Drama | USA 2022 | 92 Minuten

Regie: Lila Neugebauer

In Folge einer Kopfverletzung im Afghanistan-Einsatz muss eine Kriegsveteranin nicht nur wieder Bewegungsabläufe neu lernen, sondern auch in einen normalen Alltag zurückfinden. In der Zufallsbekanntschaft mit einem Automechaniker findet sie unerwartet Halt. Diese innere Entspannung spiegelt das Drama in der immer beweglicher werdenden Kamera wider und lässt beiden Protagonisten genügend Raum, um das Gegenüber auszuloten. Die tiefsitzenden Themen rund um Trauma-Verarbeitung und Einsamkeit brechen sich in diesem kleinen Film nicht vollends Bahn, doch ist es ein großes Vergnügen, den Darstellern dabei zuzusehen, wie sie aus einer Zweckgemeinschaft eine Freundschaft wachsen lassen. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CAUSEWAY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
A24/Excellent Cadaver/IAC Films/IPR.VC
Regie
Lila Neugebauer
Buch
Luke Goebel · Ottessa Moshfegh · Elizabeth Sanders
Kamera
Diego García
Musik
Alex Somers
Schnitt
Robert Frazen · Lucian Johnston
Darsteller
Jennifer Lawrence (Lynsey) · Brian Tyree Henry (James Aucoin) · Linda Emond (Gloria) · Stephen McKinley Henderson (Dr. Lucas) · Frederick Weller (Rick)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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IMDb | TMDB

Psychologisches Drama um eine Soldatin, die sich beim Einsatz in Afghanistan eine Kopfverletzung zugezogen hat und nun darum ringt, in ihrer Heimat und im zivilen Leben wieder Fuß zu fassen.

Diskussion

Die Kamera bewegt sich erst, als die verletzte Lynsey (Jennifer Lawrence) wieder lernt, erste Schritte zu machen. Die junge Ingenieurin ist gerade mit einer Gehirnverletzung aus dem Afghanistan-Krieg zurückgekehrt und muss erst wieder lernen zu stehen und zu gehen, sich die Zähne zu putzen und die Schuhe zu binden. Sie geht wieder joggen und übt Autofahren, die Kamera ist immer mit dabei. Nach wochenlanger Reha kehrt sie in ihre Heimatstadt New Orleans zurück und lebt bei ihrer Mutter, nimmt einen Job als Pool-Reinigungskraft an. Sie will jedoch so schnell wie möglich wieder in die Armee – Afghanistan war vor allem weit weg von ihrem alten Leben und deshalb gerade richtig für sie.

Nach großen Studioproduktionen kehrt die „Oscar“-Preisträgerin Jennifer Lawrence mit „Causeway“ nicht nur zurück zu ihren Wurzeln im Independent-Film, sondern präsentiert auch den ersten Film, den sie mit ihrer 2018 gegründeten Produktionsfirma Excellent Cadaver koproduziert hat. Die US-Theaterregisseurin Lila Neugebauer gibt damit ihr Filmdebüt, nach einem Drehbuch von Ottessa Moshfegh, Luke Goebel und Elizabeth Sanders.

Jennifer Lawrence besinnt sich auf ihre Stärken

Lawrence besinnt sich in der Rolle der in sich gekehrten Lynsey zurück auf ihre schauspielerischen Stärken: Äußerlich oft ungerührt, verleiht sie Lynseys Frustration über immer wieder auftretende körperliche Ausfallerscheinungen in kleinen Gesten oder Blicken Ausdruck. Der Wille, endlich wieder aus ihrem alten Leben verschwinden zu können, bestimmt jede noch so kleine Handlung. Von ihrem Bruder spricht sie nur in der Vergangenheit und hält die zwar selbst vom Leben gebeutelte, aber bemühte Mutter immer auf Abstand. „Es ist nichts Neues, dass sie mich hängen lässt, aber komischerweise überrascht es mich trotzdem immer wieder,“ erzählt sie ihrem neuen und einzigen Kumpel James (Brian Tyree Henry), als der spontan für die Mutter einspringt und sie zum Arzt fährt.

Dass sie einen Freund wie James braucht, ist ihr selbst nicht bewusst. Der Film antizipiert dieses Bedürfnis mit einer unterschwelligen Stimmungsverschiebung: In dem Moment, als Lynsey mit ihrem maroden Truck vor dem Laden des Automechanikers parkt, gerät die Kamera in Bewegung, und Lynseys Bewegungsradius erweitert sich. Mit James geht sie abends wieder aus, beginnt wieder mit dem Sport und erzählt zum ersten Mal davon, was in Afghanistan passiert ist.

Ein Rettungsanker

James ist eine ähnlich demolierte Seele und spricht erst zögerlich von dem Autounfall, der sein Leben nachhaltig veränderte. Ohne große Worte verlieren zu müssen, verstehen die beiden den Schmerz ihres Gegenübers und können scheinbar seit einer Ewigkeit endlich durchatmen.

Brian Tyree Henry ist der eigentliche Star dieses Films: Nach dem Durchbruch mit seiner Rolle als Paper Boi in der Serie „Atlanta“ war er zuletzt in großen Produktionen zu sehen, in denen er zwar wie in „Eternals“ (2021) oder „Godzilla vs. Kong“ (2021) Nebenrollen zum Leuchten brachte, jedoch kaum seine ganze Bandbreite ausspielen konnte. Sein gleichermaßen zurückgenommenes und ehrliches Spiel macht aus dem nur grob umrissenen Drehbuch einen einfühlsamen Film: Lynsey und James sprechen nur das Nötigste, doch macht Brian Tyree Henry James mit seinem bedachten Timing und nur kleinen, oft verständnisvoll brummelnden, manchmal fragenden oder ironisch langgezogenen „Mhms“ zu einem verbindlichen und trotz seiner eigenen Geschichte in sich ruhenden Rettungsanker für Lynsey. Im Suff schlägt er ihr einmal vor, er habe ja Platz in seinem Haus – sie könne bei ihm einziehen. Morgens jemanden zum Kaffeetrinken und abends zum Plaudern zu haben, das würde ihr ja vielleicht guttun – und meint natürlich auch sich selbst. Die tiefsitzenden Themen, sie brechen sich in diesem kleinen Film nicht vollends Bahn, doch ist es ein großes Vergnügen, Jennifer Lawrence und Brian Tyree Henry dabei zuzusehen, wie sie aus dieser Zweckgemeinschaft nach und nach Vertrauen und eine Freundschaft wachsen lassen.

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