Charles Dickens: Der Mann, der Weihnachten erfand

Biopic | Irland/Kanada 2017 | 104 Minuten

Regie: Bharat Nalluri

Biografisches Drama über den englischen Schriftsteller Charles Dickens (1812-1870) und die Umstände, die Anfang der 1840er-Jahre zu seiner berühmten Erzählung „A Christmas Carol“ führten. Der glänzend besetzte Film folgt einer Romanvorlage über das Leben des Romanciers, erweckt dabei aber auch die literarischen Figuren zum Leben und lässt sie mit dem unzufriedenen Autor in einen kreativen Clinch treten. Mit feinen Ideen und großer Schauspielkunst vereint die Inszenierung Fantasy-Elemente und Sozialdrama zu einem beseelten Film über die Entstehung eines legendären Buches. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MAN WHO INVENTED CHRISTMAS
Produktionsland
Irland/Kanada
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Mazur-Kaplan Co./The Mob Film Co./Parallel Films/Rhombus Media
Regie
Bharat Nalluri
Buch
Susan Coyne
Kamera
Ben Smithard
Musik
Mychael Danna
Schnitt
Stephen O'Connell · Jamie Pearson
Darsteller
Dan Stevens (Charles Dickens) · Jonathan Pryce (Mr. John Dickens) · Christopher Plummer (Scrooge) · Simon Callow (John Leech) · Morfydd Clark (Kate Dickens)
Länge
104 Minuten
Kinostart
22.11.2018
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Biopic | Drama | Fantasy
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Diskussion

Biografisches Drama über den englischen Schriftsteller Charles Dickens und die Entstehung seiner Erzählung „A Christmas Carol“. Der glänzend besetzte Film erweckt mit feinen Ideen auch die literarischen Figuren zum Leben und vereint Fantasy-Elemente und Sozialdrama.

Der englische Schriftsteller Charles Dickens wurde 1812 in Landport als eines von acht Kindern geboren. Seine Eltern, die in der unteren Mittelschicht eher über ihre Verhältnisse lebten, zogen 1822 nach London, wo der überschuldete Vater im Gefängnis landete. Charles war gezwungen, in einer Fabrik für Schuhpolitur unter widrigen Umständen zum Unterhalt der Familie beizutragen. Nach kurzer, häufig unterbrochener Schulzeit verdingt sich der fantasiebegabte Junge als Schreiber bei einem Rechtsanwalt, später als Parlamentsstenograf und begann in den 1830er-Jahren eine denkwürdige Karriere als Journalist und Romancier.

Die großartigen Werke, die von dem 1870 verstorbenen Künstler verfasst wurden, lassen wie in so vielen anderen Fällen auch nicht unbedingt auf ein romanwürdiges Leben zurückschließen. Von einem fesselnden Biopic über den Autor ganz zu schweigen. So sehr man sich auf immer neue Adaptionen von „Oliver Twist“, „David Copperfield“ oder „Große Erwartungen“ immer wieder freuen kann, so gelassen könnte man einer Verfilmung über Leben und Sterben ihres Schöpfers begegnen. Zumal es mit „The Invisible Woman“ (2013) einen Film gibt, der neben den Marotten des Schriftstellers auch das Dekor, die Kostüme sowie die Lebensart einer Epoche überzeugend zum Leben erweckt.

Nun aber kommt mit einjähriger Verspätung jener Film ins Kino, der neben all dem noch ein weiteres Detail aus dem Schaffen des Schriftstellers in den Fokus rückt, nämlich die Nähe des Autors zum „Geist der Weihnacht“.

Die Geburt einer berühmten Geschichte

Dickens geht es in den 1830er-Jahren alles andere als gut. Seine Bestseller stehen schon einige Zeit in den Regalen, und seine jüngsten Romane stehen daneben, ohne Bestseller zu sein. Das betrübt nicht nur seine Familie, sondern auch seinen Verleger, der schon lange auf einen neuen Geniestreich hofft. Vielleicht irgendetwas, was zu den grimmigen Wintertagen passt, die wieder vor der Tür stehen. Etwas, das in der Lage ist, die Gemüter zu erwärmen.

