Endstation Seeshaupt - Der Todeszug von 1945

Dokumentarfilm | Deutschland 2010 | 97 Minuten

Regie: Walter Steffen

Ende April 1945 werden 4.000 Häftlinge des KZ-Außenlagers Mühldorf-Mettenheim von ihren Peinigern evakuiert und in einen Zug Richtung Oberbayern gepfercht. Entlang der damaligen Bahnstrecke dokumentiert der Film die Irrfahrt des Zugs, lässt Überlebende und Zeitzeugen zu Wort kommen, auch Mitglieder der deutschen Zivilbevölkerung, die zu Kriegsende mit der Deportation konfrontiert wurde. Ein beeindruckendes Dokument, das wider das Vergessen arbeitet und zugleich eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart schlägt. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Konzept + Dialog Medienprod.
Regie
Walter Steffen
Buch
Walter Steffen
Kamera
Christoph Ißmayer
Musik
Bernd Petruck
Schnitt
Martin Wunschick
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Überlebende des KZ-Außenlagers Mühldorf-Mettenheim erinnern sich an ihre Deportation am Ende des Krieges und ihre einwöchige Irrfahrt, bis ihr Zug schließlich in Seeshaupt am Starnberger See liegen blieb.

Diskussion

Am 14. April 1945 wurde das KZ-Außenlager Mühldorf-Mettenheim, in dem zu diesem Zeitpunkt noch 4.000 KZ-Häftlinge vegetierten und in Rüstungsbetrieben beschäftigt waren, in Windeseile evakuiert. Mit diesem Unterfangen wollte die SS ihre Gräueltaten vor der anrückenden US-Armee verbergen. Die ausgemergelten Opfer, viele von ihnen ungarische Juden, wurden in einen kilometerlangen Zug gepfercht. Ohne Nahrung und Getränke zwang man die Insassen auf eine Reise Richtung Oberbayern, deren Endstation niemand interessierte. Die früher perfekt durchorganisierten „Zugreisen“ der Nazis gerieten zum Chaos.

Über 60 Jahre später fährt Luis Sneh, einer der Überlebenden, die alte Bahnstrecke ab und erinnert sich an das Leid, das ihm und seinen Gefährten widerfahren ist. Er memoriert die einzelnen Stationen der Reise ins Ungewisse, erzählt Geschichten und Anekdoten. Etwa, dass der Zug irgendwann geteilt wurde, auf Rangierbahnhöfen stehen blieb oder dass die Wachmannschaften angesichts alliierter Fliegerangriffe flohen, die allerdings auch die Häftlinge gefährdeten. Hilfe wurde den Gefangenen von Seiten der bayerischen Widerstandsorganisation „Aktion Fasanenjagd“ zuteil, was aber massive Vergeltungsmaßnahmen der SS nach sich zog. Nach einer einwöchigen Irrfahrt blieb der Zug in Seeshaupt am Starnberger See liegen, wo die Häftlinge dann befreit wurden.

Niemand wollte sie zur Kenntnis nehmen

Auch deutsche Zeitzeugen erinnern sich an den Zug und seine Insassen, die bei gelegentlichen Stops mitunter auch in die Dörfer und Kleinstädte kamen, manchmal notdürftig versorgt, im Grunde aber nicht zur Kenntnis genommen wurden. Das rächte sich am Ende: Seeshaupt wurde durch den US-amerikanischen Kommandanten Captain Klein zur Plünderung frei gegeben; eine Maßnahme, die nicht nur materielle Schäden nach sich zog.

Der Film von Walter Steffen ist alles andere als eine nüchterne Bilanzierung der Ereignisse. Immer wieder versucht die Regie einen Brückenschlag: die Balance zwischen Erinnern und Vergeben. Vergessen wird in diesem Kontext ausgeklammert. Dafür sorgt auch Max Mannheimer, ein anderer Überlebender des Zugs, der mit Vorträgen in Schulklassen die Erinnerung aufrechterhält, den Schülern jedoch keinen Schock versetzen will, sondern sachlich referiert und seine Geschichten mit Humor anreichert: ein Akt der Verständigung und Versöhnung. Ebenso wie das Mahnmal, das nicht am Bahnhof errichtet werden konnte, sondern in der Bahnhofstraße: ein Objekt, das nicht schön sein durfte und aus rostigem Schrott zusammengeschweißt wurde. Heute ranken Blumen am Denkmal – bloße „Aufhübschung“ oder Zeichen der Versöhnung?

