Dokumentarfilm | Deutschland 2022 | 118 Minuten

Regie: Pepe Danquart

Dokumentarisches Porträt, das den deutschen Künstler Daniel Richter und seine Bilder begleitet, vom Entstehungsprozess über die erste Ausstellung bis zur Versteigerung. Entlang der Arbeitszyklen und aphoristisch eingeworfenen Thesen des Künstlers rotiert der kurzweilige Film um das Spannungsfeld zwischen Kunst und Produkt sowie den Arbeitsprozess des Künstlers. Allerdings verzichtet der Blick hinter die Kulissen dabei auf Nachfragen und bleibt Richter überhaupt durchgehend zu nahe, um beides wirklich einkreisen zu können. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
B/14 Film
Regie
Pepe Danquart
Buch
Pepe Danquart
Kamera
Daniel Richter · Marvin Hesse
Musik
Ramon Kramer
Schnitt
Toni Froschhammer
Länge
118 Minuten
Kinostart
02.02.2023
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm | Dokumentarisches Porträt
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Heimkino

Verleih DVD
Weltkino (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
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Dokumentarfilm über den Maler Daniel Richter und seine Kunst im Spannungsfeld von Anspruch und Vermarktung.

Diskussion

Ein einziges Motiv füllt den Raum der New Yorker Galerie. Die schwarz-weiße Vorlage zeigt zwei Soldaten auf Krücken, ihre im Grabenkrieg weggesprengten Beine Seite an Seite. Fast sieht es aus, als teilten sich die Soldaten einen einzigen Unterkörper, dessen Bewegung die Dynamik des Bilds prägt. Das Motiv ist kein Klassiker der Kriegsfotografie, es stammt von einer Postkarte. Mit einem jener Motive, die die „heroische Eroberung“ von Belgien, das große Abenteuer des großen Krieges, zeigen sollten, dabei aber die hässliche Fratze der modernen Vernichtungsmaschinerie offenbarten.

Die Bilder der Galerie in New York lassen das Ergebnis der massenhaften Vernichtung menschlicher Leben in grellen Farben strahlen. Fröhlich und abstrakt scheint es von den Leinwänden, die erst auf den zweiten Blick das Grauen zeigen, das zusammen mit den figurativen Elementen, der auf wenige Linien reduzierten Dynamik vom Krieg verkrüppelter Körper, ins Bild hineinkriecht.

Das Nachleben der Kunstwerke

Daniel Richter hängt die Bilder selbst. Er stellt zusammen, setzt neu an, bildet Motivpaare und testet die Lichtverhältnisse. Es ist der letzte Schritt seines künstlerischen Prozesses. Wenig später strömen die Gäste hinein. Die Vernissage überführt die Kunstwerke in ihr Nachleben: Rezeption, Verkauf, Katalogisierung, Kunstkanon. Um das Spannungsfeld zwischen Kreation und Nachwirkung von Kunst, hier die Kunst von Daniel Richter, ist der Dokumentarfilm von Pepe Danquart gebaut.

In Bildfolgen übersetzt, ist der Kontrast erst einmal recht simpel. Auf die laute Vernissage folgt das stille Atelier. Bei der Ausstellungseröffnung wird das, was von Richter gemalt und gehängt wurde, mit Schampus in der Hand goutiert, gelobt und gefeiert. Der Maler schüttelt Hände, kriecht unter dem Tisch durch zu seinem Platz beim opulenten Dinner und steht in der ersten Reihe beim anschließenden Konzert der Goldenen Zitronen. Dann kehrt die Arbeit zurück. Richter bereitet Leinwände vor, lässt Farbe trocknen, vergisst den Tee aufzugießen – Künstler sein nine to five.

