Der Die Das: Wenn Kinder in die Schule kommen

Dokumentarfilm | Deutschland 2008 | 92 (TV 58) Minuten

Regie: Sophie Narr

Dokumentarfilm über die Schüler einer Grundschule in einem Berliner Problemviertel. In suggestiven, geduldig registrierenden Bildern lässt sich die Kamera respektvoll auf die Lebenswelt der Kinder ein, die in Gesprächen ein Gespür dafür vermitteln, welcher Druck auf ihnen lastet. Ohne wertenden Kommentar oder den Anspruch einer umfassenden Analyse ergibt sich dabei das sensible Porträt eines gesellschaftlichen Problems, das mit dem Schlagwort PISA nur unzureichend erfasst ist. - Ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
HFF "Konrad Wolf"
Regie
Sophie Narr
Kamera
Anne Misselwitz
Musik
Chao Qu
Schnitt
Sophie Narr
Länge
92 (TV 58) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Wenn im August die angehenden Schulkinder mit Schultüten und Ranzen losziehen, um in eine neue Lebensphase zu starten, neigt man als Erwachsener dazu, das vor allem niedlich zu finden – außer man hat selbst ein Kind im Erstklässler-Alter und bekommt den organisatorischen Aufwand, die Aufregung und den Stress, den die Einschulung bedeutet, hautnah mit. Für Sophie Narrs Dokumentarfilm über eine erste Klasse an der Anna-Lindh-Grundschule in Berlin-Wedding ist „niedlich“ auf jeden Fall ein gänzlich unpassendes Attribut, trotz großer Kinderaugen und nicht minder großer Milchzahnlücken, mit denen in Nahaufnahme in die Kamera gelächelt wird. Denn wirklich unbeschwert, offen und fröhlich wirkt dieses Lächeln selten. Die ABC-Schützen scheinen schon gelernt zu haben, dass man mit dem Preisgeben von dem, was wirklich in einem vorgeht, vor allem mit Ängsten oder Kummer, besser vorsichtig ist. Die Schüler stammen aus einem schwierigen Umfeld – Hartz IV, mangelnde Deutschkenntnisse aufgrund der ethnischen Herkunft, oft zerrüttete Familien. Während Laurent Cantets „Die Klasse“ (fd 39 090), der zwar in Frankreich und in einer anderen Altersstufe, aber in einem ähnlichen Milieu spielte, auf den Lehrer fokussierte, bleibt hier die Pädagogin eine Randfigur; im Mittelpunkt stehen vier Kinder, die vor, während und nach dem Unterricht von der Kamera begleitet werden und in Gesprächen, aber auch in Zeichnungen über sich und ihr Leben erzählen. Obwohl sie dabei kaum aus der Reserve gelockt werden können, vermittelt sich ein Gespür für den Druck, der auf ihnen lastet: durch die schulischen Anforderungen, die auch ohne Noten dafür sorgen, dass erste Versagensängste aufkommen, durch die Hackordnung auf dem Pausenhof, durch ein Gespür dafür, aufgrund der ethnischen Herkunft, zu der oft gar kein wirklicher Bezug besteht, irgendwie als anders wahrgenommen zu werden, durch familiäre Nöte. Die Kamera – Anne Misselwitz wurde für ihre Arbeit beim Frauenfilmfestival 2009 in Dortmund mit dem Bildgestalterinnen-Preis geehrt – registriert all dies mit großer Sensibilität, Nähe und Geduld; sie ruht auf den kleinen Gesichtern, auf den Dingen, die sie umgeben, auf Alltagsausschnitten. „The Amount of Small Things“, heißt der internationale Verleihtitel des Films. Aus der „Summe“ dieser „kleinen Dinge“, die ohne Kommentar präsentiert werden, ergibt sich eine suggestive, aufmerksam-zärtliche und vor allem respektvolle Annäherung an die Lebenswelt der Kinder, die diese nicht umfassend analysiert und auch kein „Verständnis“ der höchst komplizierten Situationen vorgibt, sich aber mit großer Empathie auf die kleinen Protagonisten und auf ihre Fremdheit in der Welt der Erwachsenen einlässt. Dass die Probleme, die sich dort für sie auftun, nicht nur schulpolitisch gelöst werden können, sondern Teil einer umfassenderen gesellschaftlichen Baustelle sind, liegt auf der Hand.
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