Dokumentarfilm | Italien 2010 | 92 Minuten

Regie: Carlo Mazzacurati

Porträt der Lagunenstadt Venedig, filmisch aufgezeichnet aus der Perspektive von sechs Bewohnern: eines Archäologen, eines Künstlers, eines Hotelzimmermädchens, eines ehemaligen Diebs, eines Jungen auf der künstlich aufgeschichteten Insel Sacca Fisola sowie eines Archivars. Die facettenreiche Visite einer kuriosen und doch erstaunlich normalen Lebenswelt überzeugt dank stimmungsintensiver Musik, aber auch durch die Offenheit, mit der der Film Einblicke in Alltagswelten gewährt. (O.m.d.U.) - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
SEI VENEZIA
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Argonauti
Regie
Carlo Mazzacurati
Buch
Carlo Mazzacurati · Marco Pettenello · Claudio Piersanti
Kamera
Luca Bigazzi
Musik
Eleni Karaindrou
Schnitt
Paolo Cottignola
Länge
92 Minuten
Kinostart
29.03.2012
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Rendezvous/Indigo (16:9, 1.78:1, DD2.0 ital.)
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Diskussion
Die Lagunenstadt aus der Sicht ihrer Bewohner – bei all den unvermeidlichen Reportagen, Reisebüchern und Krimis, die dem Lebensgefühl der 60.000 übrig gebliebenen Venezianer nachspüren, kein origineller Zugang, aber immerhin einer, bei dem man nicht viel falsch machen kann. Carlo Mazzacurati konzentriert sich auf sechs Protagonisten innerhalb eines selbst auferlegten Rahmens, der sich an wechselnden Jahreszeiten orientiert. Er folgt diesen Einheimischen auf eine fast romanhafte Weise an die Orte ihres Alltags. Dazu gehören Mestre, das Hotel Danieli, St. Alvise, Murano, eine Bar in San Marco und Sacca Fisola. Ein Jahr lang beobachtet er sie beim Arbeiten und in der Freizeit. Bei diesen sorgfältig ausgewählten Prototypen der venezianischen Mentalität handelt es sich um einen Archäologen, einen Künstler mit Außenseiterqualitäten, ein Zimmermädchen, einen ehemaligen Dieb, einen Jungen, der auf der künstlich aufgeschichteten Insel Sacca Fisola lebt, einen Archivar, der sich mit der Geschichte der Stadt beschäftigt. Dabei macht sich der Regisseur zwar gelegentlich zum allzu braven Konservator einer regional aussterbenden Spezies; der Bevölkerungsrückgang schreitet unaufhörlich voran, was immer wieder einen wehmütigen Blick auf die letzten Mohikaner zur Folge hat. Das ändert aber nichts daran, dass die sechs Charaktere äußerst vital die Sonderstellung ihrer Stadt zu genießen wissen. Das Zimmermädchen, Tochter und Enkelin von Gondolieren, prahlt mit Geschichten über Brad Pitt und andere Stars, die sie während der Filmfestspiele zu Gesicht bekommt. Dem Künstler fällt der Part des Bewunderers einer Landschaft zu, die mit inspirierenden Lichteffekten nicht geizt. Der Junge erzählt vom Leben in der „Bronx“, wie er sein fern der berühmten Altstadt liegendes Umfeld nennt. Natürlich fehlt es nicht an elegischen Kamerafahrten entlang der Kanäle und augenzwinkernden Beobachtungen während des Hochwassers, wenn die Bewohner mit exzentrischen Gummistiefeln, Plastikeimern und Müllsäcken den Fluten vor ihrer Haustür trotzen. Touristenmassen haben Kameraverbot bekommen, trotzdem ist das Ergebnis ein überwiegend nüchtern präzises Gruppenporträt, auch dank der Rückgriffe auf alte Privatfotos, die den Personen eine greifbare Vergangenheit verleihen. Eine wohltuende Langsamkeit zeichnet den Film aus, was auch daran liegt, dass er Randzonen, Industriegebiete und Unspektakuläres mit ins Blickfeld nimmt. Die lakonische Visite in einer kuriosen und gleichzeitig erstaunlich normalen Lebenswelt wartet mit Momenten tiefer Offenheit auf. Mazzacurati gelingt es, die Brücke zu einfachen Menschen zu schlagen, denen kein Seufzer entweicht und die trotz unterschiedlicher Herkunft jeder auf seine Weise Würde ausstrahlen. Ein Venedig-Panorama sanft gegen den Strich gebürstet, klug akzentuiert mit der stimmungsintensiven Musik.
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