Drama | China 2022 | 134 Minuten

Regie: Li Ruijun

In der nordwestchinesischen Provinz wird ein älterer Bauer aus pragmatischen Überlegungen mit einer von Missbrauch gezeichneten Frau verheiratet. Während sich das unter ärmsten Bedingungen lebende Paar langsam annähert, wird ihre Zweisamkeit durch ausbeuterische Arbeitsbedingungen und die Modernisierung der Gegend gestört. Stilles Drama über zwei gesellschaftliche Außenseiter, das sich fast dokumentarisch der harten landwirtschaftlichen Arbeit widmet und einen genauen Blick für kleine Gesten der Zuneigung hat, wenn es sich auch mitunter etwas in überstrapazierten Metaphern und einer zerfaserten Erzählweise verliert. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
YIN RU CHEN YAN
Produktionsland
China
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Hucheng No. 7 Films
Regie
Li Ruijun
Buch
Li Ruijun
Kamera
Wang Weihua
Musik
Peyman Yazdanian
Schnitt
Li Ruijun
Darsteller
Wu Renlin (Youtie Ma) · Hai-Qing (Guiying Cao) · Yang Guangrui (Zhang Yongfus Sohn) · Zhao Dengping (Ma Youtong) · Wang Cailan (Schwägerin)
Länge
134 Minuten
Kinostart
02.03.2023
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
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Stilles Drama um zwei Außenseiter im ländlichen Nordwesten Chinas, die miteinander verkuppelt werden und miteinander fast so etwas wie das Glück finden.

Diskussion

Dem Bauern Ma (Wun Renlin) und seiner Frau Guiying (Hai Quing) sieht man sofort an, wie fremd sie sich sind. Der Hochzeitsfotograf versucht die beiden deshalb so zu drapieren, dass sich zumindest nach außen ein wenig Vertrautheit einstellt. Bereits davor war mitzuerleben, wie andere respektlos über die beiden Außenseiter verfügen.

„Return to Dust“ des chinesischen Regisseurs Li Ruijun beginnt mit einer arrangierten Ehe, bei der nur die pragmatischen Überlegungen der Verwandten wichtig sind, nicht die Gefühle der Vermählten. Denn in einem sind sich die Familien des Paares einig: Sowohl der schon etwas ältere, maulfaule Ma, als auch die durch Misshandlungen unfruchtbar und inkontinent gewordene Guiying sind gleichermaßen unvermittelbar.

Fast ein Jahr lang

In einer dunklen, fast höhlenartigen Behausung müssen sich diese zwei geschundenen Wesen erst einmal lernen und sich zueinander verhalten. Nur zögerlich entwickeln sich Nähe und Intimität. Vor allem in kleinen, alltäglichen Gesten findet sich eine aufkeimende Zärtlichkeit. Etwa wenn Ma seine Frau behutsam in einen warmen Mantel hüllt und ihr Essen reicht oder Guiying ihrem Mann nach einer Exkursion in die Stadt entgegenläuft, um ihm heißes Wasser gegen die Kälte zu reichen.

Die Annäherung der beiden Protagonisten geschieht in dem stillen, sich langsam entwickelnden Drama über zermürbende landwirtschaftliche Arbeit. Fast ein Jahr folgt der Film dem Paar in der nordwestchinesischen Provinz Gansu. Er beginnt im eisigen Winter, widmet sich in langen Szenen dem Pflügen und Säen und endet schließlich nach der Ernte im Herbst. Der Film zeigt dabei nicht nur, wie zeitraubend und kräftezehrend diese Arbeit ist, sondern auch, wie sorgfältig sie ausgeführt wird und wie sie Ma und Guiying zusammenschweißt.

Die Erzählung scheint dabei fast stillzustehen. Die dicht komponierten Bilder legen die Aufmerksamkeit ganz auf das Paar, so als würde es außer ihnen nichts anderes geben. Der Wunsch des verschuldeten Ma, völlig unabhängig zu sein, scheint hier für kurze Zeit in Erfüllung zu gehen.

„Panda“-Blut für den Gegenspieler

Allerdings dringt in diese genügsame Zweisamkeit dann doch immer wieder die Wirklichkeit, meist in Form eines silbernen BMWs. Ein mächtiger Unternehmer hat in der Gegend die Zügel fest in der Hand. Den Bauern kauft er ihre Ernte und Grundstücke zu niedrigen Preisen ab. Und da der konsequent abwesende Gegenspieler krank ist, muss Ma regelmäßig für ihn Blut spenden.

Diese vampirische Metapher für Ausbeutung ist typisch für die auf Symbole vertrauende Erzählweise von „Return to Dust“. Mas körperliche Erschöpfung spiegelt sich etwa in seinem geplagten Esel wieder, Guiyings Unfruchtbarkeit in einer verkümmerten Weizenspelze. Besonders gegen Ende, wenn sich die Erzählung immer stärker in Nebensächlichkeiten verliert und kein Ende findet, klammert sich der Film etwas hilflos an solche Metaphern, die er mit gefühliger Musik in Szene setzt.

Eine Blume aus Körnern

„Return to Dust“ wirkt mitunter etwas zerfasert, hat aber einen präzisen, fast dokumentarischen Blick für den harten Alltag der Protagonisten. Zumindest teilweise erzählt der Film sogar eine Aufstiegsgeschichte, bei der sich zwei eigentlich Chancenlose innerhalb ihrer Möglichkeiten hocharbeiten. Die Inszenierung widmet sich mit Hingabe der Mühe, mit der die beiden Lehm stampfen, die Ziegel in der Sonne trocknen, sie vor einem Regenschauer schützen und mit ihnen schließlich ein Heim bauen, das größer, heller und schöner als ihre alte Behausung ist.

Das Dilemma besteht jedoch darin, dass Wohlstand für sie und die Gesellschaft unterschiedliche Dinge sind. Als Belohnung für die Blutspende sollen sie in einen neu gebauten Apartmentkomplex ziehen, der kalt und abweisend ist. „Wo sollen hier denn meine Esel hin?“, fragt Ma überfordert bei der Wohnungsbesichtigung.

„Return to Dust“ lässt keinen Zweifel daran, dass Ma und Guiying nur so leben wollen, weil sie es nicht anders kennen. Auch ohne die Umstände zu romantisieren, lässt der Film in einem wiederkehrenden Bild eine aus Armut und Schmerz geborene Schönheit aufscheinen: Mehrmals drücken Ma und Guiying sich gegenseitig kreisförmig angerichtete Weizenkörner auf die Hand und legen schließlich die Blume frei, die als Abdruck auf der Haut bleibt.

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