The Cakemaker

Drama | Israel/Deutschland 2018 | 105 Minuten

Regie: Ofir Raul Graizer

Ein Berliner Konditor reist auf den Spuren seines tödlich verunglückten Liebhabers nach Jerusalem, wo er sich bei dessen Frau in einem koscheren Restaurant verdingt. Mit eindringlichen Bildern lotet der Film die Sehnsucht und den Schmerz der beiden Hinterbliebenen aus, die sich über dem Kreieren von Speisen näherkommen. Im Kneten des Teigs findet das psychologisch genaue Drama eine sinnliche Metapher für das Mit- und Nebeneinander scheinbar konträrer Elemente wie Homo- und Heterosexualität oder religiös-orthodoxem und säkularem Leben. Auf sanfte Weise erzählt der eindringliche Film von der Sehnsucht nach Liebe und der heilenden Kraft lebensspendender Nahrung. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE CAKEMAKER
Produktionsland
Israel/Deutschland
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Laila Films/Film Base Berlin
Regie
Ofir Raul Graizer
Buch
Ofir Raul Graizer
Kamera
Omri Aloni
Musik
Dominique Charpentier
Schnitt
Michal Oppenheim
Darsteller
Tim Kalkhof (Thomas) · Sarah Adler (Anat Nachmias) · Roy Miller (Oren Nachmias) · Zohar Shtrauss (Moti) · Sandra Sadeh (Hanna)
Länge
105 Minuten
Kinostart
01.11.2018
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Missingfilms/Indigo (16:9, 2.35:1, DD2.0 hebrä. & engl./dt.)
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Diskussion

Zwei Menschen trauern um einen Mann, den beide geliebt haben. Das zwischen Berlin und Jerusalem angesiedelte Drama von Ofir Raul Graizer erzählt von einer tragischen Dreiecksbeziehung und findet dabei im Motiv des Backens ein sinnliches Medium für die Gefühlswelten seiner Figuren.

 

Sinnlichkeit und Erotik transportieren sich oft über genussvolles Essen; das Kino kennt viele Szenen zwischen Tisch und Bett, in denen sich Beziehungsdramen wie unerfüllte Sehnsüchte spiegeln; man denke nur an „Bittersüße Schokolade“ von Alfonso Arau. In dem Debütfilm von Ofir Raul Graizer nehmen Kuchen und Gebäck eine ganz besondere Rolle ein: sie werden zum Medium der An- und Abwesenheit der Protagonisten. Der Berliner Konditor Thomas beginnt ein Verhältnis mit einem Gast, der in unregelmäßigen Abständen sein Café und schließlich auch seine Wohnung besucht. Dienstreisen führen den attraktiven Oren aus Jerusalem in die deutsche Hauptstadt, doch nach einem kurzen, intensiven Beisammensein mit Thomas zieht es Oren immer wieder zu Frau und Kind zurück. Eine Situation, die sich erst nach einem Jahr auflöst, als das Unfassbare geschieht: Oren antwortet nicht mehr auf die Anrufe seines Geliebten. Er ist bei einem Unfall ums Leben gekommen. Um das in Erfahrung zu bringen, braucht Thomas mehrere Monate, in denen ihm schmerzhaft bewusst wird, wie viel in ihrer Beziehung unausgesprochen und im Reich der Imagination geblieben ist.

Dieses Drama skizziert Ofir Raul Graizer aber lediglich als Exposition. Die eigentliche Handlung von „The Cakemaker“ setzt erst mit Thomas‘ Entscheidung ein, seiner Sehnsucht nach dem Abwesenden zu folgen und nach Jerusalem zu fahren. Dort begibt er sich auf die Suche nach Orens Witwe Anat und den Spuren seines Lebens. Auch Anat leitet ein Café, doch statt überschwänglicher Süße werden dort gezwungenermaßen koschere Lebensmittel angeboten, da ihr orthodox-konservativer Bruder auf der Einhaltung der Traditionen besteht. Kurzentschlossen geht Thomas ein provokatives Wagnis ein: Er bittet Anat um eine Stelle in ihrer Küche, ohne seine Verbindung zu ihrem verstorbenen Mann preiszugeben.

Eindringliche Bilder für die Sehnsucht und den Schmerz der Figuren

Aus den elliptischen Auslassungen des Filmbeginns werden nach und nach lange und intensive Szenen, in denen Thomas und Anat beim Kreieren von Speisen ihre Trauer verarbeiten und schließlich auch einander nahekommen. Graizer findet dabei immer wieder sehr eindringliche Bilder für die Sehnsucht und den Schmerz der Protagonisten, die ihre Beziehung zu dem Geliebten zu hinterfragen beginnen. Über die persönliche Geschichte der Figuren hinaus gelingt es der Inszenierung, generelle Entzugsmomente menschlicher Beziehungen erfahrbar zu machen: Denn auch wenn sich in der Liebe große Nähe herstellen kann, so bedeutet das nicht, dass man den Anderen restlos kennen würde. Gerade Dreiecksbeziehungen leben davon, dass sie vor etwas schützen und gleichzeitig im Verborgenen etwas ermöglichen, das zu bedrohlich wäre, um es zu leben. Sei es die eigene Unabhängigkeit oder eine gesellschaftlich nicht akzeptierte Form der Sexualität.

Im Falle von Oren spaltet sich dieser innere Widerspruch in zwei Leben auf, die in seiner Welt unvereinbar erscheinen – die Liebe zu Thomas und die Sehnsucht nach Stabilität und Familie. „The Cakemaker“ vermittelt auf vielen Ebenen zwischen dem, was eigentlich nicht zusammenkommen kann: den Kontrasten zwischen religiös-orthodoxem und säkularem Leben, Homo- und Heterosexualität, den unterschiedlichen Erfahrungswelten in den Stadträumen von Berlin und Jerusalem.

Sensibel und Facettenreich

Alle diese Differenzen kommen in den Momenten zusammen, in denen Thomas mit seinen Händen den Teig knetet, wie man einen Körper berührt, mit großer Sinnlichkeit und Zärtlichkeit. In diesem noch formlosen Leib steckt nicht nur die Abwesenheit des geliebten Menschen, sondern auch die Möglichkeit, etwas ganz Neues zu formen, das nicht in die schematischen Erwartungen der Gesellschaft passt.

Dass Ofir Raul Graizer selbst passionierter Küchenmeister und Herausgeber eines Kochbuchs ist, merkt man dem Film mit seinem Wissen um die sinnliche und sinnstiftende Dimension von Nahrung und Kochkunst zu jeder Zeit an. Darüber hinaus gelingt ihm jedoch auch ein auf beeindruckende Weise psychologisch genaues Drama, in dem vor allem Tim Kalkhof als Thomas durch sein sensibles und facettenreiches Spiel tief berührt.

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