The Bee Gees: How Can You Mend a Broken Heart

Dokumentarfilm | USA 2020 | 111 Minuten

Regie: Frank Marshall

Geschickt montiertes Porträt eines der berühmtesten Pop-Trios. Von 1958 bis in die 1990er-Jahre schrieben die Australier Barry, Robin und Maurice Gibb als „Bee Gees“ Musikgeschichte. Selbst interne Zwistigkeiten konnten dem virtuosen Harmoniegesang der drei Brüder nichts anhaben. Bemerkenswert nahbar und mit spannendem Archivmaterial wird das Verhältnis der Brüder untereinander beleuchtet, die sich als erfolgreichste „Chamäleons der Musikgeschichte“ behaupteten. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE BEE GEES: HOW CAN YOU MEND A BROKEN HEART
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Diamond Docs/PolyGram Records/The Kennedy/Marshall Company/White Horse Pic.
Regie
Frank Marshall
Kamera
Ariel Grandoli
Schnitt
Derek Boonstra · Robert A. Martinez
Länge
111 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm | Musikfilm
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Dokumentarisches Porträt des aus drei Brüdern bestehenden Musiker-Trios, das unter anderem mit „Stayin‘ Alive“ (Disco-)Geschichte schrieb.

Diskussion

Zu den treibenden Beats von „Stayin' Alive“ geht es zu einem der größten Auftritte der "Bee Gees" nach Oakland, California, im Juli 1979; so wird das körnige Archivmaterial zu Filmbeginn verortet. Der Soundtrack zum Kinofilm Saturday Night Fever liegt ein Jahr zurück. Jetzt stehen die drei „Brothers Gibb“, kurz die „Bee Gees", nebeneinander auf einer verdunkelten Bühne und performen im Spotlight „How Can You Mend a Broken Heart“. Ein Hauch aus dem Mund von Barry Gibb, die weibliche Fangemeinde kreischt auf, und die Stimme geht ins Falsett, das die Bee Gees so berühmt machte. Am Ende des Songs erlöschen die Scheinwerfer über Robin und Maurice. Barry bleibt allein im Lichtkegel zurück, umtost vom Applaus der über 10.000 Fans, die das Oakland Coliseum damals umfasste.

Besser kann man die Problemfelder, zu denen das Doku-Porträt von Frank Marshall vorstößt, nicht abstecken. „Das sind meine Erinnerungen“, stellt der mittlerweile 74-jährige Barry gleich im Anschluss klar. „Alles ist eine Sache der Wahrnehmung.“ Die Erinnerungen von Robin (1949-2012) und Maurice (1949-2003) wären bestimmt andere gewesen. Nur sind diese Erinnerungen ebenso verloschen wie die Scheinwerfer: Von den Gibbs-Brüdern ist letztlich nur Barry übriggeblieben. Maurice verstarb an den Komplikationen einer Operation. Robin verlor 2012 den langen Kampf gegen eine Krebserkrankung. Da waren die Streitigkeiten um die Führung der Band längst ad acta gelegt.

Die „Chamäleons der Popgeschichte“

Tragisch früh wurde das Band der Brüder zerrissen, deren seit frühester Kindheit eingeübter Harmoniegesang seinesgleichen suchte. Der Weg der von ehrgeizigen Auftritten begleiteten Kinderband führte von der britischen Isle of Man nach Australien und über den Erfolg als Teenie-Stars bis hin zu einer Reihe von Popsongs, die sich so anhörten wie die frühen Werke der Beatles. Auf Streicher-Balladen wie „Massachusetts“ und einem kreativen Zerwürfnis mit Trennung folgte die mit R'n'B-Elementen und dem berühmten Falsett-Gesang aufgepeppte Disco-Episode. Songs wie „Jive Talkin'“ und „You should be dancing“ feierten weltweit Erfolg – ebenso wie der aus dem (Trompeten-)Ärmel geschüttelte Soundtrack zu "Saturday Night Fever", der die Bee Gees in den Zenit ihres Erfolgs katapultierte.

Frank Marshall zeichnet mit überbordend viel (auch privatem) Archivmaterial und zahlreichen Interviews von Wegbegleitern und aktuellen Popstars nach, wie sich die Bee Gees zu „Chamäleons der Popgeschichte“ mit unvergleichlichen Songschreiber-Qualitäten mauserten. Über 1000 Songs und 20 Nummer-1-Hits waren das Ergebnis einer Reise durch die Welt des Musikbusiness, wobei der wohl bekannteste Song auch ihre hervorstechendste Eigenschaft betitelt: In „Stayin`Alive“ verarbeiteten die Bee Gees ihre Eindrücke eines gefährlichen, von Ungleichheit geprägten Lebens in New York.

