Der Ghostwriter

Politthriller | Frankreich/Großbritannien/Deutschland 2010 | 128 Minuten

Regie: Roman Polanski

Ein Autor soll als Ghostwriter die Memoiren eines ehemaligen britischen Premierministers überarbeiten, der wegen dubioser Verstrickungen in Menschenrechtsverletzungen ins Kreuzfeuer der Medien geraten ist. Während seiner Arbeit stößt er auf immer mehr Ungereimtheiten und gerät in Gefahr, als er dunklen Machenschaften auf die Spur kommt. Ein virtuos zwischen Polit-Thriller und griechischer Tragödie angesiedeltes Krimi-Vexierspiel um die Mechanismen der Macht und den korrumpierenden Einfluss, den sie auf Menschen ausübt. Glänzend gespielt, überzeugend in der Spannungsdramaturgie, pointiert im Einsatz von Humor und Handlungsdetails. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE GHOST WRITER
Produktionsland
Frankreich/Großbritannien/Deutschland
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
RP Films/Runteam/Studio Babelsberg
Regie
Roman Polanski
Buch
Roman Polanski
Kamera
Pawel Edelman
Musik
Alexandre Desplat
Schnitt
Hervé de Luze
Darsteller
Ewan McGregor ("The Ghost") · Pierce Brosnan (Adam Lang) · Kim Cattrall (Amelia Bly) · Olivia Williams (Ruth Lang) · James Belushi (John Maddox)
Länge
128 Minuten
Kinostart
18.02.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Politthriller | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Es existiert eine Special Edition (2 DVDs) mit der Dokumentation "Roman Polanski: Wanted and Desired" (96 Min.) auf einer separaten Bonus-Disk.

Verleih DVD
Kinowelt/Arthaus (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Kinowelt/Arthaus (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Diskussion
Ghostwriter sind Menschen, die im Hintergrund bleiben, „Geister“, die man nicht sehen will, wäre es doch ansonsten schnell aus mit dem schönen Schein mancher Autoren, deren Name offiziell die Buchdeckel ziert. So steht auch hier ein namenloses Individuum im Mittelpunkt, das nur über seine Funktion definiert wird. Eigentlich will der Brite gar nicht die Memoiren eines umstrittenen ehemaligen Premierministers verfassen, nachdem sein Vorgänger auf seltsame Weise zu Tode kam. Aber der Agent drängt, und das Geld lockt. Noch in derselben Nacht geht es von London in die USA, wo die schwierige Aufgabe und der englische Ex-Premier Adam Lang auf ihn warten, dessen Biografie er publikumswirksam umformulieren soll. Das Fernsehen bringt neue Nachrichten über den schillernden Politiker, die ihn als Kriegsverbrecher brandmarken, der sich vor einem internationalen Gerichtshof verantworten soll. Die Luxusvilla entpuppt sich angesichts ihrer Bewachung als eine Art Fort Knox, die Stimmung ist gedrückt, nicht nur wegen der Medienberichte, sondern auch wegen unterschwelliger Eifersüchteleien zwischen Langs Assistentin und Ehefrau. Das Urteil des Ghostwriters über das Manuskript fällt vernichtend aus: „Die Worte sind alle da, sie sind nur in der falschen Reihenfolge.“ Der „Geist“ trifft in dem Politiker ein „Gespenst“. Bei seinen Recherchen entdeckt der junge Mann immer mehr Ungereimtheiten und Lügen, Unstimmigkeiten von Zeiten und Personen. Immer tiefer gerät er in eine globale Verschwörung, und als dann noch der frühere britische Außenminister Richard Rycart offen über Langs dubiose Rolle bei „Folterflügen“ der CIA spricht, verlangt der Verleger, das Buch in zwei Wochen abzuliefern, um den Medien-Hype für die Veröffentlichung zu nutzen. Selbst nach dem Mord an Lang muss der unbekannte Autor um sein Leben fürchten, als er das intrigante Spiel um Macht auf- und des Rätsels Lösung entdeckt. Als „Ghost“, der Bestseller von Robert Harris, 2008 auf den Markt kam, beschuldigte man den Star-Autoren und Journalisten, den Roman in nur fünf Monaten herunter geschrieben zu haben, damit er noch vor Tony Blairs eigenen Memoiren erscheinen könne; dass Ex-Premier Blair mit seinen Verwicklungen in den Irak-Krieg Pate für Lang gestanden hat, galt als offenes Geheimnis. Roman Polanskis Verfilmung zieht nun nicht nur Parallelen zwischen dem Ehepaar Blair und dem Ehepaar Lang, sondern weitet sich über solche Ähnlichkeiten hinaus zu einem universellen Blick auf die Mechanismen der Macht sowie die Phänomene des Machtverlusts; auf eine Politikerkaste, die – weit entfernt vom Volk – nach Gutdünken agiert und den Bezug zu denen, die sie wählten, schon lange verloren hat. Harris und Polanski feilten gemeinsam am Drehbuch, das Resultat ist ein Thriller in bester Hitchcock-Manier, mit falschen Fährten, Ahnungen, Verdachtsmomenten, die in die Irre führen, bis am Ende der Knoten wie eine Erlösung platzt. Polanski bleibt seinem Hang zur dunklen Wahrheit treu, auch wenn hier alles greifbarer ist als noch in „Bitter Moon“ (fd 29 973) oder seinem Klassiker „Rosemaries Baby“ (fd 15 794). Die Anordnung der Figuren ähnelt der auf einem Schachbrett, wobei die Dame den König schlägt und das Bauernopfer lediglich ein bedauerlicher Kollateralschaden ist. Die Entlarvung bleibt – wie im richtigen Leben – für die Täter folgenlos, Moral etwas für Gestrige. Ewan McGregor als Ghostwriter zwischen Naivität und Coolness, Pierce Brosnan als mit allen Wassern gewaschener Ex-Premier und Olivia Williams als dessen undurchschaubare Ehefrau werfen sich souverän die Bälle zu, auch die Nebenrollen sind optimal besetzt. Die Dialoge kommen auf den Punkt, der Humor trifft ins Schwarze, und eine Fülle von Ideen wie der Einsatz eines Navigationsgerät im Auto des Vornutzers, das den Ghostwriter zufällig in die richtige Richtung führt, sorgt in dem Mix aus zeitgenössischem Thriller und griechischer Tragödie immer wieder für kleine Höhepunkte. Dass der Film, der in einem aus der Zeit gefallenen Martha’s Vineyard spielt, u.a. auf Sylt und Usedom, in Berlin und im Studio Babelsberg gedreht wurde, sieht man ihm nicht an. „Ghostwriter“ ist seit „Chinatown“ (fd 19 120) der erste wieder in den USA angesiedelte Film Polanskis. Eindrucksvoll kehrt er damit zu seiner früheren cineastischen Kraft zurück.

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