Night of the Shorts: Am Ende kommt die Wende

- | Deutschland 2002-2008 | 95 Minuten

Regie: Ingo Rasper

Kompilation aus fünf Kurzfilmen, die sich 20 Jahre nach dem Mauerfall mit verschiedenen Aspekten des Themas "Wende" befassen. Die einzelnen Filme sind solide erzählt, wenn auch gelegentlich formal etwas bieder; ihre thematische Zusammenstellung wirkt insgesamt allerdings recht eintönig, weil sie weitgehend eine ähnliche Optik und Erzähltonlage bedienen und nur wenige Überraschungen oder filmästhetische Experimente parat halten. Die Titel der einzelnen Filme: 1. "Dufte" (2002, 10 Min.); 2. "Beento" (2007, 29 Min.); 3. "Die Klärung eines Sachverhalts", (2008, 15 Min.); 4. "Freies Land" (2008, 22 Min.); 5. "Der Plan des Herrn Thomaschek" (2002, 14 Min.) - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2002-2008
Regie
Ingo Rasper · Nancy Mac Granaky-Quaye · Sören Hüper · Christian Prettin · Hannes Treiber
Buch
Ingo Rasper · Nancy Mac Granaky-Quaye · Florian Wimmer · Sören Hüper · Christian Prettin
Kamera
Marc Achenbach · Christina Freitag · Marcus Kanter · Florian Kirchler · Jörg Gruber
Musik
Ariane Jähner · Cora Pabst · Marian Lux · Sonic Brothers · Michael Heilrath
Schnitt
Marc Achenbach · Simone Geidl · Nikolai Hartmann · Marc Heizmann · Tom Kohler
Darsteller
Thomas Gohlke (Achim) · Frank Witter (Herbert) · Christel Peters (alte Frau) · Klaus Herm (blasser Mann) · Michael Benthin (Polizist)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.

Diskussion
Öde steht die sozialistische Platte, eintönig schlängeln sich die Trabi-Kolonnen durchs ostdeutsche Flachland, im Eigenheim blüht die Blumentapete verdrossen vor sich hin. Es ist eine Ästhetik der Kritik und der Tristesse, der sich die fünf Kurzfilme von „Am Ende kommt die Wende“ pünktlich zu 20 Jahren gefallener Mauer verschrieben haben. „Night of the Shorts“ heißt die Reihe, in der die wild wuchernde Kurzfilmlandschaft Europas seit vier Jahren thematisch zurechtgestutzt wird. Ein cinephiles Sammelsurium ist bisher dabei herausgekommen, das sich im Vorfeld der WM 2006 beispielsweise als „Fußballfieber“ (fd 37 599) entlud oder „Die letzten Tage“ (fd 37 829) vergangener Kriege verfolgte. Manchmal besteht jedoch der Reiz gerade in der Abwechslung, dem Entdecken unorthodoxer Lösungsstrategien angesichts der Kürze, dem Einlassen auf ein neues Sujet, eine andere Optik oder ganz unterschiedliche Genres. „Dufte“, „Beento“, „Die Klärung eines Sachverhalts“, „Freies Land“ und „Der Plan des Herrn Thomaschek“ hingegen gleichen sich nicht nur in ihrer Bebilderung des einheitlichen Verfalls. Sie erzählen von einer DDR des Jahres 1952, von ihrem Verfall Anfang der 1960er-Jahre und dem nahen Ende Mitte der 1980er-Jahre. Trotzdem vereint die Filme immer dasselbe Martyrium aus ignorierten Ausreiseanträgen, ideologischen Ausbruchsversuchen und illegalen Schmuggelgeschäften – bis sie am Ende dann doch noch kam: die Wende. In dieser „Nacht der Kurzen“ dominiert das Fiktive, und, bis auf das komödiantische Zugabteil voller Kaffee-Schmuggler in „Dufte“, das Dramatische. Nancy Mac Granaky-Quaye hat ihre eigene Entstehungsgeschichte inszeniert und sie „Beento“ betitelt. „Been to Germany“, so werden die Austauschstudenten aus Ghana bezeichnet, wenn sie nach ihrem DDR-Stipendium wieder in die Heimat zurückkehren. Katharina verliebt sich in einen von ihnen, sie stellt Sammy zu Hause vor, wird schwanger. Doch die Vorurteile anno 1963, die Enge der DDR, der Druck von außen ersticken die junge Liebe, die Granaky-Quave engagiert, aber bieder inszeniert hat. Nicht weniger konventionell mäandert „Freies Land“ von Hannes Treiber zwischen Kritik und Bestandsaufnahme. Ein Pastor, der aneckt, der zwischen familiärer und gesellschaftlicher Verantwortung schwankt, den es wegzieht, aber irgendwie auch festhält in einer Heimat, die ihn eigentlich nicht mehr beherbergen will. Oder „Dufte“ mit seiner ansprechenden Retro-Optik, der zwar zum Schmunzeln anregt, jedoch nicht mehr als ein augenzwinkernder Sketch über die wohlriechende Ware Bohnenkaffee und die „Beschaffungskriminalität“ der kleinen Bürger ist. Das alles sind Filme, die eine Sichtweise auf das DDR-Leben und -Leiden teilen, wie sie seit „Das Leben der Anderen“ (fd 37 524) etabliert ist. Es sind allesamt kurzgeratene und zehn Jahre jüngere Nachfolger der komödiantischen Aufarbeitungsversuche von „Sonnenallee“ (fd 33 876) oder „Good Bye, Lenin!“ (fd 35 817). Nur ist die Stimmung wesentlich schwärzer geworden. Ein deutlicher, durchaus angemessener Anstrich, der sich jedoch in der Wiederholung als etwas zu einfarbig erweist. Das gilt auch für Sören Hüpers und Christian Prettins psychologisches Kammerspiel „Die Klärung eines Sachverhalts“, dem es gerade in der Reduktion seines Handlungsspielraums gelingt, eine eindringliche Atmosphäre der Bedrängnis zu schaffen. Der Ausreiseantrag von Jürgen Schulz, einem „systemrelevanten“ Wirtschaftsingenieur, lagert seit Ewigkeiten im Amt, wo ihm ein hinterhältiger Beamten am anderen Ende des Verhörtischs diese paradoxe Idee auszureden versucht. In Rückblenden werden die Wende- und Knackpunkte eines beherzten Entschlusses gezeigt, während dessen Ausführung in zunehmende Ferne rückt. Fast scheint es, als ob die Biederkeit der Jahrzehnte auch die Filmemacher ergriffen hat. Ihre Figuren wollen indes nur noch eins: raus. Sie haben das Verlangen nach einem Bruch mit den Konventionen, der diesen handwerklich versierten, aber seltsam somnabulen Filmen fehlt – auf einen beherzten Ausreißer wartet man vergeblich. Immerhin unterscheidet sich „Der Plan des Herrn Thomaschek“ von Ralf Westhoff wenigstens farblich von den grauen Plattenbau-Wüsten: grün und später Schnee behangen leuchtet der Wald, in dem der junge Läufer Jochen den örtlichen Briefträger trainiert, damit der auf die durchfahrende Eisenbahn Richtung kapitalistischem Ausland springen und seine im Westen verbliebene Frau wiedersehen kann. Hier wartet jemand nicht auf die Wende, sondern will zum Sprung ansetzen – ausgeführt wird er dann von jemand anderem. Es ist genau dieses Prinzip aus Überraschung, Lakonie und hintergründiger Kritik, das man in einer Kompilation zur Wende vermisst.
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