Memories on Stone

Drama | Irak/Deutschland 2014 | 93 Minuten

Regie: Shawkat Amin Korki

Zwei Filmemacher wollen 25 Jahre nach der "Anfal-Operation" einen Film über den Genozid an den irakischen Kurden drehen, bei dem Saddam Hussein den Einsatz von Giftgas befahl. Als ihre schwierige Suche nach einer Darstellerin endlich Erfolg hat, beginnen die Probleme erst recht, weil die Verwandtschaft der Frau viele Vorbehalte hat. Hinzu kommen finanzielle Engpässe und ein tragischer Unglücksfall. Der tragikomische Film lotet im kunstsinnigen Spiel mit unterschiedlichen Zeitebenen die Rolle des Kinos als therapeutische Institution aus und zeichnet zugleich ein vielschichtiges, von vielen Widersprüchen geprägtes Bild der kurdischen Gesellschaft. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BÎRANÎNÊN LÍ SER KEVÍRÎ
Produktionsland
Irak/Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Mitosfilm
Regie
Shawkat Amin Korki
Buch
Mehmet Aktas · Shawkat Amin Korki
Kamera
Salem Salavati
Musik
John Gürtler · Özgür Akgül
Schnitt
Ebrahim Saeedi
Darsteller
Hussein Hassan (Hussein) · Nazmi Kirik (Alan) · Shima Molaei (Sinur) · Rekesh Shahbaz · Hishyar Ziro
Länge
93 Minuten
Kinostart
07.04.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Kriegsfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
CH: Trigon (16:9, 1.85:1, DD5.1 kurd.)
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25 Jahre nach dem "Anfal"-Genzoid an den irakischen Kurden wollen zwei Filmemacher den Massenmord auf die Leinwand bringen, stoßen dabei aber auf erhebliche Schwierigkeiten.

Diskussion
Ein kleiner Junge sitzt gebannt im Kino. Auf der Leinwand ist „Yol – Der Weg“ (fd 23 758) zu sehen. Yilmaz Güneys Meisterwerk aus dem Jahre 1982, über die Unterdrückung des kurdischen Volkes. Es ist eine heimliche, verbotene Vorführung. Während auf der Leinwand das türkische Militär kurdische Rebellen abführt, dringen plötzlich irakische Soldaten in den Kinosaal ein und verhaften die Zuschauer. Es sind die finstersten Jahre der Unterdrückung, als Saddam Hussein die Kurden der Kollaboration mit dem Erzfeind Iran bezichtigte, die kurdische Sprache verbot und zu einem Vernichtungsfeldzug gegen die kurdische Bevölkerung aufrief. In der so genannten Anfal-Offensive kamen 1988 etwa 180.000 Menschen ums Leben; kurdische Dörfer und Städte wurden mit Giftgas angegriffen. 25 Jahre später findet in einem ehemaligen Gefängnis ein Casting statt. Das Regime ist längst gestürzt, dem Diktator wurde der Prozess gemacht, Kurdistan ist inzwischen eine selbständige Region im Nordirak. Zwei Jugendfreunde, Alan und Hussein, wollen einen Spielfilm über den Genozid des Saddam-Hussein-Regimes gegen die kurdische Bevölkerung im Nordirak drehen und suchen Laienschauspieler, die die Ereignisse miterlebt haben. Fast alle sind mit Begeisterung dabei. Nur die Suche nach einer weiblichen Hauptdarstellerin war bislang erfolglos. Bis die schöne Sinur auftaucht, deren Kindheit im Schatten des Massenmordes stand. Doch im patriarchalisch geprägten Kurdistan kann das eine junge Frau nicht alleine entscheiden. Ihr Cousin Hiwa und sein Vater Hamid müssen ihre Zustimmung geben. Feierlich, fast wie bei einem Heiratsantrag ziehen die Filmemacher zum Haus von Sinurs Familie, um ihre Mitarbeit zu erbitten. Der Onkel lehnt zunächst kategorisch ab. Um die Hauptrolle dennoch spielen zu dürfen, stimmt Sinur der Verlobung mit ihrem ungeliebten Vetter Hiwa zu. Als die Dreharbeiten beginnen, eskalieren jedoch die Probleme; Geld und Zeit verrinnen, der Hauptdarsteller, ein beliebter kurdischer Sänger, besitzt wenig schauspielerisches Talent, und Sinars Familie schießt überdies quer: Hiwa ist eifersüchtig, und sein Vater redet von Verletzung der Familienehre. Alles geht schief. Bei der dramatischen Schlussszene wird Hussein lebensgefährlich angeschossen, die Produktion muss gestoppt werden. „Memories on Stone“ ist ein Film im Film, über die tragikomischen Aspekte des Filmemachens unter schwierigen Bedingungen. Es ist aber auch ein Film über die therapeutische Funktion des Kinos, über nachgestellte Erinnerungen als Therapie, die Bewältigung einer traumatischen Vergangenheit und die kathartische Kraft der Bilder. Gleichzeitig geht es um archaische Gesellschaftsstrukturen und tradierte Rollenbilder. Das kunstfertige Spiel mit den Zeitebenen kontrastiert Regisseur Shawkat Amin Korki mit einer eher direkten, teils dramatischen, teils volkstümlichen Inszenierung einzelner Szenen, wobei ihm eine erstaunliche Gratwanderung zwischen tragischem Ernst und Situationskomik gelingt. Das alles macht „Memories on Stone“ zu einem sehr vielschichtigen Porträt der kurdischen Gesellschaft in einem kurzen Moment des Friedens und der Hoffnung. Eine Hoffnung, die von den aktuellen Entwicklungen allerdings allzu schnell überrollt wurde.
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