Bödälä - Dance the Rhythm

Dokumentarfilm | Schweiz 2009 | 81 Minuten

Regie: Gitta Gsell

Vom innerschweizerischen Stampf- und Rundtanz ausgehend, stellt der Dokumentarfilm die vielfältige Welt des perkussiven Tanzes vor, dessen virtuoseste Vertreter ihren Körper und den jeweiligen Untergrund als Einheit und Instrument begreifen, das zum Klingen gebracht werden möchte. Ein mitreißender und höchst vitaler, visuell wie akustisch überzeugender Dokumentarfilm, der zur Auseinandersetzung mit ebenso fremdartigen wie faszinierenden Klangwelten einlädt. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BÖDÄLÄ - DANCE THE RHYTHM
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Reck Filmprod.
Regie
Gitta Gsell
Buch
Gitta Gsell
Kamera
Hansueli Schenkel · Peter Guyer · Patrick Lindenmaier
Musik
Peter Bräker · Werner Haltinner
Schnitt
Bernhard Lehner
Länge
81 Minuten
Kinostart
25.11.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm | Tanzfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Es ist schon ein Kreuz mit den Schweizern. Da machen sie Filme, dass einem vor Freude Augen und Ohren übergehen, geben ihnen dann aber so „bodenständige“ Titel, dass sich selbst Ostschweizer, aber erst recht deutsche Verleiher damit schwer tun dürften. Gitta Gsells Dokumentarfilm „Bödälä“ ist so ein Fall. „Bödälä“ steht für alle Formen des perkussiven Tanzes, der in seiner archaischen Form in aller Welt verbreitet ist, sich durch rhythmisches Stampfen auf den Boden manifestiert und zu Urzeiten geeignet war, um Geister zu vertreiben oder sich Mut für einen bevorstehenden Kampf „anzutanzen“. Der zunächst denkbar schlichte Bewegungsablauf wurde im Lauf der Zeit immer mehr verfeinert und ritualisiert. Die filmische Reise beginnt in der Innerschweiz, wo sich Bödälä als schlichter Rundtanz, später dann als Balz- und Werbetanz etablierte, und schlägt einen weiten Bogen zu längst anerkannten Kunstformen wie Stepp- oder Flamenco-Tanz, deren Virtuosen wohl verständnislos den Kopf schütteln würden, wenn man sie als Stampf-Tänzer bezeichnete. „Bödälä“ macht nicht nur mit den Ausformungen eines Tanzes vertraut, sondern es gelingt ihm auch, zur inneren Philosophie dieser Ausdruckform vorzudringen, deren Merkmal es ist, den „Boden mitzunehmen“, die Stimme an die Füße abzugeben und aus Körper und jeweiligem Bodenbelag eine klangliche Einheit, ein Instrument zu schaffen. Dabei gilt die Beherrschung dieser Kunstform als umso vollendeter, je entspannter und aufrechter der Oberkörper erscheint. Man kennt dies von stets lächelnden Stepp-Tänzern, die sich ihrer Arbeit nicht bewusst zu sein scheinen, aber auch im Gesellschaftstanz hat sich die Präsentationsform etabliert. Da wirbeln die Wettbewerber übers Parkett, man weiß um die Anstrengung, doch die Gesichter strahlen unbeschwerte Freude aus. Gitta Gsell stellt außergewöhnliche Vertreter(innen) dieser Tanzform vor, so auch Sabrina Wüst, die sich mit Trainerin und unter qualvollem Körpereinsatz auf die Weltmeisterschaft im Irish Dance in Belfast vorbereitet, sich an ihrem großen Tag aber bereits nach den ersten Schritten eine Zerrung zuzieht, die ihre (Tanz-)Karriere beendet. Ein anderer ist der Profi-Tänzer Lukas Weiss, der nicht müde wird, stets wechselnden Bodenbelägen ihre essenzielle Klangfarbe abzugewinnen: Beton, Stahl, Sand oder alltäglicher Straßenasphalt sind die Unterlagen, mit denen er sich und seine Umgebung zum Klingen bringt. Am meisten beeindruckt die Flamenco-Tänzerin Ania Losinger, der klassische spanische „Stampf“-Tänze zu statisch waren und die deshalb eigene Ausdrucksformen kreierte. Mit unterschiedlichen Hölzern entwickelte sie ihren eigenen Klangboden, auf dem sie nun, mit Hilfe zweier Stöcke – beim Stampfen vier Beine – ihre virtuosen Konzerte darbietet. Der Tanz auf einem Xylophon, hier Xala, der Klanggenuss und Augenweide zugleich ist, wenn man sieht, wie die Künstlerin in ihren Körper hinein horcht, um ihm und ihren „Resonanzkörper“ neue Töne zu entlocken. „Bödälä“ ist ein spannender und unterhaltsamer Film, der mit archaischen Klangwelten vertraut macht und Menschen präsentiert, die auf wirkungs- und klangvolle Weise mit beiden Beinen im Leben stehen. Die beeindruckende Kameraarbeit konzentriert sich auf die Gesichter der Künstler und natürlich auf ihre Beine, die nie zur Ruhe kommen dürfen, um ihren selbst empfundenen Rhythmus am Leben zu erhalten. Nicht von ungefähr erinnert der Film an Stefan Schwieterts „Heimatklänge“ (fd 38 379), der den Volksgesang von allem folkloristischen Ballast befreite und eine gelebte Kunstform zur Geltung brachte. Ein wundervoller Film, dessen schwieriger Titel sich im Nachhinein dann doch eindrucksvoll erschließt.
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