Doch die Weihnachtsgeschichte, die dem Schriftsteller aus der Feder fließt, beflügelt weder die, die es vorab zu lesen bekommen, noch den Autor. Seine Frau Kate ist besorgt über die wachsende Ungehaltenheit ihres Gatten und fürchtet um den Zusammenhalt des Hauses. Tara, das irische Dienstmädchen und die gute Seele der Familie, beobachtet besorgt, welche unseligen Wendungen die Figuren im neuen Buch ihres Hausherrn nehmen. Dabei soll die Geschichte doch fesseln und erbauen. So kann man Sympathieträger in einem Buch doch nicht einfach sterben lassen.

Dabei hängt der Segen im Hause Dickens ohnehin schon längst schief. Die Beziehung des Schriftstellers zu seinem Vater ist seit Kindertagen angespannt und droht vollends in die Brüche zu gehen, als Charles zu erkennen meint, dass dieser sich schmarotzerisch an seinem Ruhm bereichert. Selbst sein bester Freund John, der Illustrator seiner Werke, kann den grimmigen Romancier kaum aus der Reserve locken. Immerhin muss das neue Buch binnen sechs Wochen fertig sein, um noch pünktlich zum Weihnachtsfest die Leser zu erreichen.

Die Figuren übernehmen die Bühne

Regisseur Bharat Nalluri folgt dramaturgisch den Pfaden der Romanvorlage von Les Standiford, die sich als historischer Abriss gefällt. Aber wie erweckt man eine solche Geschichte zum Leben? Indem man auf die Realität pfeift! In „Charles Dickens: Der Mann, der Weihnachten erfand“ übernehmen schon bald jene Figuren die Bühne, die der Held der Handlung eigentlich nur zu Papier bringt. Mehr noch: Sie lassen das Heft nicht mehr aus ihren Händen und treiben den Schöpfer im wahrsten Sinne des Wortes vor sich her. Ein Kniff, mit der einer trockenen Chronologie auf die Sprünge geholfen wird. Nicht in Hollywoodmanier, mit glitzerndem Feenstaub, viel Brimborium und Special Effects. Sondern mit kleinen, feinen Ideen und großer Schauspielkunst, den fantasievollen Bildkapriolen des Kameramanns Ben Smithard und der heimelig-hypnotischen Musik des Filmkomponisten Mychael Danna.

In dieser Umgebung fällt es nicht schwer, den Kämpfen zu folgen, die ein Autor mit seinen Figuren auszufechten hat, bis daraus ein literarisches Meisterstück entsteht. Darstellerisch steht der Film nur scheinbar auf drei Beinen. Dan Stevens beweist als Charles Dickens erneut, dass er nach Ausflügen ins Actiongenre immer wieder problemlos in die Welt holzgetäfelter Biedermeierstuben zurückfindet. Christopher Plummer gibt mit seinen fast 89 Jahren den eindrücklichsten Ebenezer Scrooge seit Michael Caine in „Die Muppets-Weihnachtsgeschichte“, und Jonathan Pryce verleiht dem gebrochenen, einst so gestrengen Vater von Dickens eine zutiefst berührende Note, die den eher fantastischen Film nebenbei als Sozialdrama erdet. Essentiell ist indes auch die illustre Riege an Nebendarstellern, die dem Film eher die Anmutung eines leichtfüßigen Ensemble-Stückes als eines hektischen Fantasy-Spektakels gibt.

Kann man Weihnachten erfinden? Vielleicht. Sicher aber kann man das beseelen, was diese Tage im Dezember im westlichen Kulturkreis jedes Jahr zu etwas ganz Besonderes macht. Eine Zeit, die vom Christentum ausgeschmückt und in die säkularisierte Gesellschaft assimiliert wurde. Auch jenseits aller religiösen Bezüge kann man Weihnachten zum Fest der Liebe und Barmherzigkeit machen. Charles Dickens hat dieses Fest mit „A Christmas Carol“ (1843) zweifelsfrei bereichert. Und der Film von Bharat Nalluri trägt ebenfalls sein Scherflein dazu bei.

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