Horror | Großbritannien/USA 2010 | 116 Minuten

Regie: Matt Reeves

Ein unscheinbarer, zu Hause wie in der Schule weitgehend isolierter junger Mann freundet sich mit dem neu zugezogenen Nachbarsmädchen an, das sich als Vampir entpuppt, der von seinem "Vater" mit dem Blut menschlicher Opfer versorgt wird. Feinfühliges Remake eines schwedischen Films, das seinen schmerzhaften Stoff um jugendliche Isolation, Mobbing, Außenseitertum und erste Liebe durch Anleihen beim Horrorgenre suggestiv umsetzt und sowohl durch seine atmosphärische Bildsprache als auch durch bemerkenswerte jugendliche Darsteller überzeugt. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
LET ME IN
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Overture Films/Exclusive Media Group/Hammer Films
Regie
Matt Reeves
Buch
Matt Reeves
Kamera
Greig Fraser
Musik
Michael Giacchino
Schnitt
Stan Salfas
Darsteller
Chloë Moretz (Abby) · Kodi Smit-McPhee (Owen) · Richard Jenkins (Abbys Vater) · Elias Koteas (Polizist) · Cara Buono (Owens Mutter)
Länge
116 Minuten
Kinostart
15.12.2011
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Horror | Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs, ein zweiteiliges "Making of" (29 Min.) sowie ein kommentiertes Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (5 Min.).

Verleih DVD
Universal (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Universal (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Bei der aktuellen Schwemme an Vampir-Filmen wird eine Frage stets in den Hintergrund gedrängt: Ist es denn wirklich so erstrebenswert, ein Vampir zu sein? Ein Wesen, das sich von Menschenblut ernähren und das Sonnenlicht meiden muss? „Let Me In“, die US-amerikanische Neuverfilmung des schwedischen Films „So finster die Nacht“ (fd 39 056), gibt nicht nur derartigen Fragen Gestalt, sondern auch klare Antwort. Der Film spielt im Winter; Reif bildet sich an den Fensterscheiben, der Atem der Menschen ist sichtbar. Owen sitzt in seinem abgedunkelten Zimmer. Er ist ein einsamer Junge: Seine Mutter, deren Gesicht man nie sieht, lebt in Scheidung; der Vater ist unerreichbar. Mit einem Fernrohr beobachtet er seine Nachbarn, wie sie sich streiten und daraufhin lieben, wie ein anderer seinen Körper stählt. Er selbst ist ziemlich dürr. Nur mit Unterhosen bekleidet, übt er mit einem Messer vor einem Spiegel – ein Ausdruck innerer Zerrissenheit und Wut, der auch schon von dem Amokläufer Travis Bickle aus „Taxi Driver“ (fd 19 983) geprobt wurde. Doch Owen ist nur ein Junge. Ein Junge, dessen Interesse für die neuen Nachbarn, geweckt wird, die neben ihm einziehen. Abby, das Mädchen, lernt er auf dem Spielplatz im Hof kennen; sie trägt keine Schuhe und sagt ihm, dass sie nie Freunde sein können. Sie ist, wie er später entdeckt, ein Vampir, der sich von Blut ernähren muss, das ihr „Vater“ durch Morde in der Nachbarschaft herbeiholt. Dennoch verliebt sich Owen in sie. Mit der schwülstigen Mensch-Vampir-Romanze der „Twilight“-Filme hat diese kindliche Liebe wenig gemein; sie wirkt als Liebe zweier Außenseiter, zweier zutiefst einsamer Geschöpfe existenzieller, intensiver und wahrhaftiger als es Bella, Edward und das stumme Beischlafversprechen zwischen ihnen je seien könnten. Wenn Owen Abby umarmt, weil ihr Gesicht zu bluten anfängt, als er sie nicht formell hereinbittet – eine der Regeln des Vampirismus –, glaubt man ihnen ihre Verbundenheit. „Let Me In“ lebt auch von der atmosphärisch dichten Inszenierung des Winters und der Nacht, die von der Kamera kunstvoll in Szene gesetzt werden. Die Nacht ist hier kein Vorbote eines klassischen Abenteuers, sondern funktioniert als Spiegel des Lebens der Protagonisten, ist kalt, einsam und elendig. Für Kinder ist der Film dabei denkbar ungeeignet, denn wenn Abby Menschen reißt, dann wie ein hungriger Wolf, sehr blutig und wild. Ein starker Kontrast zur Zartheit von Chloë Grace Moretz und der Kindlichkeit der Figur, die sich für Puzzle begeistert und nach Zuwendung sehnt. Schließlich drohen Abby und Owen auseinander gerissen zu werden, als ein Polizist dem Mädchen und seinem „Vater“ auf die Schliche kommt. Ungemach droht auch von anderer Seite, denn Owen wird in der Schule das Opfer eines Jungen, der ihn „Mädchen“ schimpft und seinen Frust an ihm auszulassen sucht. „Wehr dich!“, sagt ihm Abby, was er auch tut – und sich dann den Konsequenzen stellen muss. Man muss weder Vampire mögen noch eine Vorliebe für Coming-of-Age-Filme hegen, um „Let Me In“ schätzen zu können: Die feinfühlige Inszenierung dieser Beziehung, die langsame Erforschung der Lebensbedingungen der beiden und das Gespür für leises Melodram sind Merkmale, mit denen der Film die Stereotype ähnlicher Produktionen weit hinter sich lässt und zu einem erinnerungswürdigen Erlebnis wird.
Kommentar verfassen

Kommentieren