Kennzeichen Kohl

Dokumentarfilm | Deutschland 2009 | 87 Minuten

Regie: Jean Boué

Dokumentarfilm über fünf Männer aus verschiedenen Orten Deutschlands und verschiedenen Alters, die alle Namensvettern von Altkanzler Helmut Kohl sind. Die lediglich durch diese zufällige äußerliche Gemeinsamkeit verbundenen Protagonisten geben Einblick in ihren beruflichen wie privaten Alltag, was ohne Kommentar, aber mit viel Sympathie von der Kamera festgehalten wird. Dabei entstehen nicht unbedingt repräsentative, aber aufschlussreiche Momentaufnahmen des Lebens in Deutschland 20 Jahre nach der Wiedervereinigung. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Hanfgarn & Ufer Filmprod./mdr/RBB
Regie
Jean Boué
Buch
Jean Boué
Kamera
Uli Fischer
Musik
Eike Hosenfeld · Moritz Denis · Tim Stanzel
Schnitt
Thomas Wellmann
Länge
87 Minuten
Kinostart
02.09.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb

Diskussion
Wer einen Dokumentarfilm drehen will, sucht sich in der Regel Protagonisten, die etwas verbindet, z.B. gemeinsame Erfahrungen, Schicksalsschläge, Familienbande, Gebrechen, Hobbys etc.. Von daher hat es schon etwas von einer Schnapsidee, einen Film mit Menschen zu machen, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, denselben Vor- und Nachnamen zu haben. Freilich heißen die fünf Mitwirkenden dieses Films nicht irgendwie, sondern hören allesamt auf den Namen Helmut Kohl. Da deutsche Regierungschefs offenbar zu Allerweltsnamen neigen, hätte man auch Helmut Schmidt oder Gerhard Schröder nehmen können; aber Kohl gilt nun mal als Kanzler der Einheit, und mit seinem Namen dürften sich bei dessen Namensvettern in Ost und West am ehesten widersprüchliche Assoziationen verbinden. Auf die Idee mit den Kohls kam der Fotograf Burkhard von Harder, der für ein Projekt gleich 100 Helmuts mit diesem Familiennamen ausfindig gemacht und vor sein Objektiv gebracht hat. Dokumentarfilmer Jean Boué begnügt sich mit einem Kohl-Quintett, und eigentlich bildet der Namensgag nicht mehr als einen nicht sonderlich originellen Aufhänger. Auch wenn sich die Beteiligten im Lauf des Films alle irgendwann einmal stolz bis gleichgültig zu ihrer Namensgleichheit mit dem Prominenten aus Oggersheim äußern, geht es hier nicht um den Altkanzler. Die hier porträtierten Kohls stehen eher für subjektive Momentaufnahmen des Lebens in Deutschland 20 Jahre nach der Wiedervereinigung. Wobei diese auch nur bei Protagonisten, die im Osten der Republik leben, von näherem Belang ist. Vor allem Helmut Kohl aus Wolfen hängt wehmütig an den alten Zeiten. Zwar hat er als Rentner sein Auskommen, aber wenn er zusieht, wie der Wohnblock, in dem er lange gelebt hat, abgerissen wird, oder wenn er auf einem leeren Platz steht, wo einst die große Fabrik stand, in der er seinen Arbeitsplatz hatte, kommt er doch ins Grübeln. Ein anderer Kohl, Gastwirt in Sachsen, hat sich arrangiert. „Früher ging es uns sehr, sehr gut“, sagt er, „heute geht’s uns gut.“ Die Kohls im Westen der Republik sind Charaktere mit gänzlich unterschiedlichen Lebenswelten. Ein 44-Jähriger aus der Pfalz, der mit Abstand jüngste Kohl des Films, frönt nach der Fabrikarbeit seiner Passion als Hobbybauer und kümmert sich um seinen schwer behinderten Bruder. Derweil genießt sein Namensvetter, ein Architekt und gebürtiger Österreicher, seinen Ruhestand in einer protzigen Villa in Duisburg und einem Ferienhaus auf Mallorca. Und dann ist da noch der Rentner Helmut Kohl, der einst aus Oberschlesien nach Heidelberg kam, regelmäßig seinen Mercedes („Mein Traum“) poliert und auf seiner Kleingartenparzelle die Deutschland-Fahne hisst. Jean Boué beobachtet seine Protagonisten bei ihren alltäglichen Verrichtungen und lässt sie, mal in ihren Wohnungen, mal in der unmittelbaren Umgebung, aus ihrem Leben erzählen. Hie und da greifen auch die Ehefrauen – alle sind verheiratet – ins Gespräch ein. In loser Form nach Themen wie Hobbys oder Ernährungsgewohnheiten gegliedert, entstehen so in Parallelmontage mit teils originellen Kameraperspektiven unkommentierte Momentaufnahmen des Lebens in der Bundesrepublik Deutschland, die gewiss nicht repräsentativ, aber deshalb nicht weniger interessant sind. Zumal die Regie ihre Helmut Kohls mit deutlicher Sympathie begleitet und sie nirgendwo vorführt. Was die eine oder andere realsatirische Sequenz nicht ausschließlich. Wenn Helmut Kohl aus Sachsen seine Kneipe mit einer bunten Lichterkette in eine Disco zu verwandeln versucht und den DJ macht, dann geht das nicht ohne Tragikomik.
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