Das Parfum von Yvonne

Liebesfilm | Frankreich 1994 | 89 Minuten

Regie: Patrice Leconte

Während der Sommerfrische in einem französischen Luxushotel umweit der schweizerischen Grenze begegnen sich Ende der 50er Jahre ein verträumter junger Mann, der sich der Einberufung zum Militär entzieht, eine attraktive junge Schauspielerin, die vom Kinoruhm träumt, und ihr väterlicher Begleiter, ein homosexueller, leicht exzentrischer Arzt. Die drei verwickeln sich in einen melancholischen Liebesreigen, der in ambivalenter Offenheit endet. Mehr an Stimmungen als an der Handlung interessiert, schafft der atmosphärisch reizvolle Film mit eigenwilligem Erzählrhythmus ein Flair von eleganter Noblesse mit einem Schuß Morbidität und Erotik; er verliert sich gelegentlich aber in zu viel Pathos und Schönheit. (Auch O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LE PARFUM D'YVONNE
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Lambart/Zoulou/Centre Européen Cinématographique Rhône-Alpes/M 6/ Soficas Cofimage 5/Investimage 4/Sofiarp 4/Canal +/Centre National de la Cinématographique
Regie
Patrice Leconte
Buch
Patrice Leconte
Kamera
Eduardo Serra
Musik
Pascal Estève
Schnitt
Joëlle Hache
Darsteller
Jean-Pierre Marielle (Réne Meinthe) · Hippolyte Girardot (Victor) · Sandra Majani (Yvonne) · Richard Bohringer (Yvonnes Onkel) · Paul Guers (Daniel Hendrickx)
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Liebesfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Frankreich, Ende der 50er Jahre. Ein See unweit der schweizerischen Grenze. Inmitten von mondänen Urlaubern, die in einem Grandhotel ihre Sommerfrische verbringen, treffen drei Menschen aufeinander: Victor, ein verträumter junger Mann, der Paris verlassen hat, um hier einer Einberufung für den Algerienkrieg zu entgehen und die Tage mit Lesen und Spaziergängen zubringt oder auch nur die vorbeiflanierenden Menschen beobachtet, die Schauspielerin Yvonne, die nach ein paar kleinen Rollen vom großen Kinoruhm und Hollywood träumt, und schließlich ihr väterlicher Begleiter, der homosexuelle und leicht exzentrische Arzt Rene Meinthe. Aus Victor und Yvonne wird bald ein Liebespaar, und sie verbringen die Tage gemeinsam, flanieren am Seeufer, schauen anderen Hotelgästen beim Tennis zu oder dinieren in vornehmen Restaurants. Manchmal gesellt sich auch Meinthe zu ihnen, der ebenfalls an Victor Gefallen gefunden zu haben scheint. Doch dann wiederum bleibt der Arzt für Tage verschwunden, oder er behandelt Verwundete, die von Uniformierten heimlich in sein Zimmer gebracht werden. Wer ist dieser Meinthe, der meistens mit einem Fez auf dem Kopf herumläuft und sich mal als Zyniker, mal als Melancholiker mit Hang zum Pathos gibt? Ist der Lebemann in den Algerienkrieg verwickelt? Arbeitet er mit einem Geheimdienst zusammen? Wenn ja, mit welchem, und auf welcher Seite steht er?

Fragen, die der Film zwar aufwirft, aber ebenso wenig beantwortet wie die nach der Identität von Victor und Yvonne. Woher sie kommen, wovon sie leben, was sie (an-)treibt, hält der Film bewußt in einer ambivalenten Offenheit. Yvonne ist ganz Grande Dame und von einer lasziven Sinnlichkeit, dann aber wieder das naive Dummchen, und Victor changiert ständig zwischen schüchternem Jüngling und Schöngeist, dem mehr das Gefühl zu behagen scheint, Deserteur zu sein, als daß er wirklich verfolgt würde. Es bleibt bei Andeutungen, die sowohl den Figuren als auch der Geschichte klare Konturen verweigern. Auch Einschübe, bei denen nicht immer klar wird, ob es sich um Rückblenden oder Projektionen handelt, stiften eher Verwirrung als Klarheit. Aber Patrice Leconte versucht hier auch gar nicht, eine Geschichte zu erzählen, sondern die eigentümliche Atmosphäre der Romanvorlage"Villa triste" des französischen Romanciers Patrick Modiano in adäquate Bilder umzusetzen. So inszeniert er mehr Stimmung als Handlung, schafft durch Dekors und Kostüme ein Flair von eleganter Noblesse mit einem Schuß Morbidität, dekadenter Exzentrik und gepflegtem Ennui bis hin zur Blasiertheit. So wie die flirrende Luft über dem See immer dunstig bleibt, verschwinden die Figuren und das Geschehen des Films (so man es überhaupt so nennen will) in dieser Stimmung wie hinter einer Milchglasscheibe. Manchmal balanciert Leconte dabei auf dem äußerst schmalen Grat zwischen Vagheit und Belanglosigkeit. Was sich in einigen Sequenzen zur stimmigen Atmosphäre (oder auch nur berückender Schönheit) verdichtet, stürzt in anderen in die Lächerlichkeit ab. Wenn sich Yvonne bei einer Dampferfahrt mit Victor ihres Slips entledigt und ihr weißes Chiffon-Kleid anschließend im Fahrtwind flattern läßt, mag das eine ironisch verschärfte Marylin-Monroe-Reminiszenz sein, sieht aber doch eher albern aus. Überhaupt sind die zahlreichen ironischen Einsprengsel - beispielsweise jene zwei Kanarienvögel, die Yvonne und Victor interessiert beim Sex zusehen - zwar vielfach amüsant, wollen aber so gar nicht zur aufwendig inszenierten Grundstimmung des Geheimnisvollen passen - gerade so, als habe Leconte ursprünglich einen Film à la Luchino Visconti vor Augen gehabt, aber zwischendurch "kalte Füße" vor allzu viel Pathos und Schönheit bekommen. So wird aus dem Parfüm am Ende doch nur ein schwaches Eau de toilette, bei dem allenfalls Liebhaber betont "geschmackvoller" Erotik voll auf ihre Kosten kommen.
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