Komödie | Frankreich 2022 | 93 Minuten

Regie: Gad Elmaleh

Warmherzige Komödie von und mit dem französisch-marokkanischen Komiker Gad Elmaleh über einen Juden, der aus Verehrung der Jungfrau Maria zum Katholizismus übertreten will. Aus Rücksicht auf seine jüdische Familie versucht er sein Vorhaben geheim zu halten. In dem witzigen, insgesamt aber eher zahmen und unentschlossenen Film über die Suche nach dem wahren Glauben verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität, denn Elmaleh spielt sich scheinbar selbst und lässt auch seine Eltern und seine Schwester vor der Kamera auftreten. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
RESTE UN PEU
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Vito Films/Ks2 Prod.
Regie
Gad Elmaleh
Buch
Gad Elmaleh · Benjamin Charbit · Eytan Saada
Kamera
Thomas Brémond
Schnitt
Camille Delprat
Darsteller
Gad Elmaleh (Gad) · Judith Elmaleh (Judith) · Régine Elmaleh (Régine) · David Elmaleh (David) · Olivia Jubin (Agnès)
Länge
93 Minuten
Kinostart
24.11.2022
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
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Autobiographisch gefärbte Komödie des französischen Komikers Gad Elmaleh über einen sephardischen Juden, der wegen seiner Verehrung der Jungfrau Maria zum Katholizismus übertreten will, ohne seine jüdische Familie zu verprellen.

Diskussion

Gad liebt die Jungfrau Maria. Seit er sie zum ersten Mal in einer Kirche gesehen hat, fasziniert sie ihn und wacht in seinen Augen über ihn. Das Schwierige an der Sache aber ist, dass Gad Elmaleh, der sich selbst spielt, ein sephardischer Jude ist. Schon als Kind wurde ihm, seinen Geschwistern und allen jüdischen und muslimischen Freunden in seiner Heimatstadt Casablanca eingeschärft, auf keinen Fall eine Kirche zu betreten. Es war ein absolutes Tabu, das er eines Tages aus Neugierde brach.

In der Gegenwart kehrt Gad, ein Schauspieler und Stand-Up-Comedian, nach einem mehrjährigen Aufenthalt in den USA in seine Wahlheimat Paris zurück. Offiziell, um Familie und Freunde wiederzusehen. Inoffiziell, um zum Katholizismus zu konvertieren und sich taufen zu lassen. Doch seinen jüdischen Eltern Régine und David Elmaleh (auch sie spielen sich selbst) würde es das Herz brechen, wenn er seinen angestammten Glauben aufgäbe. Also versucht er, sein Vorhaben vor ihnen zu verheimlichen.

Wer ist eigentlich dieser Gad Elmaleh?

Dann aber stößt Gads überfürsorgliche Mutter in Gads Koffer auf einen unerhörten Fund: eine fein säuberlich in ein blaues Frotteehandtuch gewickelte Statuette der Jungfrau Maria. Die Eltern fallen aus allen Wolken und wollen das katholische Artefakt auf keinen Fall berühren. Weder sie noch der Sohn, der nicht ahnt, dass seine Eltern im Bilde sind, bringen die Sache zur Sprache. Doch auch bei Gads jüdischen Freunden stößt sein Ansinnen auf wenig Verständnis. Derweil besucht Gad den Priester, der seinen Übertritt vorantreibt, sucht Trost in einem Mönchskloster in der Provinz oder übt in einer Schwimmhalle eine Ganzkörpertaufe. Schließlich fliegt sein Vorhaben am Sabbat bei einem Cousin auf. Das Entsetzen der gesamten jüdischen Familie ist groß.

Die Frage drängt sich auf, wer eigentlich dieser Gad Elmaleh im Film ist? Ist es der echte französische Star-Comedian, eine fiktive Figur oder eine Mischung aus beiden? Und kann man als Jude je wirklich sein Judentum hinter sich lassen? Die Grenzen verschwimmen in dem Film „Bleib bei uns“, der sich als Komödie versteht, dafür dann aber doch etwas zu grüblerisch ausfällt, aber echte Grenzüberschreitungen meidet und es allen Seiten recht machen will. Man merkt, wie persönlich das spirituelle Thema für den Regisseur, Drehbuchautor, Schauspieler, aber offenbar auch für den Privatmann Gad Elmaleh ist.

Zwischendurch reflektiert Gad seinen Zwiespalt in Stand-Up-Auftritten. Darin wird es wirklich pointiert und komisch, wenn er etwa beschreibt, wie sittsam es bei christlichen Beerdigungen zugehe, wo sich keine laut klagende jüdische Tante auf den Sarg wirft.

Fürsorglicher Umgang mit den Figuren

Diese Pointiertheit geht „Bleib bei uns“ als Ganzes aber ab, was nicht heißt, dass es an humorvollen Dialogen oder witzigen Szenen mangelt. So schlägt die Schwester dem 50-jährigen Protagonisten vor, statt einer spirituellen Krise lieber eine echte Midlife-Crisis durchzumachen, samt tiefgelegtem Wagen und hochgewachsener Tussi. Einem Woody Allen in seinen besten Tagen ist die filmische Darstellung übermächtiger jüdischer Mütter und turbulenter Familien vielleicht auch deshalb besser gelungen, weil er den Mut zur Übertreibung aufbrachte – und nie seine echte Familie vor der Kamera gefilmt hat.

So merkt man Elmaleh an, dass er Mutter, Vater und Schwester nicht vorführen oder entlarven will, und diesen fürsorglichen Respekt lässt er auch anderen Figuren angedeihen. „Bleib bei uns“ ist von sanften katholischen Amtsträgern und salomonischen Rabbinern bevölkert, während ein alter, lebensweiser Mann, den Gad pflegt, vom christlichen Glauben nichts mehr hält. Der Protagonist schwankt derweil zwischen Marienverehrung, der Faszination für christliche Gebäude und Rituale und dem Festhalten an seinen jüdischen Traditionen und kommt, salopp gesagt, einfach nicht zu Potte.

Zwischendurch deutet Elmaleh die Rivalitäten zwischen sephardischen und aschkenasischen Juden in Form von Witzen an. Sie werden von Gads sephardischem Cousin vorgetragen (wobei die Pointe des Witzes über den aschkenasischen Juden, der seinen Hund beschneiden will, bis zum Ende vorenthalten wird), während die katholischen Mönche durch die gänzliche Abwesenheit von Humor glänzen. Schließlich lässt Elmaleh sogar die Reform-Rabbinerin Delphine Horvilleur auftreten. Sie bescheinigt ihm, dass man den Ausgang aus dem jüdischen Haus zwar suchen könne, dass noch kein Jude ihn je gefunden habe.

Auf den Spuren von Jean-Marie Lustiger

Angesichts dieses Bildes, das auch den Gemütszustand eines Heinrich Heine widerspiegelt, und häufiger Anspielungen auf Jean-Marie Lustiger wird klar, dass der private Gad Elmaleh sich an dem 2007 verstorbenen Pariser Erzbischof orientiert. Jener konvertierte als junger Mann vom Judentum zum Katholizismus, doch bei seiner Beerdigung wurde auch das jüdische Totengebet, das Kaddisch, gesprochen.

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