Der gelbe Satin

Krimi | Deutschland 2008 | 91 Minuten

Regie: Mehmet Çoban

Eine Kölner Taxifahrerin hat ihren türkischen Namen nach schrecklichen Erlebnissen in einer arrangierten Ehe abgelegt und mit ihm auch alles andere, was sie an ihre beengende Herkunft erinnert. Deshalb will sie ihre pubertierende Tochter von türkisch-religiösen Kreisen fern halten. Ein spannendes, klug entwickeltes Drama, das allerdings mit einem Krimiplot um Döner-Fleisch und dunkle Geschäfte verwoben ist, was den interessanten Diskurs über Berührungsängste der "Deutschtürken" mit dem Islam all zu sehr auf ein "Tatort"-Fernsehformat reduziert. (Türk.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Sonfilm
Regie
Mehmet Çoban
Buch
Hatice Balaban-Çoban · Özalp Çoban
Kamera
Oliver Soravia
Musik
Betin Günes
Schnitt
Bilbo Calvez · Dirk Böll
Darsteller
Hatice Balaban-Çoban (Maria Schäfer) · Anton Algrang (Jan Berger) · Menderes Samancilar (Galip) · Lisa Hahn (Esra Schäfer) · Mark Zak (Bilal Sahin)
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi | Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Ehrenmorde, Islamismus, kurdisch-türkischer Konflikt, Neonazis und andere Rassisten: Wenn im deutschen Fernsehen von den so genannten Deutschtürken die Rede ist, geht es meist um Varianten der Schlagzeilen aus der Regenbogenpresse. Auch unter dem Label des „Problemfilms“ jagt so manches Klischee durchs Kabel, während die Bevölkerungsgruppe, um die es gehen soll, oft mit gemischten Gefühlen zusieht. Mit „Der gelbe Satin“ erscheint nun ein Hybrid zwischen Fernseh- und Kinofilm, der von einer Firma produziert wurde, die die Sorgen und Nöte der deutschtürkischen Bevölkerung wahrscheinlich besser kennt als deutsche Fernsehredakteure. Sonfilm aus Köln ist im „Ethnomarketing“ (Eigenwerbung) tätig und gründete 2005 den Privatsender „Türkshow“, der sich mit speziellen Nachrichtensendungen, Talkshows, einer Frauensendung und Wirtschaftsmagazinen ans deutschtürkische Publikum wendet. Zu den erfolgreichsten Sendungen gehört die in Köln selbstproduzierte Sitcom „Ithal Gelin – Die Importbraut“, die den Alltag der Zielgruppe mit einer Mischung aus Problembewusstsein, Ironie und einem für Köln typischen deutsch-türkischen Dialekt aufs Korn nimmt. „Der gelbe Satin“ nun ist der erste Spielfilm von Firmengründer Mehmet Çoban. Die Geschichte der alleinerziehenden Taxifahrerin Maria Schäfer alias Meryem, die ihren deutschen Namen nach einer Zwangsheirat nebst Vergewaltigung durch den einflussreichen Geschäftsmann Bilal Sahin annahm und sich seitdem in die Zweisamkeit mit ihrer Tochter Esra zurückgezogen hat, thematisiert die Berührungsängste vieler Deutschtürken mit religiösen Praktiken. Maria, praktizierende Muslimin, will ihre pubertierende Tochter mit aller Macht von türkischen und religiösen Kreisen fern halten. Jede Nacht plagt sie der Albtraum von der Vergewaltigung – ein Trauma, das sie mit Rachegedanken à la „Taxi Driver“ (fd 19 983) zu besiegen hofft. Bei Esra, die auf der Identitätssuche zwischen deutscher Heimat und türkischstämmiger Herkunft zunächst beim Islam landet, stößt der autoritäre Säkularismus der Mutter allerdings auf Unverständnis, und eines nachts bindet sich die Tochter das titelgebende gelbe Kopftuch um. Çoban mischt seinen Diskurs über die Religion und die Ängste vor frommen Praktiken mit einem Kriminalplot, der den Vergewaltiger Sahin als Drahtzieher eines Dönerfleisch-Skandals gegen den deutschen Investigativ-Journalisten Jan Berger, einst Meryems Jugendliebe, ausspielt. Geradlinig erzählt, entwickelt sein Film trotz farblicher Nachbehandlung und manch ambitionierter Kameraperspektive künstlerisch vor allem eher publikumstaugliches Fernsehformat. Dramaturgisch erinnert vieles an problembewusste „Tatort“-Folgen, einschließlich spektakulärer Drehorte (Containerkran) und lokaler Färbung – wie in anderen Teilen Deutschlands auch beziehen sich die Kölner Deutschtürken in Çobans Film auf eine nationale, eine religiöse, vor allem aber regionale Identität. So bezeichnet sich Maria selbst als „Muslimin auf Kölsche Art“. Das Ganze kommt, recht gewöhnungsbedürftig, in der türkischen Synchronfassung mit deutschen Untertiteln daher. Ein deutscher Starjournalist, der mit seiner aufgeklärten türkischstämmigen Jugendliebe genauso in astreinem Türkisch parliert wie der deutsche Freund mit Tochter Esra, wirkt wenig glaubwürdig. Parallelgesellschaftsideologen dürften hier ein 1:0 der türkischen über die deutsche Sprache als Kommunikationsmittel unter Deutschtürken fehlinterpretieren. Immerhin: So wird der „gute Deutsche“ zum Türken, wo ansonsten der „gute Türke“ zum Deutschen gemacht wird. Zur Befreiung von Klischees des deutschen Problemkinos über „Deutschtürken“ dürfte das noch nicht reichen.
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