Survival-Story aus dem Musikgeschäft

Welche Fallstricke sich vor allem in einer aus Familienmitgliedern bestehenden Pop-Band ergeben können, schildern wiederum Musiker wie Noel Gallagher (von der Band Oasis) oder Nick Jonas (Jonas Brothers). Das „Über-Wasser-Halten“ war auch angesichts der euphorischen Welle wichtig, die die Bee Gees mitriss, sich aber irgendwann auch in einen Rückstrom verwandelte, gegen den sich kaum mehr anschwimmen ließ.

Interessanterweise hat Frank Marshall neben einer erfolgreichen Karriere als Produzent selbst fast ausschließlich bei Survival-Filmen Regie geführt. So verfilmte er den Kannibalismus einer über den Anden abgestürzten Rugby-Mannschaft in „Überleben!“. Der Kampf Mensch gegen Spinne bestimmte „Arachnophobia“, der von Mensch gegen Gorilla „Congo“ und der von Hund gegen Eis „Antarctica“.

In der Musikdoku "The Bee Gees: How Can You Mend a Broken Heart" heißt der große Gegner jetzt „Disco sucks!“. Zum Zeitpunkt der Entstehung der aggressiven, vom Radio-DJ Steve Dahn aufgepeitschten Anti-Disco-Bewegung war „Disco“ allerdings schon einer peinigenden Kommerzialisierung zum Opfer gefallen. Inwieweit die Bee Gees an dieser Popularisierung mitgewirkt hatten, thematisiert Marshalls hagiografisch geratener Film nicht.

Den zweifelhaften „Höhepunkt“ fand die "Hate"-Kampagne in der „Disco Demolition Night“, in der die mitgebrachten Disco-Schallplatten der Zuschauer eines Baseballspiels in die Luft gesprengt werden sollten – am 12. Juli 1979, also einen Tag nach dem legendären Oakland-Auftritt der Bee Gees. Eine klar „rassistische und homophobe“ Zerstörungsorgie, gleichsam eine „Bücherverbrennung“ sei das gewesen, wie ein Zeitzeuge berichtet, der unter den mitgebrachten Platten hauptsächlich die von afroamerikanischen Interpreten ausmachte. Betroffen waren aber auch die weißen, privilegierten Vertreter; kaum ein Radiosender wollte die „Disco-Band“ der Bee Gees daraufhin noch spielen. Also begannen sie die Hits anderer Künstler zu schreiben.

Marshall skizziert auch die Karriere des wesentlich jüngeren Bruders Andy Gibb mit. Nicht berücksichtigt wird allerdings die Existenz der Schwester Lesley Gibb, die einer Musikerkarriere entsagte, aber Anfang der 1970er-Jahre ein paar Mal als Robin-Ersatz mit Barry und Maurice auftrat.

Ein männlicher Blick auf eine Männerszene

Auch wenn die Ehefrauen de Musiker als Unterstützerinnen zu Wort kommen und die Mutter als verbindende Kraft beschrieben wird, dominiert in der Doku ein sehr männlicher Blick auf eine von Männern geprägte Musikszene, unabhängig davon, wie hoch die Falsettstimmen auch waren.

In den 1980er-Jahren schrieben die Bee Gees Welthits für Barbra Streisand, Diana Ross, Dolly Parton oder Céline Dion, mit denen die Brüder im Jahr 1997 noch gemeinsam „Immortality“ sangen. Die Geschlechter am Mikrofon hatten sich geändert, nicht aber das Geschlecht bezüglich Songwriting und Produktion.

Nicht nur Erinnerungen können subjektiv sein. Auch die Auswahl, wer sie erzählen darf, ist ein Akt höchster Subjektivität, selbst wenn Lesley Gibb, Mutter von sieben Kindern, Zeit ihres Lebens das Rampenlicht scheute. Von den Gibb-Geschwistern bleiben nur sie Barry zurück, der immer noch im Spotlight steht, etwa beim Glastonbury-Festival, wo er 2017 noch für zehntausende jubelnder Menschen „Stayin' Alive“ performte – zum Ende des Lebens und des Films als alleiniger Frontmann: „Life goin' nowhere, somebody help me, yeah. I'm stayin' alive.“ Filme wie dieser, die ihre porträtierten Stars so nahbar machen, könnten dabei helfen.

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