fucking different Tel Aviv

- | Israel/Deutschland 2008 | 95 Minuten

Regie: Hila Ben Baruch

Zwölf Kurzfilme schwuler Filmemacher über lesbische Themen und umgekehrt als dritter Teil einer in Berlin und New York begonnenen Reihe. Nur wenige experimentelle und eigenwillige Beiträge wecken das Interesse. Neben kitschigen oder explizit körperlichen Liebesdarstellungen sowie naiven politischen Statements zeigt sich viel nachdenklicher Leerlauf. Die Probleme schwul-lesbischer Menschen in Tel Aviv scheinen sich nur wenig von denen in anderen Metropolen zu unterscheiden. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Produktionsland
Israel/Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Kristian Petersen Filmproduktion
Regie
Hila Ben Baruch · Stephanie Abramovic · Yair Hochner · Yasmin Max · November Wanderin
Buch
Hila Ben Baruch · Stephanie Abramovic · Yair Hochner · Yasmin Max · November Wanderin
Kamera
Nir Freidman · Lena Turel · Uri Levi · Ben Hakim · Iris Domany
Musik
Emmanuel Danan · Alinn Leeve Child · Liora Bukofzer · Hila Nissimov · Tamir Hitman
Schnitt
Lior Berman · Michael Oppenheim · Ben Hakim · Anat Salomon · Kristian Petersen
Darsteller
Maor Elimeh · Amit Levi · Emmanuel Danan · Gila Goldstein · Avital Barak
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16 (DVD)
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
GMfilms (16:9, 1.78:1, DD2.0 engl. & hebrä. & frz.)
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Diskussion
Berlin und New York sind Welthauptstädte homosexueller Subkulturen. Deshalb war naheliegend, dass Kristian Petersen mit seinem „fucking different“-Projekt hier anfing: Jeweils zwölf schwule oder lesbische Filmemacher drehten maximal achtminütige Filme über die jeweils andere Ausrichtung: Schwule zeigten lesbische Liebe und umgekehrt. Nun folgt Tel Aviv, eine Stadt, deren Lebensqualität und Jugendlichkeit gefeiert wird, auch von ihren Bewohnern, deren schwul-lesbische Szene aber Nicht-Insidern eher unbekannt ist. Dass es sie inmitten einer militarisierten Gesellschaft gibt, zeigt diese Kompilation, und ebenso, dass dort die Gedanken und Probleme ganz ähnlich sind wie anderswo. Aber auch in Tel Aviv gelingt es nur mit teilweisem Erfolg, diese Lebenswelt filmisch darzustellen. Die Politik spielt in mehreren Filmen eine Rolle, und Politik bedeutet in Israel nun mal primär: die Haltung zu Palästina. Da merken zwei junge Männer, dass der eine für Frieden ist, der andere für die Vertreibung aller Araber, was sie zunächst auseinander bringt, bis die Anziehung doch stärker ist. Fast dasselbe Muster wie in Stephanie Abramovichs Beitrag findet sich im Film von Yair Hochner: Hier sind es zwei Frauen, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Haltung zunächst beschimpfen und dann lieben. Versucht sich der erste Beitrag in schlichter Narration, arbeitet der zweite mit einer einzigen Totalen, die das Bühnenhafte des Dargestellten verstärkt; plakativ wirken beide Filme. Dann erscheint überraschenderweise ein Zertifikat der dänischen Dogma-Bewegung. Yasmin Max’ Film zeigt indes kaum mehr als die behutsame Annäherung zweier Männer bei Nacht. November Wanderin erzählt eine ähnliche Geschichte, aber aus dem Tänzer-Milieu, sodass sie Gelebtes und Getanztes verschränken konnte. Wiederum höchst naiv und zudem laienhaft gespielt ist Yossi Braumans Groteske über zwei lesbische palästinensische Kämpferinnen, die einen Transvestiten entführen, der/die in Jerusalem beim Schlager-Grand Prix d’Eurovision für Israel antreten soll. Es mag ein Verdienst sein, damit komödiantisch umzugehen, doch enttäuscht auch dieser Beitrag. Dann ein Lichtblick: Eran Koblik Kedar zeigt einen Filmemacher ratlos, weil seine Schauspielerinnen soeben abgesagt haben. Also begibt er sich allein an die Drehorte, filmt sie ab und berichtet, was es zu sehen gegeben hätte. Interessant, aber inkonsequent; denn irgendwann tauchen die beiden doch auf und zelebrieren ihre lesbische Liebe. Überhaupt ist in fast jedem Film mehr oder weniger explizit Sex zu sehen, ein Sujet, das die meisten Regisseure überfordert beim Versuch, einen Weg zwischen Pornografie, Kitsch und Langeweile zu finden. Experimentell und überzeugend in der Wahl ihrer Mittel gibt sich Avital Barak in ihrem Film über verliebte Tanach-Schüler: Hinter dem Rücken des gestrengen Rabbis und inmitten ihrer Mitschüler nähern sie sich einander an, in ausdrucksstarken schwarz-weißen Bildern, unterlegt von verstörender Musik. Fast alle Filme legen viel Wert auf den Soundtrack und erhöhen damit oft die Wirkung der vergleichsweise eindimensionalen Bilder. Auch Elad Zakai geht diesen Weg, indem er praktisch ohne Schnitte nur eine Wohnung zeigt, darin das Ende einer lesbischen Liebesnacht, die Ankunft der betrogenen Dritten, Sex, Eifersucht, Gewalt und Drogen. Noch mehr Hardcore findet sich in Evan Levys comicartiger Collage schwarz-weißer Bilder mit knallroten Tupfern, die zunächst einen Leder-Lesben-Club zeigt, dann aber nur eine öde Annäherung zweier Frauen. Nir Ne’Eman gibt ebenfalls eine Annäherung wieder, zwischen einem schwulen Jungen und einem lesbischen Mädchen. Den Endpunkt setzt ein simples Reportage-Format, das wie eine Quintessenz wirkt: Schwule junge Männer erzählen von ihren Vorlieben und Vorstellungen. So breit gefächert wie deren Ansichten hätte man sich die gesamte Kompilation gewünscht, deren Beiträge vielfach wenig reflektiert wirken und an der Oberfläche der Subkultur bleiben. Von der Stadt Tel Aviv bekommt man so gut wie nichts zu sehen; so verhaftet scheinen die Filmemacher in ihren ganz privaten Problemen, dass sie den eigentlichen Schauplatz aus den Augen verlieren. Nur die Intermezzi, die den jeweils nächsten Autor ankündigen, zeigen Plätze in jener Stadt, die neben Beirut als lebendigste Metropole des östlichen Mittelmeers gilt.
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