Bastard (2011)

Psychothriller | Deutschland 2011 | 130 (24 B./sec.) Minuten

Regie: Carsten Unger

Ein 13-Jähriger entführt einen kleineren Jungen und erpresst dessen Eltern, für ihn eine Ersatzfamilie zu spielen. Allerdings wird auch der Täter erpresst, und zwar von einem gleichaltrigen Mädchen, das seine Zuneigung einfordert. Fulminanter Psychothriller, der gesellschaftlichen Schieflagen nachspürt, indem er das Gewaltpotenzial, das sie erzeugen, dort explodieren lässt, wo es am meisten schockiert: bei Kindern und Jugendlichen. Dabei sind es Formen von familiärer Vernachlässigung, die die Kinder zu extremen Gegenmaßnahmen treiben. Ein bestechender Debütfilm mit großartigen Darstellern, einer durchdachten Spannungsdramaturgie und einer suggestiven Bildsprache. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Gifted Films/Maranto Films/SWR
Regie
Carsten Unger
Buch
Carsten Unger
Kamera
Lars Petersen · Patrick Pawig
Musik
Stevie B-Zet · Ralf Hildenbeutel
Schnitt
Dora Vajda
Darsteller
Martina Gedeck (Meinert) · Markus Krojer (Leon) · Antonia Lingemann (Mathilda) · Sibylle Canonica (Cora Schweizer) · Finn Kirschner (Nikolaus)
Länge
130 (24 B.
sec.) Minuten
Kinostart
18.04.2013
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Psychothriller
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Lighthouse (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
„Bin ich böse?“, fragt ein Dreizehnjähriger im Lauf dieses fesselnden Psychothrillers. Es ist ein Spiel und doch kein Spiel, in dessen Rahmen diese Frage gestellt wird: Unter der Anleitung einer Polizeipsychologin haben sich einige Menschen um einen Wohnzimmertisch versammelt und veranstalten eine „Wer bin ich?“-Runde, bei der jeder Mitspieler einen Zettel mit dem Namen einer berühmten Person auf die Stirn geklebt bekommt und durch Fragen an die Mitspieler herausfinden muss, welchen Promi er/sie verkörpert. Auf dem Zettel an der Stirn des Dreizehnjährigen, der von sich sagt, er habe keinen Namen, steht nichts. Die Polizeipsychologin will den Jungen aus der Reserve locken, an das heran kommen, was ihn antreibt. Denn er hat etwas Ungeheuerliches getan: Er hat einen anderen Jungen, Nikolas, entführt und hält ihn irgendwo in einem Keller gefangen. Nikolas ist das Druckmittel, um an dessen Eltern heran zu kommen und sie zu zwingen, mit dem Entführer Mutter-Vater-Kind zu spielen. Die Polizeipsychologin versucht, durch das von ihr angezettelte Rate-Spiel in der grausigen Familien-Charade des Täters die Oberhand zu bekommen. Der Einsatz dabei ist Nikolas‘ Leben. Carsten Ungers Langfilm-Debüt ist das Genre-Pendant zu Filmen wie Michael Hanekes „Das weiße Band“ (fd 39 527) und Jan Speckenbachs „Die Vermissten“ (fd 41 071): Er spürt gesellschaftlichen Schieflagen nach, indem er das Gewaltpotenzial, das sie erzeugen, dort explodieren lässt, wo es uns am meisten schockiert: Bei Kindern und Jugendlichen. In „Bastard“ sind es Formen von familiärer Vernachlässigung, die die Kinder zu extremen Gegenmaßnahmen treiben. Die Geschichte des Entführers, der in einem wohlhabenden, aber völlig unterkühlten Elternhaus aufgewachsen ist, wird verflochten mit der eines gleichaltrigen Mädchens, das sich selbst zu seiner Verbündeten macht: Mathildas Mutter ist Alkoholikerin; das Mädchen kompensiert die Defizite dieses Zuhauses als frühreife Taschendiebin, die sich fremden Männern – meist Familienvätern – förmlich an den Hals wirft und sie bei Zurückweisung beklaut. Die Freundschaft des Entführers erpresst sich Mathilda, indem sie droht, das Versteck seines Opfers preiszugeben. Dadurch, dass der Film nicht nur einen, sondern zwei ebenso verstörende wie faszinierende jugendliche Anti-Helden ins Zentrum rückt und ihnen die von Martina Gedeck gespielte Polizeipsychologin als dritte Hauptfigur gegenüber stellt, ergibt sich, dass er bei keinem von ihnen und schon gar nicht in der Zeichnung der Nebenfiguren allzu sehr in die Tiefe gehen kann. Was der Film allerdings wett macht durch seine hochkarätige Besetzung (vor allem die beiden jungen Hauptdarsteller sind eine Entdeckung!) und durch seine Spannungsdramaturgie, die zusammengehalten wird durch das Bangen ums Leben des eingekerkerten Kindes und immer wieder befeuert durch nervenzerreißende Psycho-Duelle zwischen den Figuren. Die Bildsprache, die mit einer in kühlen Tönen gehaltenen Farbdramaturgie aufwartet, gibt dafür einen suggestiven Rahmen ab und trägt das ihre zu dem Unwohlsein bei, dass dieses Panoptikum gestörter Seelen verursacht. Dass der Film die Beunruhigung und Irritation, die die bitterböse „Kindergeschichte“ weckt, im Gegensatz zu Filmen wie „Das weiße Band“ oder auch „We Need to Talk About Kevin“ (fd 41 208) am Ende etwas neutralisiert, indem alle Motive aufgeklärt werden, macht ihn eindimensionaler, dafür aber auch eher geeignet für ein junges Publikum im Alter der Figuren. Felicitas Kleiner
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