Our Lady of the Nile

Drama | Frankreich/Belgien/Ruanda 2019 | 93 Minuten

Regie: Atiq Rahimi

Ruanda 1973. In einem katholischen Mädcheninternat werden junge Frauen von belgischen Nonnen streng erzogen, genießen aber trotzdem das Leben und träumen von den Jungs und der Liebe. Dabei kristallisiert sich besonders die Freundschaft von drei Mädchen heraus, die allerdings den unterschiedlichen Stämmen der Hutu und Tutsi angehören. Mit einem Mal nehmen die Spannungen zu, bis zum offenen Ausbruch der Gewalt. Gestützt auf einen autobiographischen Roman, zeichnet der Film zunächst eine Idylle mit schöner Natur und naiv-unschuldigen Mädchen, bis das blutige Ende nicht mehr aufzuhalten ist. Dabei thematisiert der Film auch die Folgen der belgischen Kolonialherrschaft mit Rassismus und Arroganz. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
NOTRE-DAME DU NIL
Produktionsland
Frankreich/Belgien/Ruanda
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Chapter 2/Les Films du Tambour
Regie
Atiq Rahimi
Buch
Atiq Rahimi · Ramata Toulaye-Sy
Kamera
Thierry Arbogast
Schnitt
Hervé de Luze · Jacqueline Mariani
Darsteller
Santa Amanda Mugabekazi (Virginia) · Albina Sydney Kirenga (Gloriosa) · Clariella Bizimana (Veronica) · Angel Uwamahoro (Immaculée) · Pascal Greggory (Fontenaille)
Länge
93 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
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IMDb | TMDB

Drama um die Schülerinnen eines elitären katholischen Mädcheninternats in Ruanda im Jahr 1973, die selbst im geschützten Raum der Schule von den Auswirkungen der hochkochenden Auseinandersetzungen zwischen Hutu und Tutsi eingeholt werden, die 1994 in einen brutalen Genozid münden.

Diskussion

Notre-Dame du Nil heißt das katholische Mädcheninternat in den Bergen Ruandas, beschützt wird es von einer schwarzen Marienfigur, die dem Film seinen Namen gibt. Mehrmals sieht der Zuschauer, wie die Mädchen, zumeist Töchter des gehobenen Mittelstandes, unter der strengen Aufsicht von belgischen Nonnen die Figur putzen. Dabei reden dürfen sie nicht. Der Alltag im Internat ist penibel geregelt: Schulunterricht, Gottesdienst, praktische Arbeit, für die die Mädchen namentlich aufgerufen werden. Aus ihnen soll einmal etwas werden, sie sollen zur Elite des Landes gehören. Doch im Moment träumen sie noch von etwas anderem, von den Jungs und der Liebe.

Mädchenfreundschaft im Sog ethnischer Spannungen

Mehrere Charaktere kristallisieren sich im Laufe der Erzählung heraus. Da sind zum Beispiel die Freundinnen Veronica und Virginia, die das Interesse des eigentümlichen, aufdringlichen Hobbymalers Fontenaille, dargestellt von Pascal Greggory, erregen. So ganz ist nicht klar, was er im Schilde führt. Will er sie, ihrer außergewöhnlichen Schönheit wegen, nur malen? Oder hat er ganz andere Absichten? Dritte im Bunde ist Gloriosa, strebsame Tochter eines Ministers. Hatte sich der Film lange auf die Ausgelassenheit der Mädchen, auf ihre Streiche und Abenteuer konzentriert, schleichen sich allmählich kleine Irritationen ein. Die einheitliche Schuluniform hatte bislang verschleiert, dass Veronica und Virginia der Minderheit der Tutsi angehören, Gloriosa den Hutu. Im Ruanda des Jahres 1973 spielt das eine große Rolle, die Spannungen nehmen zu, dann Verdächtigungen, Denunzierungen und Gewalt.

Mit einem Mal ist der Zuschauer mittendrin in einem Konflikt, der 21 Jahre später seinen grausigen Höhepunkt erreichen wird. Der Völkermord in Ruanda kostete zwischen April und Juli 1994 etwa eine Million Menschen das Leben, fast drei Viertel der Tutsi wurden ermordet. Eine Katastrophe, deren Ursache weit in die Kolonialzeit zurückreicht und sich in diesem Film bereits mit all ihren Fronten andeutet. Das blutige Ende von „Our Lady of the Nile“ ist darum auch nur schwer erträglich.

Die Schule als Mikrokosmos der Gesellschaft

Zuvor hatte Regisseur Atiq Rahimi, gestützt auf den autobiographischen Roman von Scholastique Mukasonga, fast so etwas wie eine Idylle gezeichnet. Die Schönheit der Natur mit all den grünen Pflanzen und der lebendigen Tierwelt strahlt etwas Märchenhaftes aus, fast so, als wolle sie die grausame Realität aussperren. Das korrespondiert mit der naiven Unschuld der Mädchen, die alles anzunehmen scheinen und Gefahren nicht erkennen. Bestes Beispiel dafür ist der aufdringliche Maler, der eine der Freundinnen sogar betäubt. Was während der Bewusstlosigkeit mit ihr geschieht, zeigt und klärt der Film nicht, und das macht diesen Moment umso irritierender und erschreckender.

Nebenbei, in Andeutungen, thematisiert „Our Lady of the Nile“ auch die Nachwirkungen der belgischen Kolonialherrschaft, festgemacht an der unbarmherzigen Oberin, die die Mädchen nur mit Befehlen und Verboten traktiert. Nicht einmal ihre eigene Sprache dürfen die Teenager sprechen, sondern nur französisch – die einheimische Kultur wird unterdrückt, Respekt und Liebe machen Rassismus und Arroganz Platz. Der Film spielt fast ausschließlich im Internat, nur Ausflüge in die unmittelbare Umgebung erlauben kleine Fluchten. Die Schule erscheint somit als Mikrokosmos, in der die Konflikte der Gesellschaft trotz der Isoliertheit zwar verspätet, aber mit Wucht eintreffen. Was jetzt passiert, lässt sich nicht mehr verhindern, und das verleiht „Our Lady of the Nile“ etwas ungemein Trauriges.

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