The Meyerowitz Stories (New and Selected)

Familienfilm | USA 2017 | 112 Minuten

Regie: Noah Baumbach

Porträt eines New Yorker Familienclans: Die erwachsenen Kinder aus dem Patchwork-Haushalt eines emeritierten Kunstprofessors und mäßig erfolgreichen Künstlers leiden darunter, vom Vater nicht genug beachtet und anerkannt zu werden. Als der Familienpatriarch, der sich als Künstler unterschätzt fühlt, bei einem Sturz eine Kopfverletzung erleidet, versuchen die drei, mit ihm und miteinander ins Reine zu kommen, wobei es ein Minenfeld an Eifersüchteleien, Enttäuschungen und Verletzungen aufzuarbeiten gilt. Pointierte Tragikomödie, die neben aller Komik um die mit diversen Spleens versehenen Figuren viel Gespür für deren sensible und verletzliche Seiten entwickelt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MEYEROWITZ STORIES (NEW AND SELECTED)
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Gilded Halfwing/IAC Films/Netflix
Regie
Noah Baumbach
Buch
Noah Baumbach
Kamera
Robbie Ryan
Musik
Randy Newman
Schnitt
Jennifer Lame
Darsteller
Dustin Hoffman (Harold) · Adam Sandler (Danny) · Ben Stiller (Matthew) · Grace Van Patten (Eliza) · Elizabeth Marvel (Jean)
Länge
112 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Familienfilm | Tragikomödie
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Aufmerksamkeit – was für ein knappes, kostbares Gut! In einer herrlichen Szene in der neuen Tragikomödie von Noah Baumbach („Frances Ha“,„Gefühlt Mitte zwanzig“, „Mistress America“) choreographiert der Regisseur treffend, wie sehr seine Protagonisten Danny (Adam Sandler) und dessen Vater Harold (Dustin Hoffman) danach gieren, sich das aber natürlich keinesfalls anmerken lassen wollen. Schließlich will man souverän und nicht bedürftig rüberkommen in den hippen Künstler-Kreisen New Yorks.

Diskussion
Aufmerksamkeit – was für ein knappes, kostbares Gut! In einer herrlichen Szene in der neuen Tragikomödie von Noah Baumbach („Frances Ha“,„Gefühlt Mitte zwanzig“, „Mistress America“) choreographiert der Regisseur treffend, wie sehr seine Protagonisten Danny (Adam Sandler) und dessen Vater Harold (Dustin Hoffman) danach gieren, sich das aber natürlich keinesfalls anmerken lassen wollen. Schließlich will man souverän und nicht bedürftig rüberkommen in den hippen Künstler-Kreisen New Yorks. Harold, emeritierter Kunstprofessor und immer noch mäßig erfolgreicher Künstler, hat Danny mitgenommen zur Vernissage eines wesentlich prominenteren Künstler-Freundes im MOMA. Als dieser ihn im Foyer des Museums herzlich begrüßt, ist Harold sichtlich geschmeichelt und lässt prompt seinen Filius stehen, um sich vom Star des Abends den wichtigen Leuten vorstellen zu lassen. U.a. wird ihm Sigourney Weaver die Hand schütteln, wie Harold später nicht müde wird zu betonen. Doch das Interesse der Angesagten an einem allenfalls Insidern noch bekannten Veteranen wie Harold hält sich in Grenzen; sobald sein prominenter Freund von seiner Seite weicht, um andere Gäste zu begrüßen, steht Harold so verloren da wie Danny, der verzweifelt nach alten Bekannten Ausschau hält und versucht, Konversation zu machen. Ausgerechnet, als ihm das endlich mit der Tochter des berühmten Künstlers gelungen ist, hat Harold die Nase voll, ist beleidigt und will gehen. Mit Danny im Schlepptau. Nachdem sich Noah Baumbach in seinen letzten Filmen an jungen bis mittelalten Erwachsenen abarbeitete, die sich an jüngere Figuren anschließen, um selbst bloß nicht zum „Alten Eisen“ zu gehören, geht es in „The Meyerowitz Stories“ ums Verhältnis dreier erwachsener (Halb-)Geschwister zu ihrem alten Familienpatriarchen und um das bei sämtlichen Familienmitgliedern vorherrschende Gefühl, nicht genug beachtet worden zu sein, nicht genug Anerkennung und/oder Liebe erfahren zu haben. Das fängt bei Harold an, der sich in seiner Künstlerlaufbahn um die ihm gebührende Würdigung betrogen fühlt, und prägt seine zwei Söhne Danny und Matthew und auf stille Weise auch deren Schwester Jean, die sich alle aus unterschiedlichen Gründen von ihrem Vater nicht genug geschätzt und wahrgenommen fühlen – sogar Matthew, der von den anderen beneidete und beruflich erfolgreiche Lieblingssohn, hat ein äußerst gespaltenes Verhältnis zum Vater und ist räumlich und emotional in Los Angeles auf Abstand zu dem in New York lebenden Familienanhang gegangen. Baumbach gliedert die Handlung locker in vier Kapitel, die jeweils nach Danny, Matthew, Harold und Jean benannt sind, entfaltet sie aber weitgehend als flüssige Erzählung. Diese bekommt mit einem Unfall Harolds, der nach einem Sturz mit einer Kopfverletzung ins Krankenhaus kommt und eventuell an den Folgen sterben könnte, eine dramatische Wendung, bleibt aber vom Tonfall her nichtsdestotrotz weitgehend komödiantisch, was vor allem der Figurenzeichnung geschuldet ist: Die Meyerowitz-Familienmitglieder entpuppen sich als eine liebenswerte Ansammlung von Spleens und menschlichen Schwächen, die mittels pointierter Dialoge und schräger Situationskomik ein Minenfeld an Eifersüchteleien, verletzter Gefühle und enttäuschter Erwartungen durchqueren müssen, um das drohende Zerfallen ihres Clans abzuwenden und wieder einen Draht zueinander zu entwickeln. Dabei setzt Baumbach auf Schauspieler wie Ben Stiller und Adam Sandler (den man lange nicht mehr so gut gesehen hat), die den Balanceakt hinbekommen, einerseits gepflegt herumzublödeln, trotzdem aber die sensiblen und verletzlichen Seiten ihrer Figuren herauszuarbeiten und das Publikum mit ihnen mitfühlen zu lassen. Insgesamt gelingt so ein sehr warmherziger Film darüber, warum es sich lohnt, über Unterschiede und emotionalen Ballast hinweg um das fragile Konstrukt „Familie“ zu kämpfen. Dass die weibliche Perspektive etwas unterbelichtet bleibt – Jean nimmt im Vergleich zu ihren Brüdern relativ wenig Platz ein, und andere Figuren wie Dannys Tochter (Grace Van Patten), Matthews Mutter (Candice Bergen) und Harolds neue Frau (Emma Thompson) spielen nur Nebenrollen – ist angesichts der durchaus interessant angelegten Charaktere etwas schade, andererseits trägt die weitgehende Fokussierung auf das Trio Harold, Danny und Matthew zur Geschlossenheit des Films bei. Und es heißt im Titel ja auch: „The Meyerowitz Stories (New and Selected)“: eine Auswahl also. Wer weiß, vielleicht lässt Baumbach ja noch weitere Stories aus dem neurotischen Kosmos der Meyerowitz folgen.
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