Wie gelingt Versöhnung?

„Endstation Seeshaupt“ ist ein eher kleiner Dokumentarfilm, der dennoch eine große Wirkung hat. Walter Steffen erinnert mit der wenig bekannten Randepisode an die furchtbaren Gräueltaten des NS-Regimes, gemahnt an die Notwendigkeit der Verständigung und stellt die Dringlichkeit von Versöhnung in den Mittelpunkt. Denn niemand kann Gegenwart leben und Zukunft planen, ohne der Vergangenheit zu gedenken.

wollten. Die Opfer, viele von ihnen ungarische Juden, wurden in einen ein Kilometer langen Zug gepfercht. Ohne Nahrung und Getränke wurden die Insassen auf eine Reise Richtung Oberbayern geschickt, deren Endstation eigentlich niemanden mehr interessierte. Die einst perfekt durchorganisierten „Zugreisen“ der Nazis gerieten zum Chaos. Über 60 Jahre später fährt Luis Sneh, einer der Überlebenden des Holocaust-Zugs, die alte Bahnstrecke ab, erinnert sich an das Leid, das ihm und seinen Gefährten widerfahren ist, memoriert die einzelnen Stationen der Reise ins Ungewisse, liefert Geschichte, Geschichten und Anekdoten. Etwa, dass der Zug irgendwann geteilt wurde, auf Rangierbahnhöfen stehen blieb, die Wachmannschaften angesichts alliierter Fliegerangriffe flohen, die allerdings auch die Häftlinge gefährdeten. Oder dass den Häftlingen von Seiten der bayerischen Widerstandsorganisation „Aktion Fasanenjagd“ Hilfe zuteil wurde, was zu massiven Vergeltungsmaßnahmen der SS führte. Nach einer einwöchigen Irrfahrt strandete der Zug in Seeshaupt am Starnberger See, wo die Häftlinge endgültig befreit wurden. Auch deutsche Zeitzeugen erinnern sich an den Zug und seine Insassen, die bei gelegentlichen Halts durchaus in ihre Dörfer und Kleinstädte kamen, mitunter notdürftig versorgt wurden, die man aber eigentlich nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Das rächte sich am Ende der Reise: Seeshaupt wurde durch den US-amerikanischen Kommandanten Captain Klein zur Plünderung frei gegeben, eine Maßnahme, die nicht nur materielle Schäden nach sich zog. Walter Steffens Film ist alles andere als eine nüchterne Bilanzierung der Ereignisse. Immer wieder versucht er den Brückenschlag, die Balance zwischen Erinnern und Vergeben. Vergessen ist in diesem Kontext ausgeklammert. Dafür sorgt auch Max Mannheimer, ein weiterer Überlebender des Zugs, der mit Vorträgen in Schulklassen die Erinnerung aufrecht erhält, den Schülern jedoch keinen Schock versetzen will, sondern sachlich referiert und seine Geschichten mit Humor goutierbar zu machen versteht: ein Akt der Verständigung und Versöhnung. Ebenso wie das Mahnmal, das nicht am Bahnhof errichtet werden konnte, sondern in der Bahnhofstraße: ein Objekt, das nicht schön sein durfte und aus rostigem Schrott zusammengeschweißt wurde. Heute ranken Blumen am Denkmal – bloße „Aufhübschung“ oder Zeichen der Versöhnung? Steffen schuf einen eher kleinen Dokumentarfilm, der jedoch eine durchaus große Wirkung hat: Er erinnert durch eine wenig bekannte Randepisode an die Gräueltaten eines ganzen Regimes, gemahnt an die Notwendigkeit der Verständigung und stellt die Dringlichkeit von Versöhnung in seinen Mittelpunkt: Niemand kann Gegenwart leben und Zukunft planen, ohne der Vergangenheit zu gedenken.

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