Ephraim und das Lamm

Drama | Frankreich/Äthiopien/Deutschland/Norwegen/Katar 2015 | 94 Minuten

Regie: Yared Zeleke

Ein zurückhaltender Junge aus Äthiopien nimmt überall sein Lamm mit hin, auch in die Fremde zu Verwandten, die auf ihn aufpassen, als sein Vater in Addis Abeba Arbeit sucht. Als er das Tier für eine Festlichkeit opfern soll, rebelliert er und reißt aus. In märchenhaften, oft schwelgenden Bildern, in denen Nahaufnahmen von Menschen in farbenprächtigen Gewändern mit Landschaftspanoramen wechseln, zeigt der Debütfilm ein Land im Umbruch. Dabei macht er sich den Blick des Jungen zu eigen, um Bräuche, Strukturen und Schwierigkeiten in Äthiopien zu beschreiben. Ein hoffnungsfrohes, mit leisem Humor inszeniertes Drama, das am Rande auch von Hunger, Politik und der friedlichen Koexistenz der Religionen handelt. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LAMB
Produktionsland
Frankreich/Äthiopien/Deutschland/Norwegen/Katar
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Heimatfilm/Slum Kid Films/Gloria Films/Dublin Films/Film Farms/ZDF/Das kleine Fernsehspiel
Regie
Yared Zeleke
Buch
Yared Zeleke · Géraldine Bajard
Kamera
Josée Deshaies
Musik
Christophe Chassol
Schnitt
Véronique Bruque
Darsteller
Rediat Amare (Ephraim) · Kidist Siyum (Tsion) · Welela Assefa (Emama) · Surafel Teka (Solomon) · Rahel Teshome (Azeb)
Länge
94 Minuten
Kinostart
26.11.2015
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Ein äthiopischer Junge kämpft um sein Lamm

Diskussion
Der verbotene Wald ist grün, unglaublich grün. Übermannshohe Wurzeln, mit Moos bewachsen, ragen verschlungen aus der Erde. Der Junge wirkt verloren im Wurzelwald – und gleichzeitig auch geborgen. Genau diese Rolle eines Märchenwaldes besitzt der verbotene Wald in „Ephraim und das Lamm“; zweimal wird er von Ephraim durchschritten, bis auf die Spitze des höchsten Hügels in der Landschaft, wo der Wind weht und sich das satte Grün bis zum Horizont erstreckt. Und jedes Mal wird der Junge verändert aus dem Wald herauskommen. „Ephraim und das Lamm“ ist das Debüt des äthiopischen Regisseurs Yared Zeleke. Er erzählt eine Coming-of-Age-Geschichte mit Märchenelementen. Sein Blick ist oft ethnographisch, wobei der Film häufig die kindlich-beobachtende Perspektive einnimmt. In der ersten Einstellung ist die Hand des Jungen in einer Großaufnahme zu sehen, mit einem goldenen Armreif um das schmale Handgelenk. Sie greift in das dichte, honigbraune Fell eines Lamms. Der deutsche Titel (im Original heißt der Film schlicht „Lamb“) erinnert an eine Fabel. Der einfache Rahmen, innerhalb dessen der Regisseur das Geschehen entfaltet, entspricht dessen Strukturen. Ephraim lebt mit seinem Vater in einem kleinen Dorf, die Mutter ist gestorben. Woran, wird zunächst lediglich angedeutet. Vater und Sohn verlassen das Dorf im Norden Äthiopiens, die Gegend leidet unter der anhaltenden Dürre. Das Lamm, das zuvor der Mutter gehörte, nimmt Ephraim mit, es läuft ohnehin hinter ihm her, egal, ob er es an dem Seil um dessen Hals hält oder nicht. Der gemeinsame Abschiedsweg durch das Dorf etabliert Ephraims Blick. Er fällt auf die Menschen und die Tiere, die ihm etwas bedeutet haben, sie ziehen in Zeitlupe an ihm vorüber, bleiben in seinem Rücken zurück. Ephraims Vater geht nach Addis Abeba, um Arbeit zu suchen. Seinen Sohn lässt er bei Verwandten im fruchtbareren Hochland zurück. Die Großtante und die Familie des Onkels leben in einer einsamen Hütte auf einem Hügel, Nebelschwaden liegen schwer über Wiesen. Dort, in der grünen Fremde, fühlt sich der zierliche, zurückhaltende Junge nicht wohl. Dann soll auch noch sein Lamm geschlachtet werden, gewissermaßen als Gastgeschenk, zum nahen christlichen Feiertag. Er beschließt, sich heimlich selbst das Geld für ein Busticket zurück in sein Heimatdorf zu verdienen, im nahen Dorf will er auf dem Markt Samosas verkaufen. Denn Kochen, er hat es von seiner Mutter gelernt, ist seine Leidenschaft: Wann immer der Junge vor einer Schüssel über dem offenen Feuer sitzt und Zutaten durch die Hände rieseln lässt, summt oder singt er versonnen vor sich hin. Während die Frauen ihn am Feuer gerne gewähren lassen, sieht das der Onkel (wie zuvor auch schon der Vater) nicht gerne. „Ein Mann gehört nicht ans Feuer.“ Ephraims Onkel hat zwei Töchter, die jüngere ist krank und liegt meist neben der Großtante, die von ihrem Tagesbett aus die Familie lenkt. Die ältere Tochter ist selbstbewusst, sie liest viel, will in der Stadt studieren und sich nicht verheiraten lassen. In ihr und Ephraim spiegelt der Regisseur die tradierten Geschlechterrollen in einer patriarchalen Gesellschaft, vor allem auf dem Land – und wie sie sich dann, vielleicht, doch überwinden lassen. Hoffnungsfroh, mit leisem Humor und in schwelgend großen Landschaftsaufnahmen, schildert Zeleke sein Land in einem vorsichtigen Umbruch. Er zeigt die friedliche Koexistenz der Religionen: Ephraim ist Jude, seine Großtante und ihre Familie sind Christen, er begegnet einer kleinen muslimischen Schafhirtin. Nebenbei, wenngleich deutlich, arbeitet er die Probleme heraus: Hungersnöte, Ernährung und wie die (Welt-)Politik damit umgeht.
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