Drama | USA 2019 | 116 Minuten

Regie: Darius Marder

Drama um einen Punk-Metal-Schlagzeuger mit Drogen-Vergangenheit, der während einer Reihe von Gigs einen zeitweiligen Hörverlust erleidet und danach vom Arzt die Diagnose bekommt, dass er sein Gehör auf lange Sicht ganz verlieren wird. Hadernd mit der Aussicht, wie dies sein Leben und seine Musiker-Karriere verändern wird, lässt er sich von Freunden in einer Einrichtung für Gehörlose unterbringen, wo er die Gelegenheit hat, seine Zukunftsperspektiven neu zu justieren. Der Film tritt zwar in der zweiten Hälfte dramaturhisch etwas auf der Stelle, findet in einem ausgefeilten Sounddesign indes eine überaus suggestive Sprache für das psychische Erleben der Hauptfigur und beeindruckt durch seinen ungeschönt-ehrlichen Umgang mit dem Thema Behinderung. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SOUND OF METAL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Caviar
Regie
Darius Marder
Buch
Darius Marder · Derek Cianfrance · Abraham Marder
Kamera
Daniël Bouquet
Musik
Nicolas Becker · Abraham Marder
Schnitt
Mikkel E.G. Nielsen
Darsteller
Riz Ahmed (Ruben) · Olivia Cooke (Lou) · Paul Raci (Joe) · Lauren Ridloff (Diane) · Chris Perfetti (Harlan)
Länge
116 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Musikfilm
Externe Links
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Ein Drama mit packendem Sounddesign um einen Punk-Metal-Schlagzeuger, der mit der Aussicht klarkommen muss, sein Gehör zu verlieren.

Diskussion

Plötzliche, ungewollte Stille. Es ist ein wenig wie ein Sprung in einen riesigen Trog aus Watte. Man verliert Orientierung und Halt. Alles, was eben noch real und greifbar war, rückt unvermittelt in weite, weiche Ferne. Das Hirn wehrt sich dagegen, dass alles, was gerade noch klar und deutlich klang, in immer dumpfere Ferne rückt. Kann das sein? Übelkeit, Panik, Atemnot überfällt einen. Wenn das Gehör von jetzt auf gleich verschwindet, betrifft das nicht nur ein Sinnesorgan: Der ganze Körper gerät in einen Alarmzustand und das Hirn will es nicht wahrhaben. Nur wenige Prozent Schall bleiben Ruben (Riz Ahmed) noch, doch sie klingen fremd: Pfeifen, Dröhnen – nichts was sich dekodieren ließe.

Als Schlagzeuger gab er seiner Freundin Lou bislang den Rhythmus vor. In einem Meer von Lärm war sein Schlagzeug der akustische Leuchtturm, der dem Heavy-Metal-Sound von Lous Stimme die Richtung gab. Doch der permanente Lärm ist jetzt noch permanenterem Nichtlärm gewichen. Wenn das nicht Wahnsinn ist, was dann? Ist die Stille jetzt das Ende? Das Ende seiner Beziehung zu einer Frau, mit der er im gemeinsamen Tourbus von Gig zu Gig, von Erfüllung zu Erfüllung fuhr? Das Ende seiner Karriere, seines Berufs, seiner Lebenseinstellung? Die Antwort müsste lauten: Ja! Doch in „Sound of Metal“ ist nichts eindeutig.

Was bleibt, ist die Tonspur

Darius Marder macht es seinem Publikum nicht einfach. Der Sound des Verklingens gerät in „Sound of Metal“ zunächst zu einer höchst physischen Erfahrung. Der Lärm in Rubens Alltag wandelt sich nur allmählich in Stille. Und die Hörperspektive ändert sich quälend langsam. Zunächst bleibt die Tonspur im Kopf von Ruben. Wir hören, was er hört. Diese übermächtige Erfahrung macht den Betrachtenden erst einmal unempfänglich für das Profane der Handlung. Bleiben Ruben und Lou zusammen? Was passiert mit Ruben und Lous Karriere? Wie geht die Geschichte weiter? Kann es ein Happy End geben? All das rückt in den Hintergrund. Was bleibt, ist die Tonspur, die ganz andere Fragen aufwirft: Gewährt uns der Sounddesigner eine Atempause? Wann hören wir wieder normal? Selten hat man in einem Film so genau hingehört wie in „Sound of Metal“.

Doch der Regisseur hat schon bald ein Einsehen. Und mit dem Perspektivenwechsel auf der Tonspur wandelt sich auch der Fokus, weg vom Akustischen hin zum Visuellen. Da wir nun wissen, wie es in Ruben klingt, können wir genauer verstehen, was seine Blicke bedeuten. Vielfältige, meisterlich lancierte Blicke von Hauptdarsteller Riz Ahmed. Die Mimik Rubens gibt den Zuschauern zu verstehen, was seine Umwelt nur schwerlich nachvollziehen kann. Selten war man mit einem Protagonisten enger verbunden als in „Sound of Metal“.

Ein Ex-Musiker in der Welt der Gehörlosen

Lou geht schließlich, wenn auch nicht für immer. Während für sie die Karriere irgendwie weitergeht, endet Ruben im Heim. Zumindest kommt ihm diese „Kommune“ so vor. Mitten im Nirgendwo. Abgeschnitten von Internet und Telefon. Wenn man hier in die Welt der Gehörlosen aufgenommen werden will, dann reicht der Verlust des Hörens nicht. Der Herbergsvater Joe ist taub, raubeinig, direkt und zu keinen Kompromissen bereit. Seine „Insassen“ haben allesamt nicht nur ein Hörproblem. Er selbst war ein Alkoholiker, bevor er begonnen hat, Leidensgenossen aus ihrer Misere zu helfen.

Ruben ist hier zunächst isoliert, zurückgelassen von seinen alten Freunden. Er bekommt nichts geschenkt. Das Drehbuch gesteht ihm keinen Kumpel zu, mit dem er allzu schnell die Gebärdensprache lernt, der ihm hilft, zum beliebten Zentrum der Gemeinschaft zu werden. Regisseur und Autor Marder erzählt nicht eine dieser Wohlfühlgeschichten, in denen ein Behinderter das Beste aus der Sache macht. Ruben wird kein Musiklehrer für Taube werden oder eine großartige Karriere als gehörloser Schlagzeuger starten; zumindest nicht, solange der Film Rubens Werdegang begleitet. Vielmehr wird Ruben fatale Entscheidungen treffen, die sein Gehör und seine Zukunft betreffen.

Rückschläge und Glücksmomemte

„Sound of Metal“ ist eine Geschichte voller Rückschläge, in der allenfalls kleine Details für Glücksmomente sorgen. Doch die dann umso mehr. So zum Beispiel, wenn Ruben in eine Klasse für Gebärdensprache kommt, die sämtlich aus Kindern besteht: Plötzlich blüht der Griesgram auf, und das auf wunderbar unprätentiöse Weise.

„Sound of Metal“ ist kein Film, der den Zuschauer herunterziehen will. Er ist nur bedingungslos ehrlich, indem er eine (menschliche) Tragödie nicht schönredet. Und so begleiten wir Ruben auf eine Reise in völlige Ungewissheit. Wir erleben, wie er um Vergangenes trauert, das Damals wieder herstellen will und dabei doch nur scheitern kann. Aber das Leben geht weiter. Aufgeben ist keine Option. Selten hat man einen Film gesehen, der mehr Mut macht.

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