtige Verweilen auf einem Bild, die atemberaubende Asymmetrie eines futuristischen Treppenhauses oder schlicht die Schönheit, die Kameramann Christopher Doyle auf analogem 35mm-Material einzufangen weiß. Die Mutmaßung, dass hier vielleicht ein Auftragskiller am Werk sei, oder die Beobachtung, dass manche Szenen an Antonioni, Wong Kar-wai oder den europäischen Gangsterfilm der 1960er- und 1970er-Jahre erinnern, verlieren angesichts der Präsenz der Einstellung ihre Bedeutung. Das Agieren der Kamera und der Darsteller, die wie Tilda Swinton, John Hurt, Gael García Bernal oder Bill Murray nur für kurze Minuten in die Rolle von Katalysatoren schlüpfen, ist ein Angebot des Regisseurs, die Gedanken baumeln zu lassen. Man sollte sich immer den ersten augenzwinkernden Dialog zwischen den beiden Auftraggebern in Erinnerung rufen: Der für Lone Man ins Englische übersetzende Franzose fragt seinen in blumigen Metaphern palavernden Partner, ob er denn alles Geschwafel, was er selbst nicht verstünde, übersetzen müsse. Der Kreole antwortet lapidar: Nein, Lone Man würde schon begreifen – irgendwie. Exemplarisch für die spielerische Schönheit des Werks ist jene Szene, in der Tilda Swinton als Blondine den im Café sitzenden Lone Man schweigend verlässt, gegen die Sonne Madrids einen durchsichtigen Regenschirm aufspannt, sich einmal um die eigene Achse dreht und den großen Abgang zelebriert. Wer fragt da noch nach dem „Warum“?
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