Die Winzlinge - Abenteuer in der Karibik

Abenteuer | Frankreich/China 2018 | 92 Minuten

Regie: Hélène Giraud

Fortsetzung um einen bei Ameisen aufgewachsenen Marienkäfer, der eine Generation später seinem eigenen Nachwuchs in den Bewährungsproben des Lebens zur Seite steht. Bei einer Hilfsaktion gerät ein Nachkomme nämlich in eine Kiste, die in die Karibik verschickt wird, weshalb er und sein Vater Unterstützung für die Rückreise über den Atlantik benötigen. Wie schon der Vorgänger verbindet der Film reale Landschaftsaufnahmen mit der Animation drolliger Insekten und ruft dabei mit viel visuellem Witz und Einfallsreichtum Erinnerungen an kindliche Spielerfahrungen auf. Die vergnüglich mit Größenunterschieden spielende Eltern-Kind-Geschichte handelt vom Abenteuer des Reisens und der Entdeckung einer fremden Welt, findet ihren Fokus aber in der Herausforderung, mit Aufgaben klarzukommen, die man bislang noch nicht bewältigen konnte. - Ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
MINUSCULE - LES MANDIBULES DU BOUT DU MONDE
Produktionsland
Frankreich/China
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Futurikon/Ifilm Ent./France 3 Cinéma
Regie
Hélène Giraud · Thomas Szabo
Buch
Hélène Giraud · Thomas Szabo
Musik
Mathieu Lamboley
Schnitt
Valerie Chappellet · Benjamin Massoubre
Länge
92 Minuten
Kinostart
21.02.2019
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 8.
Genre
Abenteuer | Animation | Familienfilm | Kinderfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Weltkino (16:9, 2.35:1, DD5.1)
Verleih Blu-ray
Weltkino (16:9, 2.35:1, dts-HDMA)
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Fortsetzung um einen bei Ameisen groß gewordenen Marienkäfer, der eine Generation später seinem eigenen Nachwuchs in den Bewährungsproben des Lebens zur Seite steht.

Diskussion

Ob man als Kind mit einer Playmobilfigur gespielt hat oder einer Puppe, einem aus Holz geschnitzten Tier oder einem Radiergummi, dem man ein Gesicht aufmalte und zum Roboter erklärte – egal, was das genaue Objekt war, so hat doch wahrscheinlich fast jeder eine Erinnerung daran, im Spiel die Umgebung aus der Sicht einer solchen kleinen Figur zu betrachten. Ein frisch gemähter Rasen in einem gepflegten Garten wurde für das Miniatur-Ich dann zum reinsten Dschungel als einem Ort, an dem sich die wildesten Abenteuer zutrugen.

Eine Sukkulente im Blumentopf konnte das Ziel einer waghalsigen Expedition sein, eine leere Verpackung verwandelte sich mit etwas Geschick im Handumdrehen in ein Haus oder mit Hilfe einer Schnur in einen Aufzug zwischen zwei Regalböden. Vor dem Hintergrund solche Kindheitserinnerungen entfaltet auch das Kinoabenteuer der „Winzlinge“ eine besondere Magie, da es der Film schafft, genau an diese nostalgische Erinnerung der Erwachsenen anzudocken – oder eben an die noch ganz aktuelle Spielerfahrung von Kindern.

In einer Winternacht

Auch die Rahmengeschichte dieser gekonnten Kombination aus drollig animierten Insekten, realen Landschaftsaufnahmen und nahezu fotorealistischer digitaler Szenografie funktioniert generationenübergreifend. Der kleine Marienkäfer, der in „Die Winzlinge – Operation Zuckerdose“ (2013) seine Familie aus den Augen verloren und sich einer Gruppe schwarzer Ameisen angeschlossen hatte, ist inzwischen erwachsen geworden und hat eine eigene Familie gegründet.

