Dicke Mädchen

Liebesfilm | Deutschland 2011 | 79 (24 B./sec.)/76 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Axel Ranisch

Ein Mittvierziger lebt zusammen mit seiner alten Mutter in einer Berliner Wohnung; wenn er arbeitet, betreut ein Pfleger die demente Dame. Für diesen hat der Sohn eine Schwäche, doch es bedarf erst einiger Turbulenzen, bevor sich die beiden näher kommen. Charmant-skurriler Low-Budget-Liebesfilm, der seine drei sympathisch-seltsamen Protagonisten als warmherziges, humorvolles "Home Movie" durch Höhen und Tiefen begleitet und ihre zwischenmenschliche Zuneigung und Fürsorge feiert. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Sehr gute Filme
Regie
Axel Ranisch
Buch
Axel Ranisch
Kamera
Axel Ranisch
Schnitt
Guernica Zimgabel · Milenka Nawka
Darsteller
Ruth Bickelhaupt (Edeltraut Ritter) · Heiko Pinkowski (Sven Ritter) · Peter Trabner (Daniel Marquardt) · Paul Pinkowski
Länge
79 (24 B.
sec.)
76 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
15.11.2012
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Liebesfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
missingFilms (FF, DD2.0 dt.)
DVD kaufen

Diskussion
In einer Szene dieses bezaubernd ulkigen Liebesfilms sieht man die etwa 90-jährige Edeltraut, wie sie durchs Schlüsselloch ihren Sohn Sven beobachtet, während der selbstvergessen und mit nichts als einem Kopfhörer und einem Papiertaschentuch am Leib zu den Klängen von Ravels Bolero durchs Zimmer tanzt. Edeltraut lacht; es ist ein lustiges, freundliches Lachen, in dem keinerlei Häme oder Herablassung mitschwingt angesichts des nicht gerade schlanken Bankangestellten Mitte 40, der alle Hüllen und Hemmungen fallen gelassen hat. Dieser Schlüsselloch-Blick ist bezeichnend für den Abschlussfilm von Axel Ranisch an der HFF Potsdam: „Dicke Mädchen“ ist ein intimes, menschenfreundliches Porträt, das mit einfachen Mitteln in die Lebenswelt dreier Figuren entführt und an Stellen heran lässt, an denen sie am seltsamsten, am angreifbarsten und am verletzlichsten, aber auch am liebenswertesten sind. Mutter und Sohn teilen nicht nur eine Wohnung, sondern auch das Doppelbett. Ist das befremdlich? Vielleicht, aber offenbar funktioniert die Lebensgemeinschaft von Sven und der dementen Mutter. Wenn Sven zum Arbeiten in die Bank geht, passt Daniel, der ungefähr in Svens Alter ist, auf die Seniorin auf und erledigt den Haushalt. Zunächst weiß man nicht, ob Daniel auch zur Familie gehört; später stellt sich heraus, dass er wohl eine bezahlte Hilfskraft ist, die mittlerweile zum Freund wurde. Eines Tages sperrt ihn Edeltraut auf dem Balkon aus und zieht auf eigene Faust los, um in Berlin spazieren zu gehen. Erst als Sven abends zurückkommt und Daniel befreit hat, brechen beide auf, um die vergessliche Alte zu suchen, wobei sich andeutet, dass Sven eine heimliche Schwäche für Daniel hat – und der vielleicht auch für ihn, obwohl er verheiratet ist. Daniels Frau ist über dessen nächtliche Abwesenheit so verärgert, dass sie ihn an die Luft setzt; so übernachtet er bei Sven und der mittlerweile heil zurückgekehrten Edeltraut. Zu dritt verbringen sie einen exaltierten, herrlichen Abend. Am nächsten Morgen fällt ein dunkler Schatten auf die Gemeinschaft: Sven und Daniel drohen sich wieder voneinander zu entfernen, als Daniel zu seiner Familie zurückkehrt. „Dicke Mädchen“ ist ein Film der von den Machern – Axel Ransich (Regie), Anne Baeker (Produktion), Heiko Pinkowski und Peter Traber (Darsteller) – ins Leben gerufenen Produktionsfirma „Sehr gute Filme“, die Filme jenseits träger Strukturen lancieren will, die spontan, eigenwillig und ohne das Hineinreden Dritter entstehen sollen. Das Instrumentarium ist entsprechend abgespeckt: „Dicke Mädchen“ hat nur einige 100 Euro gekostet. Auf der Basis eines Treatments wurden die Szenen von den Darstellern improvisiert; die Schauplätze beschränken sich weitgehend auf das Innere der Wohnung sowie einige Außendrehs; die MiniDV-Kamera hat der Regisseur selbst geführt; Bildsprache und Ton lassen den Film wie ein Home Video wirken. Was jedoch nicht weiter stört, da Form und Inhalt gut zusammenpassen – so als wäre die Kamera ein weiteres, zärtliches Familienmitglied (was in gewisser Weise auch zutrifft: Regisseur Ranisch ist der Enkel der Edeltraut-Darstellerin Ruth Bickelhaupt). Das große Kapital des Films sind seine wunderlichen, von den Darstellern sympathisch und glaubwürdig gestalteten Figuren, die gegen die großen und kleinen Nöte des Lebens tapfer ihre Zuneigung und Fürsorge, aber auch Fantasie und Spieltrieb mobilisieren, sowie die Fähigkeit, die Figuren bei aller komödiantischen Leichtigkeit ernst zu nehmen. Der Name der jungen Produktionsgemeinschaft wird jedenfalls durch „Dicke Mädchen“ kräftig unterstrichen.
Kommentar verfassen

Kommentieren