- | Deutschland 2007 | 80 Minuten

Regie: Matthias Santiago Staehle

Ein Hamburger Rapper und seine Kumpel verbringen ihre Zeit mit Musik und gemeinsamem Abhängen, während sie auf eine Profikarriere als Musiker hoffen. Als sich die Freundin des einen auf einen Seitensprung mit einem seiner Freunde einlässt, bekommt die Clique Risse. Das Szene-Porträt nützt inhaltlich bekannte Genre-Elemente, setzt diese aber avanciert um, indem es eine Spannung zwischen den aggressiv-eloquenten Rap-Songs und den Bildern aufbaut, die in langen Einstellungen die Antriebsarmut und Orientierungslosigkeit der Figuren einfangen, deren Leidenschaft ausschließlich der Musik gilt. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Meerfilm
Regie
Matthias Santiago Staehle
Buch
Matthias Santiago Staehle
Kamera
Sven O. Hill
Musik
SuH · Tohuwabohu · 56 Boys · Reno · Vision TNT
Schnitt
Tobias Peper
Darsteller
Philipp Babing (Sam) · Julia Ehlers (Lisa) · David Stegemann (Marc) · Johannes Schäfer (Sven) · Renato Schuch (Pablo)
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
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Es beginnt mit viel Grau: Bilder von Hamburger Hochhäusern, Straßen, Parkplätzen. Ein kühles, recht trostloses Großstadtszenario. Dann, wie eine Rettung, ein einsetzender, reanimierender Puls: die Musik, Melodie unterlegt mit einem treibenden Beat. Die Protagonisten kommen ins Spiel, eine Freundes-Clique, die ihre Zeit auf dem Bolzplatz, beim gemeinsamen Rappen oder Abhängen verbringt und keine Lust hat, sich der Tretmühle von Studium oder Beruf zu ergeben. Die Jungs sind allerdings keine Teenager mehr, sondern schon Twens, in einem Alter also, in dem diese Existenzform langsam, aber sicher anfängt, prekär zu werden – so etwa, wenn Sam, die Hauptfigur des Films, seiner Freundin Lisa klarmacht, dass er kein Geld hat, um mit ihr einen gemeinsamen Urlaub zu planen, sich aber auch keinen Job suchen will. Gibt es einen Plan B, wenn es mit der Rapperkarriere nicht hinhauen sollte? Außer dem kaum bodenständigeren Plan, dann als Drogenboss groß rauszukommen, fällt Marc, einem der Freunde, dazu nichts ein. Kapuzenjacke und Skateboard, kleine Drogengeschäfte unterm Café-Tisch, Abgabe eines Demo-Bandes bei einem Musiklabel, Auftritte in einem Hamburger Club, die Chance, einen Videoclip zu produzieren, eine Liebesgeschichte, aus der ein Betrugs- und Eifersuchtsdrama wird: Die Ingredienzien, die Matthias Santiago Staehles Film variiert, sind an sich nichts Neues, weidlich bekannt aus diversen Musik- oder Jugendfilmen. Wie er sie präsentiert, ist dagegen alles andere als gewöhnlich. Da ist eine kontinuierliche Spannung zwischen der Ton- und der Bildebene, zwischen dem gesprochenen (bzw. gerappten) Wort und den Taten: Die Aggressivität, das Gefühl und die Eloquenz, die scharfe Gesellschaftskritik und Agitation, das Pathos in den Texten und Rhythmen der Rap-Songs kontrastiert mit langen Einstellungen und einer nüchtern-geduldig beobachtenden Kamera, die auf jede coole Stilisierung verzichtet und ein Szenario weitgehender Trägheit einfängt, sich mit fast ethnologisch anmutendem Forschergeist auf die Figuren einlässt und ihre Orientierungslosigkeit in der Gestaltung des eigenen Lebens offen legt: Leidenschaft scheint ausschließlich der Musik vorbehalten. Selbst als Sam schließlich erfahren muss, dass seine Freundin ihn mit seinem besten Freund betrügt, scheint seine Energie nicht auszureichen, um anständig zu explodieren – das bleibt erst wieder der Musik vorbehalten, als wäre das Mikrofon eine Art Zauberstab oder eine Batterie, die die antriebsarmen Figuren erst mit Lebenssaft versorgt. Staehle gelingt damit ein spannendes, kontroverses Szene-Porträt, das den Deutsch-Rap als Kunstform durchaus feiert, zugleich aber durchaus kritische Schlaglichter auf dessen Milieu wirft.
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