Natürlich ist das, was hier entsteht, keine 08/15-Kunst. Daniel Richter gilt als einer der bedeutendsten deutschen Maler. Er selbst beschreibt seinen künstlerischen Werdegang als Weg von abstrakter Überfrachtung zu didaktischer Politkunst, zu homosexuellen Taliban und zurück zu „modernen Sachen“. Vieles davon zeigt der Film. Kommentiert von Freunden, Wegbegleitern, Expertinnen, Kunstsammlern und an erster Stelle von Richter selbst.

Zwischen Prozess und Produkt

Die Frage nach dem Weg, den die einzelnen Werke nehmen, ist das Ordnungsprinzip des Films. Von der Entstehung bis zum Verkauf drehen die Bilder ihre Kreise, immer getrieben vom Kontrast zwischen der Malerei als Prozess und der Malerei als Produkt und Kunstgegenstand.

Eben wird Richters Bild „Das Recht“ auf einer Londoner Auktion angeboten. Der Auktionator orchestriert den Verkauf mit elegant-affektierten Gesten. Während er erhaben fuchtelt, schießen Schilder in die Höhe, Stellvertreter finanzmächtiger Bieter versuchen hektisch mitzuhalten und die Gebote ihres Chefs oder ihrer Chefin rechtzeitig zum Teil der Zeremonie zu machen. Dann: zum Dritten. Der Hammer fällt und das Bild geht für knapp eine Million an einen anonymen Upper-Class-Vertreter. Das macht den politischen Anspruch der Kunst natürlich heikel, wie Richter selbst zu bedenken gibt. Im Atelier verwandelt der Maler dann – mit deutlich pragmatischeren Handbewegungen – eine Million Euro wieder in Kunst: Er spachtelt, pinselt, kratzt und wischt, wechselt Werkzeuge, Leinwände und Musikbegleitung. Immer umschwirrt von seinen zwei Vögeln, die wahlweise seine Kleidung, die Handmanschette oder die Leinwände anknabbern. Eine kurze Gymnastikpause, ein paar Worte zum nächsten Projekt, und die Arbeit geht weiter.

Danquart hängt sich an den Arbeitsalltag, aber auch das Charisma und die Eitelkeit des Künstlers. Das ist einerseits eine durchaus schlüssige Entscheidung. Denn Richter ist, ob er nun redet (eloquent, intellektuell und doch immer proletarisch genug) oder arbeitet, ein kameratauglicher Künstler. Wenn er obsessiv und doch gut gelaunt die Leinwand beackert oder in einer kurzen Pause den Kopf aufmacht, um Kontext, Reflexionen zur Kunst an sich, Malerei im digitalen Zeitalter oder politische Statements in Form mundgerechter Aphorismen rauszuhauen, ist Danquart stets dankbarer Zeuge.

Nachgefragt hat niemand

Über weite Strecken fühlt sich der Film dementsprechend wie ein Blick hinter die Kulissen an. Unterbrechungen des alltäglichen Spektakels bieten die Wegbegleiter Richters. So erzählt der Künstler Jonathan Meese, der etwa zur gleichen Zeit sein Kunststudium in Hamburg begann, fröhlich-albern Anekdoten von Daniel Richter, die in ersten Linie Geschichte über ihn selbst sind. Der Kunstsammler Harald Falckenberg trägt die fehlende Seriosität bei, ordnet Richter in der lokalen Kunstszene und der globaleren Historie ein.

Der Film ist entsprechend kurzweilig, wagt aber nie, Richters Seite zu verlassen. Allzu oft fühlen sich die Außenperspektiven wie Anekdoten über einen Freund an oder wie eine kurze Einführung zur Persona Daniel Richter. Die Person Daniel Richter bleibt ein Freund, zu dem der Film genug Abstand hält, um keinen Konflikt zu riskieren; dem er nahekommt, ohne ihn allzu sehr herauszufordern; dem er die Thesen zur Dichotomie von Kunst und Produkt von den Lippen abliest, ohne sie wirklich aufzugreifen. Daniel Richter bleibt auf der richtigen Seite der Geschichte. Wahrscheinlich zu Recht, aber wirklich nachgefragt wurde nicht.

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