Als er in einer Winternacht den Ameisenfreunden bei einer Auseinandersetzung mit roten Waldameisen zu Hilfe eilt, folgt ihm ein wagemutiger Sprössling ins französische Bergdorf und gerät bei der Rettungsaktion selbst in eine Notlage.

Der Junior fällt ausgerechnet in eine Kiste, die ins französische Übersee-Gebiet „Guadeloupe“ verschickt werden soll. Das Marienkäfer-Elternteil heftet sich an diese Kiste, um den Nachwuchs zu retten, landet so ebenfalls in der Karibik und benachrichtigt von dort aus seinen Ameisenfreund. Zusammen mit einer plüschigen Spinne, die Hayao Miyazakis Rußmännchen verwandt sein könnte und eine Vorliebe für klassische Musik hegt, macht die Ameise sich auf den weiten Weg über den Atlantik, um die Freunde zurück nach Hause zu bringen.

Am Ende einer Reihe kleinerer und größerer Abenteuer erzählt die Eltern-Kind-Geschichte von Hélène Giraud schließlich vom Prozess der Ablösung, des Selbstständigwerdens und davon, wie sich die Rollen umkehren und es irgendwann der Nachwuchs ist, der den Eltern zu Hilfe eilt und sich besser in der (neuen) Welt zurechtfindet.

Der Reiz des „als ob“-Spiels

Problematisch wird diese Projektion menschlicher Beziehungs- und Erzählmuster auf die kleinen Insekten, wenn im Verlauf der Geschichte auch kulturelle Klischees bedient werden. Ein schamanisch wirkendes Heilritual charakterisiert den Marienkäferstamm in Guadeloupe als eine Art „Naturvolk“; als ihr Lebensraum durch Bauarbeiten bedroht wird, ist es ausgerechnet der aus Europa eingeflogene Marienkäfer, der auf die rettende Idee kommt.

Letztlich findet dieser Handlungsstrang aber eine angenehm unaufgeregte Auflösung und tritt hinter der Eltern-Kind-Geschichte, dem Abenteuer des Reisens und der Entdeckung einer fremden Welt sowie der geradezu essenziellen Kindheitserfahrung zurück, die der Film spiegelt: in einer Welt zurechtkommen zu müssen, in der das meiste aus der eigenen Perspektive eigentlich ein bisschen zu groß und zum Teil auch ein bisschen zu gefährlich, aber wunderbar aufregend ist. Und: In einer Welt des „als ob“-Spiels zu leben, in der sich mit etwas Fantasie wunderbare neue Möglichkeiten ergeben, Dinge sich verwandeln, neue Funktionen annehmen oder Eigenschaften entwickeln. So sind die Fühler der kleinen Ameisen in dieser Fantasiewelt nicht nur Sinnesorgane, sondern auch ein Mittel zur Fernkommunikation, mit dem sie Nachrichten per Morsezeichen über gigantische Entfernungen transportieren.

Der Film amüsiert mit seinem visuellen Witz, der aus dem Spiel mit den Größenunterschieden resultiert, aus der Diskrepanz zwischen einer Tierart und ihrer speziesfremden Körpersprache, oder auch vielen filmischen Referenzen, etwa „Peter Pan“, „Oben“ oder „E.T.“, die alle zusammen in einem wunderbaren Bild zitiert werden.

Nach dem Film ist vor dem Spiel

Selbst das Klangarsenal, mit dem die körpersprachliche Kommunikation der Insekten verstärkt und erweitert wird, strotzt vor Witz. Man hätte zu gerne dem Geräuschmacher dabei zugesehen, wie er nach passenden Quietsch-, Tröt-, Knurr- und Trippellauten suchte. Ob er für die Geräusche der Raupen über ein Kunstledersofa rubbelte? Wie hätte man sich selbst als kleines Insekt auf den Weg in die Karibik gemacht? Und was könnte auf der Rückreise noch Abenteuerliches passieren? Nach dem Film ist vor dem Spielen.

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