Dokumentarfilm | Deutschland 2017 | 196 (Festivalfassung 460) Minuten

Regie: Hermann Pölking

Dokumentarfilm über Adolf Hitler, der chronologisch den Lebensstationen des „Führers“ folgt, dabei ausschließlich mit Archiv-Bildmaterial arbeitet und ansonsten auf eine Vielzahl von Äußerungen von Zeitgenossen Hitlers setzt, die ihn von ganz unterschiedlichen Warten aus spiegeln. Dabei ist der Film in der akustischen Untermalung der Bilder und in der Umsetzung der Zitate durch Schauspieler nicht immer überzeugend, liefert im Ganzen aber doch den beachtlichen Versuch, die Person Hitler und ihre Wirkung auf die Zeitgenossen zu porträtieren. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Epoche Media
Regie
Hermann Pölking
Buch
Hermann Pölking
Musik
Julius Holtz
Schnitt
Julio Olmo Poranzke
Länge
196 (Festivalfassung 460) Minuten
Kinostart
16.11.2017
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Ambitionierte Annäherung an Adolf Hitler

Diskussion

Keine Figur der Geschichte haben Zeitgenossen und Historiker so exzessiv analysiert wie Adolf Hitler. In zahllosen Biografien und psychologischen Studien hat man versucht, den Aufstieg vom Einzelgänger zum Volkstribun, vom Massenaufwiegler zum Massenmörder zu erklären. Auch Parodien und Spielfilme haben sich seiner angenommen. Wirklich schlau wird man trotzdem nicht aus ihm, und auch Hermann Pölking dürfte sich auf die mit seinem Dokumentarfilm gestellte Frage „Wer war Hitler?“ keine abschließende Antwort erwarten. Optisch stützt sich Pölking auf historische Zeugnisse: Amateurvideos, Propagandafilme und andere Inszenierungen stehen nebeneinander. Es finden sich aber auch Bilder, die nicht zuzuordnen sind, der sparsam eingesetzte Kommentar gibt darüber keine Auskunft. Kapitelweise, eingeleitet von getragenem Klavierspiel und in chronologischer Reihenfolge, arbeitet sich der Film durch die Landkarte: Braunau, Wien, München, französische Schützengräben, wieder zurück in die bayerische Landeshauptstadt. München war Hitlers Lieblingsstadt. Hier erlebte er als Soldat die kurze Räterepublik, hier begann mit dem Eintritt in die unbedeutende antisemitische DAP (bald in NSDAP umbenannt) sein Aufstieg als Bierhallenhetzer. Wie aus einem Sonderling in kurzer Zeit ein gefeierter „Messias“ werden konnte, kann sich dieser Film ebenso wenig erklären wie alle anderen vor ihm. Derartiges mag man in einem Spielfilm als Heureka-Moment inszenieren können, die dokumentarische Form, und das ist keine Schwäche, lässt Lücken, wo sie hingehören. Mit der „Machtergreifung“ 1933 wird das Terrain weitläufiger. Interessante Fakten wie die mit Verfassungsrecht begründete mangelnde Steuerpflichtigkeit des über „Mein Kampf“ zum Millionär Gewordenen streut Pölking beiläufig ein. Wer mit den biografischen Daten grob vertraut ist, der wird neue Erkenntnisse vor allem durch die ausführlichen Zitate der Zeitgenossen gewinnen: Eine führertreue Dame aus Ostpreußen erzählt im Tagebuch vom Alltagsleben; jüdische Bürger wie Hitlers Nachbar Edgar Feuchtwanger berichten von ersten Repressalien; auch Prominente wie Winston Churchill oder der lange verharmloste Albert Speer kommen zu Wort. Dieses Nebeneinander der Eindrücke wirkt nicht beliebig. Auch bekommt es dem Film gut, dass er sich optisch ganz auf die Bilder von damals stützt. Problematisch ist, dass der Regisseur ihnen nicht allein vertraut: Die überwiegend stummen Aufnahmen wurden nachvertont – mit Soldatengelächter, Wasserrauschen, Geschützfeuer, Straßenlärm. Zudem wird fast jede der zahllosen zitierten Personen von einem eigenen Sprecher verkörpert – ein heilloses akustisches Durcheinander. Wer sich auf die Figur Hitler kapriziert, steht schon lange im Verdacht, den Führerkult über den Tod Hitlers und das Ende des Dritten Reichs hinaus weiter zu betreiben. Die an Leben und Persönlichkeit ausgerichteten Erzählungen (etwa Joachim Fests Biografie aus den 1970er-Jahren) setzten sich immer wieder dem Verdacht aus, über der Faszination für Charisma die Figur Hitlers zu erhöhen, die Rolle der Deutschen als Verführte zu verharmlosen – und die Vernichtung der europäischen Juden zu vernachlässigen. Diesen Vorwurf kann man Pölking nicht machen. Erschreckend und erhellend, von wie vielen Erschießungen durch Einsatzgruppen oder SS es trotz damals strengen Verbots Bewegtbilder gibt. Und auch wenn es albern wirkt, dass jedes Zitat Hitlers vom Schauspieler Jürgen Tarrach im abgehackt nuscheligen Führer-Sound vorgetragen wird: Nicht nur als Materialsammlung beeindruckt dieser Film durchaus.

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