Drama | Deutschland 2019 | 87 Minuten

Regie: Dirk Kummer

Ein afrobrasilianischer Kampfkunstlehrer in Berlin gibt seine Arbeit auf und findet als dunkelhäutiger Migrant ohne Ausbildung zunächst keinen neuen Job. In seiner Not schließt er sich einem Afrokubaner und einem Afroberliner an, die nachts denkmalgeschützte Toilettenhäuschen säubern, versucht die vermeintliche Erniedrigung aber vor seiner Familie zu verheimlichen. Amüsante und unverkrampfte Komödie über die Identitätssuche von Menschen mit dunkler Hautfarbe in Deutschland. Scheinbar mühelos verbindet der Film lockere Momente und existenzielle Krisen und zeigt das Dasein zwischen sprachlicher und kultureller Integriertheit und Alltagsrassismus authentisch und klischeefrei. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Kineo Filmprod./Cinemanegro Filmprod./BR/arte
Regie
Dirk Kummer
Buch
Stefanie Kremser
Kamera
Falko Lachmund
Musik
Johannes Repka
Schnitt
Simon Quack
Darsteller
Tyron Ricketts (Ezequiel) · Komi Mizrajim Togbonou (Reynaldo) · Nyamandi Adrian (Jason) · Dalila Abdallah (Marta) · Pablo Grant (Stevie)
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Komödie | Literaturverfilmung
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Eine originelle Komödie über drei Deutsche mit dunkler Hautfarbe, die nachts denkmalgeschützte Toilettenhäuschen reinigen, und ihre Identitätssuche zwischen Identifikation und Ausgrenzung.

Diskussion

Es gibt eine schöne Szene in diesem Film. Da sitzen drei schwarze Männer bildfüllend nebeneinander im Lastwagen und lernen sich kennen: „Angola?“ – „Nein, Brasilien!“ Der Fragende selbst kommt aus Kuba, ist aber in der DDR aufgewachsen. Der Jüngste im Bunde sagt selbstbewusst, dass er aus Kreuzberg stamme. Später im Film wird er zugeben, dass seine Mutter „Bio-Deutsche“ sei und sein Vater aus Ghana komme. Alle drei sind Deutsche. Doppelte Staatsbürgerschaft? „Nö. Wozu?“ Und mit einem Mal ist der Zuschauer mittendrin in einem Film über schwarze Lebenswelten in Deutschland, über Rassismus und Vorurteile, über Vielfalt und Ausgrenzung, über Herkunft und Deutschsein, aber auch über ganz normale Probleme des Alltags mit Ehezwist, Jobsuche und Kindererziehung. Drehbuchautorin Stefanie Kremser und Regisseur Dirk Kummer rücken dabei konsequent People of Color in den Mittelpunkt ihrer Erzählung, Weiße spielen hier nur eine Nebenrolle, und das ist so, in dieser Konsequenz, ein Novum im deutschen Fernsehen.

Die Zeit ist reif

Doch die Zeit ist längst reif. Nach „Black Lives Matter“ in Amerika und der Diskussion um „Racial Profiling“ in Deutschland erschien kürzlich das Buch „Mist, die versteht mich ja: Aus dem Leben einer Schwarzen Deutschen“, in der die Schulamtsdirektorin Florence Brokowski-Shekete ihre Alltagserfahrungen in einer weißen Gesellschaft beschreibt. Der Grat zwischen Anerkennung und Alltagsrassismus, zwischen Integration und Identitätsfindung ist für Schwarze in Deutschland immer noch schmal. Doch Änderung zum Besseren ist, Stefanie Kremser zufolge, in Sicht.

Kremser erzählt die Geschichte von Ezequiel (Tyron Ricketts), der plötzlich in eine Lebenskrise gerät. Bis vor kurzem war er in Berlin noch ein angesehener Lehrer des brasilianischen Kampfsports Capoeira. Doch als der Sohn des Chefs neuer Leiter der Schule wird, schmeißt er frustriert alles hin. Er bewirbt sich auf eine Stellenanzeige, in der ein „Fahrer für Denkmalschutz“ gesucht wird. Ein schönes Missverständnis, denn als Ezequiel seinen neuen kubanisch-stämmigen Chef Reynaldo (Komi Mizrajim Togbonou) und dessen jungen Kollegen Jason (Nyamandi Adrian) durch die Berliner Nacht kutschiert, machen sie vor jenen achteckigen, historischen und darum denkmalgeschützten Pissoirs halt, die „vielleicht schon Bismarck oder David Bowie benutzt haben“. Ezequiel ist Kloputzer geworden – ein Job, der deutlich unter seiner Würde ist. Seiner Frau Marta (Dalila Abdallah) – sie arbeitet als Nachtschwester in einem Krankenhaus – sagt er darum nichts, seinem Sohn Stevie (Pablo Grant) erst recht nicht. Zu allem Überfluss eröffnet ihm Stevie auch noch, dass er nicht mehr studieren, sondern Friseur werden will.

Eine Komödie über ernste Probleme

Die Probleme mögen ernst sein, doch „Herren“ ist auch eine Komödie. Wenn jemand Ezequiel auf einer Parkbank einen Euro in den leeren Kaffeebecher wirft, weil er für einen Bettler gehalten wird, oder ihn eine Kundin im Obstladen mit der Bedienung verwechselt, ist das ebenso erschreckend wie – in der anschließenden Auflösung – urkomisch. Andere Begebenheiten zeugen aber auch davon, wie selbstverständlich Migranten zu Deutschland gehören. „Guten Tag, Frau Schmidt“, ruft Ezequiel in einem beiläufigen Running Gag einer Nachbarin mit asiatisch-stämmigem Hintergrund mehrmals zu. Ein anderes Mal ordnen die drei Kollegen in einer Arbeitspause die Menschen ein, die vorübergehen. „Grufties. Hipster. Eine normale deutsche Oma. Meine Oma sieht auch so aus.“ Vielleicht ist das der schönste Satz des Films, weil er die Gemeinsamkeit zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Deutschland herausstellt.

Zur Vielschichtigkeit der Figuren zählt, dass sie ihre eigenen Vorurteile und Ressentiments pflegen. So beschimpft Ezequiel die Friseure als „Clowns“ und „Schwuchteln“. Ein Männlichkeitsbild, das er dringend überprüfen muss: „Was macht einen Mann aus?“ Doch auch hierfür findet der Film eine schöne Lösung. „Herren“ profitiert von den zahlreichen originellen Typen, die Berlin bevölkern: die patente Ex-Kollegin in einer Pförtnerloge, der Nachbar, der auch in der Hygienebranche arbeitet, die südosteuropäischen Müllmänner, die so wunderbar schwäbeln.

Integration inklusive Schrebergarten

Und dann ist dies auch ein Film über Berlin bei Nacht: Brandenburger Tor, Siegessäule, Kreuzberg mit besagtem Friseurladen, in dem sich die schwarze Community zu einer Feier trifft. Nicht zu vergessen der Schrebergarten, dieses Urbild deutscher Rückzugs-Idylle, in den Reynaldo einen schwarzen Gartenzwerg aufgestellt hat. Der Gartenzwerg als Symbol für gelungene Integration – mit eigener Note.

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