Komödie | Frankreich 1992 | 81 Minuten

Regie: Rémy Duchemin

Paris 1965: Der Vollwaise Fausto ist fest entschlossen, sein Glück zu machen. Er erobert einen Schneider, seinen Lehrmeister, dann die Frauen des jüdischen Viertels, die Modewelt, die er mit verrückten Kreationen überrascht, und schließlich das Herz einer schönen Mechanikerin. Ein leichtes und heiteres Kinomärchen über die Macht des Träumens und den Glauben an die "beste aller Welten". Ohne großen Hintersinn als Loblied auf die Lebensfreude mit einem großartigen Darsteller-Ensemble inszeniert. (Videotitel: "Der Geschmack der Frauen") - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
FAUSTO
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Lili/BBD/France 2 Cinema/Sofics Investimage 4/Sofinergie 3/Centre National de la Cinématographie/Canal +
Regie
Rémy Duchemin
Buch
Richard Morgiève · Rémy Duchemin
Kamera
Yves Lafaye
Musik
Denis Barbier
Schnitt
Maryline Monthieux
Darsteller
Ken Higelin (Fausto) · Jean Yanne (Mietek) · François Haustesserre (Raymond) · Florence Darel (Tonie) · Maurice Bénichou (Lucien)
Länge
81 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Liebesfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Nachdem seine Eltern bei einem Fahrradunfall ums Leben gekommen sind, landet Fausto in einem finsteren Waisenhaus mit noch finstereren Schicksalsgefährten, die ihm das Leben zur Hölle machen. In den ersten Minuten des Films sieht "Fausto" wie eine düstere Entwicklungsgeschichte aus, ein tristes Leben, bestimmt von einer immer wieder dominierend ins Bild gerückten Erziehungsanstalt. Doch Fausto Barbarico, allein der Name klingt wie ein Bollwerk gegen die Unbill des Lebens, weiß sich zu wehren. Bald bekommt er andere Stubengefährten, und plötzlich sieht das Leben sehr viel rosiger aus; besonders. wenn er die Nächte mit dem rasch gewonnenen Freund Raymond auf dem Dach des Heimes verbringt und die ersten Weisheiten des Lebens kennenlernt: daß Mentholzigaretten eben wie Zigaretten schmecken, nur nach Menthol, und das dem "Geschmack der Frauen" keine Grenzen gesetzt sind.

Mit italienischem Blut und Temperament tritt der 19jährige Fausto 1965 seine Lehre als Schneider im jüdischen Viertel von Paris an, und schon vom ersten Tag an wird klar, daß er nicht nur dieses Viertel, sondern die ganze Welt erobern möchte. Sein Lehrherr Mietek Breslauer führt ihn mit scheinbarer Strenge in die Philosophie und Geheimnisse der Schneiderkunst ein. Fausto, der noch keinen Knopf annähen kann, lernt, daß der Bauch A und 0 dieses Handwerks ist, er macht den Mann und den Anzug aus. Derart fürs Leben und den Beruf präpariert, könnten Fausto und Raymond, der zunächst eine Friseurlehre macht, in aller Ruhe nach ihrem Platz im Leben suchen. Doch Fausto glaubt sich zu Höherem berufen, will ausgerechnet Damenschneider werden und bringt damit den eingefleischten Herrenausstatter Breslauer in Rage. Auch nachdem ihm der Meister wortreich erklärt, daß er in dieser Sparte drei bis vier Bäuche zu verhüllen habe, was unvergleichlich komplizierter sei, gibt Fausto nicht klein bei. Sein Ziel steht fest.

Zunächst überrascht er Breslauer jedoch mit einem Anzug aus Gras und Gänseblümchen. Der bewundert das Handwerk, erklärt den Lehrling ob dieser Kreation allerdings für "meschugge". Diese Meinung ändert sich rasch, als gleich mehrere dieser Anzüge bestellt werden, und Fausto einen Preis verlangt, der seinem jüdischen Lehrmeister die Schamesröte ins Gesicht treibt. Das Geschäft floriert, zumal Fausto in extravaganten Anzügen Reklame läuft. Bald bietet ihm Breslauer die Teilhaberschaft an, und bald ist es der Lehrling, der dem Meister - auf freundliche Art - altkluge Ratschläge erteilt. Doch das Leben besteht nicht nur aus Arbeit, etwas viel Wichtigeres zieht die eigentlichen Fäden: die Liebe. So verbringen Fausto und Raymond jede freie Minute - zunächst sehr zurückhaltend - mit dem Studium der Frauen. Dann gehen sie zum Angriff über, überzeugt, daß keine Frau einem Liebesbrief wiederstehen kann. Die werden gleich serienweise verfaßt. Zumindest für Fausto zahlt sich die Aktion aus; er ist über Nacht der Hahn im Korb, allerdings wächst ihm die Sache über den Kopf. Zum Glück lernt er Tonie kennen, die hübsche Mechaniker-Tochter, die ihr Lächeln genauso geschickt einzusetzen versteht wie den Schneidbrenner. Um Fausto ist es geschehen. Tonie ist die Frau, die er (zunächst) einkleiden wird. Immer neue, immer verrücktere Kreationen entstehen nach den durchaus erotischen Anproben. Die beiden werden ein Paar, und als der "verrückte Italiener" auch noch lernt, daß man Geld essen muß, um immer Geld zu haben, scheint das Glück ausgemachte Sache. Einziger Wermutstropfen: Raymond, der einen Unfall hatte, bleibt ein wenig auf der Strecke. Doch auch dieser Konflikt läßt sich mit Leichtigkeit beheben. Bald macht Breslauer, der Fausto inzwischen als Sohn angenommen hat (eine still-anrührende Szene zwischen den beiden selbstgefälligen Selbstdarstellern), Tonies Vater einen jiddischen Heiratsantrag, in dem das Geld keine untergeordnete Rolle spielt; Faustos Glück scheint perfekt. Raymond sieht die Freundschaft zerbrechen, doch um dieses dicke Bollwerk einzulaufen, braucht man schon den entsprechend dicken Kopf. Und wenn sie nicht gestorben sind...

