Dokumentarfilm | Deutschland 2013 | 84 (24 B./sec.)/80 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Dorothee Wenner

Drei Geschäftsleute aus Lagos - ein Autoteilehändler, ein Immobilienmakler und ein Schuhproduzent - machen sich in Begleitung von zwei "Business-Consultants" nach Deutschland auf, um künftige Geschäftspartner und Investoren zu treffen. Eine hybride Mischung aus Dokumentar- und Abenteuerfilm, die unterhaltsam und lebendig die postkolonialen Asymmetrien der unterschiedlichen Wahrnehmungen und Perspektiven vor Augen führt. Der spielerische Film wirkt betont unfertig, macht damit aber gerade ein wenig beachtetes Kapitel der Globalisierung sinnlich plastisch. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Pong Kröger Scheffner
Regie
Dorothee Wenner
Buch
Dorothee Wenner
Kamera
Bernd Meiners
Musik
Philip Scheffner
Schnitt
Merle Kröger
Länge
84 (24 B.
sec.)
80 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
24.10.2013
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
In seinem Imagefilm präsentiert sich der dandyhafte Immobilienentwickler Dolapo Ajayi als ein Mann mit eher großformatigen Visionen. In Lagos führt er durch kugelsichere Toskana-Villen und schlendert in der atemberaubenden Kulisse eines baufälligen Hochhauses umher, das er zu einer Kaufhausgalerie mit Drehrestaurant auf dem Dach umgestalten will. Später sieht man ihn in Berlin auf dem Alexanderplatz sitzen, mit anerkennendem Blick auf die Fassadenarchitektur der „Galeria Kaufhof“. Dolapo Ajayi ist neben dem Autoteilehändler Sam Aniama und dem Schuhproduzenten Femi Oladipo einer der Protagonisten in „DramaConsult“ von Dorothee Wenner. Nach ihrer intensiven Beschäftigung mit der nigerianischen Filmlandschaft, dem Nollywood-Kino, erforscht die Berliner Regisseurin nun die nigerianisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen. Der Name der für diesen Film eigens ins Leben gerufenen Beratungsfirma DramaConsult ist dabei programmatisch. Die Geschäftsleute sind zwar ebenso real wie ihre Versuche, deutsche Partner und Investoren zu gewinnen, doch Selbstdarstellung und Schauspielerei sind unweigerlich Bestandteil der Akquise. Bevor sich die drei Businessmen mit Vertretern des auf Investitionsprojekte in Afrika spezialisierten Unternehmens „Trans Africa Invest“ treffen, kleiden sie sich beim exklusiven Herrenausstatter „Herr von Eden“ erstmal neu ein – „dress to impress“. Das Performative ist aber auch Teil von Dorothee Wenners Mise-en-scène: Wenn zu Beginn die beiden dynamischen Business-Consultants Biyi Olugbodi und Jude Fejokwu aus extremen Untersicht gefilmt zu ihrem ersten Treffen mit ihren Kunden eilen, ist man schon mittendrin in einer abenteuerlichen Start-up-Geschichte. Selbst wo die Kamera die Protagonisten meist „klassisch dokumentarisch“ begleitet, gibt es immer wieder irritierend bühnenhafte Momente, die den Naturalismus der ethnographischen Expedition konterkarieren. „Erzählt eine nigerianische Erfolgsgeschichte“, lautet die Anweisung der Berater. Doch genau damit können die potentiellen Partner in Berlin, Frankfurt und Hamburg nicht immer umgehen. Die deutsche Antwort auf den Enthusiasmus und Optimismus der nigerianischen Geschäftsleute heißt oft Zurückhaltung und Skepsis. Dabei geht es nicht nur um zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle – Zukunftsvisionen und pionierhafter Unternehmergeist auf der einen Seite, Risikoangst und das Festhalten an Fakten und Zahlen auf der anderen. Die Machtasymmetrien sind trotz der selbstbewusst-charismatischen Auftritte, die die postkolonialen Verhältnisse zu überspielen scheinen, immer spürbar: etwa wenn ein deutscher Lederhändler Femi Oladipo zeigt, wie eine qualitativ hochwertige Krokodilprägung aussieht, oder ein plötzlich deutsch radebrechender Autohändler klarstellt, dass Preisvereinbarungen verbindlich sind und er keine Lust auf „Palaver“ und Herumhandeln habe. Gegen Ende des Films erzählt Sam Aniama, dass er den Händler erneut aufgesucht habe – dieses Mal ohne Kamera. Dabei sei er gefragt worden, ob er wirklich mit Autoteilen handeln würde. „DramaConsult“ ist aus einer Vielzahl von Projekten hervorgegangen, unter anderem aus „Lagos Business Angels“ der Gruppe Rimini Protokoll, ein am Berliner Hebbel Theater uraufgeführtes Theaterstück, das auf eine Idee von Wenner zurückgeht. Mitunter wirkt „DramaConsult“ auch eher wie der Zwischenbericht einer umfassenderen Recherche über ein noch wenig bekanntes Kapitel der Globalisierung, nicht wie eine abgeschlossene Arbeit. Der „work-in-progress“-Charakter lässt den Film mitunter etwas lose und peripher erscheinen, doch das Spielerische macht auf der anderen Seite genau seine Lebhaftigkeit aus.
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