- | Deutschland 2008 | 88 Minuten

Regie: Florian Eichinger

Nach Jahren treffen sich ein Vater und sein erwachsener Sohn, die jeden Kontakt zueinander verloren hatten, mit ihren jeweiligen Partnerinnen in einer Berghütte in den Alpen. Das konfliktreiche Wochenende bringt keine Annäherung, da beide Männer nicht aufeinander zugehen und Eifersucht und Begehren den Konflikt verschärfen. Ambitioniertes Kammerspiel über Generationskonflikte und Sprachlosigkeit, geprägt von überzeugenden Darstellern und einer soliden Kameraarbeit. Ein interessanter Debütfilm, auf den man sich allerdings einlassen muss. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Bergfilm
Regie
Florian Eichinger
Buch
Florian Eichinger
Kamera
André Lex
Musik
Daniel Vernunft · Iván Wyszogrod
Schnitt
Jan Gerold
Darsteller
Martin Schleiß (Hannes) · Peter Kurth (Hans-Gert) · Anna Brüggemann (Ann) · Rosalie Thomass (Lavinia)
Länge
88 Minuten
Kinostart
08.07.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
farbfilm/Lighthouse (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Es wird ein beschwerlicher Weg, das machen die ersten Einstellungen deutlich. Hannes trägt seine leicht körperbehinderte Freundin Ann, die an den Nachwirkungen eines gemeinsam erlittenen Autounfalls leidet, durch den verschneiten Wald. Ziel ist eine Berghütte in den Alpen. Doch Spuren im Schnee, die ebenfalls das entlegene Ziel anzustreben scheinen, schüren ungute Vorahnungen, zumal Ann nicht locker lässt und immer wieder Hans-Gert ins Gespräch bringt, Hannes’ Vater, der vom Sohn tot geschwiegen wird und über den sie, die Verlobte und zukünftige Ehefrau, doch endlich etwas erfahren möchte. Die Gelegenheit ergibt sich bald, denn auf der familieneigenen Hütte warten Hans-Gert und seine 19-jährige Geliebte Lavinia, ein von Ann arrangiertes Zusammentreffen, wie sich später herausstellt. Einem Wochenende mit unausweichlichen Gesprächen, Begegnungen und Berührungen ist der Weg geebnet; allerdings ist auch mit Verletzungen zu rechnen. Der Titel ist Programm in Florian Eichingers Vier-Personen-Kammerspiel, in dessen Verlauf nicht nur eine schwierige Vater-Sohn- und Familien-Beziehung aufgearbeitet wird, sondern auch diametral entgegengesetzte Lebenseinstellungen aufeinander prallen: der geerdete, fürsorgliche Sohn auf der einen Seite, der scheinbar unbeschwerte Vater auf der anderen, der sein Leben – soweit es geht – in vollen Zügen genießen will. Der konfliktreiche Annäherungsversuch erhält zusätzliche Schärfe durch den Umstand, dass Hannes ein gefragter Jungschauspieler ist, der den Durchbruch auf den deutschen Bühnen geschafft hat, und sich Hans-Gert als abgehalfterter (Bühnen-)Regisseur mit ihm im Schlepptau bessere Chancen ausrechnet. Doch diese von Hannes schnell durchschaute Überlegung geht so wenig auf wie der Versuch, ein halbwegs harmonisches Wochenende miteinander zu verbringen. Man bemüht sich zwar, der angespannten Situation mit einem improvisierten Theaterstück die Schärfe zu nehmen, doch Hannes, der in die Rolle des Kasperl schlüpft, und sein Vater, der logischerweise den Teufel mimt, gießen nur weiteres Öl ins Feuer. Sexuelle Begehrlichkeiten und Seitensprünge deuten sich an. Die Situation eskaliert. Während sich Hannes mit Lavinia vergnügt, erhält Hans-Gert aber eine Abfuhr. Verletzte Gefühle und Eitelkeiten sind die Folgen. Zwar ist Ann bereit, den Vertrauensbruch zu vergeben, doch ein Ende des Generationskonflikts ist nicht abzusehen. Unterm Strich erweisen sich zwar beide Parteien als „bergfest“, aber auch als unnachgiebig. Lange sieht es so aus, als würde sich das Vater-Sohn-Kammerspiel in diesem beachtlichen Debütfilm zur generellen Auseinandersetzung zwischen der 68er-Generation und ihren Nachgeborenen weiten: auf der einen Seite der libertinäre Vater mit seinen hochgestochenen, aber gescheiterten Idealen, der an den mühselig errungenen Freizügigkeiten vergangener Jahrzehnte festhält, auf der anderen der Sohn, der schon im Alter von 25 Jahren seinen Lebensweg gefunden zu haben scheint. Ehe als Lebensplan versus freie Liebe bis zum Ende? Ausdruck findet dies im Verantwortungsgefühl des Sohns für seine behinderte Verlobte. Allerdings müssen zwei Einschränkungen gemacht werden, die das stimmige Gefüge ein wenig ins Wanken bringen. Psychologisch hängt Hannes’ Seitensprung nämlich in der Luft und kann auch nicht als Racheakt am Vater verstanden werden; auf der anderen Seite ist Anns Behinderung eher als Symbol zu verstehen, als Belastung, die das Leben nun mal mit sich bringt. Gleichwohl ist „Bergfest“ ein ambitionierter No-Budget-Film mit beachtlichen Schauspielerleistungen und einer soliden Kameraarbeit, der die vertrauten Versatzstücke des Familienromans variiert und gescheiterte Kommunikationsversuche – auch nonverbale – thematisiert. Eine kleine, leise Geschichte über Schuld und Verlust und über die Schwierigkeit, verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen, was keineswegs über kalkulierte Kommunikationsstrategien zu schaffen ist, die kaum ein aufeinander Zugehen erlauben, sondern viel eher von der Unnachgiebigkeit und dem Beharren auf dem eigenen Standpunkt zeugen. Eichingers Film schildert ein Bergfest der besonderen Art, das keinem Beteiligten in guter Erinnerung bleiben wird, auch Ann nicht, die als Einzige moralisch integer ins Tal zurückkehrt, sich ihrer Pläne für die Zukunft aber nicht mehr ganz sicher sein kann.
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