"Fausto", die erste Regiearbeit von Rémy Duchemin, ist zweifelsohne ein Glücksfall für das Kino. Gewiß, ein (Kino-)Märchen, ohne jeden wirklichen Konflikt, nur hauchdünn mit der Wirklichkeit verknüpft, aber eine Geschichte von solcher Leichtigkeit, daß das Herz übergehen möchte. Die Geschichte eines unverdorbenen jungen Mannes, der die Welt, die in seinen Augen nur gut sein kann, kennenlernen möchte, der an sich, seinen Mut, sein Glück und mehr noch an die alles verzaubernde Kraft der Liebe unbeirrbar glaubt. "Fausto" bringt etwas ins Kino zurück, was selten geworden ist: den Traum, die Kraft der Imagination, einen hoffnungsfrohen Gegenentwurf zur eigentlichen Welt, die allzu oft doch trist und grau ist. Hier ist alles licht und leicht, voller Zärtlichkeit und gegenseitigem Vertrauen. Ein Film aus jener sagenumwobenen Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat - Traumzeit eben.

Doch bei aller sympathischen Naivität ist der Film nicht irgendwo im filmischen Wolkenkuckucksheim angesiedelt, sondern hat durchaus seine kinematografischen Vorbilder und Väter in zwei Cineasten, die ihrerseits für die Leichtigkeit ihrer Inszenierungen standen: François Truffaut und Jacques Demy. Der heranwachsende Antoine Doinel hier endlich einmal im ungetrübten Glück, dem das Schicksal mal keinen Strich durch die Rechnung macht. Ein anderes Motiv aus Truffauts Filmen zieht sich wie ein zweiter roter Faden durch "Fausto", die unverhohle Bewunderung der Frauen und die Liebe zu ihnen. Der Film beobachtet die Frauen, er freut sich ganz unschuldig an ihrer Schönheit. Um Beine, Fesseln wippende Röckchen zur Geltung zu bringen, geht die Kamera in die Hocke, erinnert dann an "Der Mann, der die Frauen liebte" oder "Auf Liebe und Tod". Doch Duchemins Blick ist viel unschuldiger, nicht mit dem Makel des Vielleicht-Voyeurs behaftet, mit dem Charles Denner und Jean-Louis Trintignant in den geannten Filmen (vor-)belastet sind.

An Demy hingegen erinnert nicht nur die Autoreparatur-Werkstatt von Tonies Vater, ein Zitat, das an Demys Kindheit und Jugend in Nantes erinnert, sondern vor allem der spielerische, manchmal unmöglich erscheinende Wechsel zwischen völlig verschiedenen Sujets und Inszenierungsstilen. Dies wird besonders augenfällig, nachdem Fausto zum Mann geworden ist. Der Film wird für einen kurzen Augenblick zur Oper: Krankenschwestern, Pfleger und Fausto schmettern sein Glück in alle Welt hinaus. Dies ist keine reine Zitation, sondern das liebevolle Fortdenken der Arbeit eines bewunderten Kollegen.

Der Film steht und fällt mit seinen hervorragenden Darstellern. Ken Higelin kann Fausto genau die richtige Mischung an Naivität, Wundergläubigkeit, aber auch Schlitzohrigkeit verleihen, die die Rolle benötigt, wobei seine schönen Augen sein Mienenspiel jederzeit effektvoll unterstützen. Florence Darel setzt auf ihre natürliche Ausstrahlung und vermittelt in jeder Einstellung eine unstillbare Neugier auf das - gewiß schöne - Leben, das vor ihr liegt. Der eigentliche Aktivposten des Films ist jedoch Jean Yanne, der als jovialer Mietek Breslauer, der stets jiddisch vor sich hin brabbelt, eine Glanzvorstellung gibt. Es ist der ruhende Pol, Dreh- und Angelpunkt, scheinbar gestrenger Lehrmeister, der jedoch jederzeit bereit ist, Lehre anzunehmen. Immer wenn seinem Schützling etwas gelingt, umspielt ein liebevolles Lächeln seine sonst eher strenge Miene. All dies geschieht mit winzigen Gesten, die die Erfahrung eines langen Schauspielerlebens belegen.

Ein Film, der bewußt auf Schwere und Tiefe verzichtet, aber trotzdem lange nachwirkt, nicht weil er Denk-, sondern Traumanstöße gibt, der zurückversetzt in die Zeit, da man noch an Märchen glaubte, und der Hoffnung macht, daß Märchen heutzutage noch möglich sind. Ein Film für unverwüstliche Romantiker und groß gewordene Kinder.
Kommentar verfassen

Kommentieren