Hitman Confessions
Biopic | Kanada 2022 | 104 Minuten
Regie: Luc Picard
Filmdaten
- Originaltitel
- CONFESSIONS
- Produktionsland
- Kanada
- Produktionsjahr
- 2022
- Regie
- Luc Picard
- Buch
- Sylvain Guy
- Kamera
- François Dutil
- Musik
- Daniel Bélanger
- Schnitt
- Carmen-Mélanie Pépin · Luc Picard
- Darsteller
- Luc Picard (Gérald Gallant) · David La Haye (Donald Lemaire) · Sandrine Bisson (Jocelyne Lacroix) · Éveline Gélinas (Pauline Gallant) · Dany Boudreault (Carlo)
- Länge
- 104 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Biopic | Drama | Krimi
Heimkino
Filmisches Porträt des kanadischen Auftragsmörders Gérald Gallant, das Heuchelei, Narzissmus und Biederkeit des Killers hervorhebt.
Gérald Gallant (Luc Picard) ist kein interessanter Mensch. Er ist ein Vorstadt-Spießer, der seine Ehefrau Pauline (Éveline Gélinas) brav auf den Mund küsst, bevor er sich in sein und sie sich in ihr Bett legt. Seiner Affäre, der radsportbegeisterten Bestatterin von nebenan, erzählt er gerne, dass er kein Chorknabe sei. Die 28 Morde, die er im Laufe seines Lebens begeht, bestätigen das deutlich. Und doch will der Mann, der als Auftragsmörder für verschiedene kriminelle Organisationen arbeitet, so gar nicht zum Mythos des charismatischen Serienmörder-Soziopathen taugen, in den sich das Kino wieder und wieder neu verliebt. Es ist die Prämisse von „Hitman Confessions“, dass es keine faszinierende Persönlichkeit braucht, um Auftragsmörder zu sein. Im Gegenteil: ein tief ins Reich der psychischen Störungen hineinragender Verdrängungsmechanismus und eine verkorkste Kindheit genügen.
Der Rückblick auf ein Mittagessen im Elternhaus liefert die zum psychologischen Profil gehörige Vergangenheit: Mit blutender Nase sitzt der junge Gérald am Tisch und lässt die Demütigungen seiner Mutter über sich ergehen: sie ahmt sein Stottern nach, liest einen Brief aus der Schule vor, verkündet seinen unterdurchschnittlichen IQ, redet sich selbst in Rage über den abscheulichen, verweichlichten Sohn, bis der Film, zur Klimax ihres mütterlichen Hasses, auf einen Kopfschuss schneidet, mit dem dieser mehr als vierzig Jahre später eines seiner Opfer am helllichten Tag in aller Öffentlichkeit hinrichtet. Es ist die Zeit des Quebecer Bikerkriegs, Gallants „berufliche Blütezeit“, die zugleich den Hauptteil des Films ausmacht.
Eine groteske Ersatzfamilie
Für eine „The Rock Machine“ genannte Bikergang mordet der verklemmte Außenseiter und findet dort zugleich eine groteske Art von Ersatzfamilie. Glamour versprühen die Gestalten der Gang aber ebenso wenig wie er. Mittelalte, meist übergewichtige Männer verkörpern das organisierte Verbrechen. Biker, die keine Sekunde in der Nähe eines Motorrads verbringen, stattdessen die meiste Zeit aufeinander hocken, um wie kleine Jungs miteinander zu streiten. Ein Menschenleben, oder besser: Gallants Dienstleistung, ein solches Menschenleben auszulöschen, ist der „Familiengemeinschaft“ selten mehr als 20.000 Dollar wert.
Luc Picard, der als Hauptdarsteller und Regisseur auftritt, entlarvt das narzisstische Selbstmitleid und den grotesken Moralkodex Gallants. Die grob aus den familiären Abgründen hergeleitete, fiktionalisierte Version des kanadischen Mörders wird sukzessive entlang seiner Heucheleien entlarvt. Der Mann, der, ohne mit der Wimper zu zucken, einem anderen Mann ins Gesicht zu schießen vermag, ist zugleich zutiefst erschüttert, als sein Freund und Komplize Donny (David La Haye) in der Hitze des Gefechts einer Frau zu hart ins Gesicht schlägt. Ein Leitmotiv, das sich auch auf der ostentativ in die Geschichte injizierten Symbolebene des Films fortsetzt. Bei jeder Begegnung mit irdischen oder überirdischen Moralinstanzen, bei jeder explizit oder symbolisch an Gesetz, Gott oder die Mitwelt gerichteten Bitte um Absolution kreist eine computeranimierte Fliege um den im Körper eines Langweilers verborgenen Teufel.
Der Thrill der Morde als dramaturgisches Fundament
Doch so sehr „Hitman Confessions“ um die Heuchelei, Monotonie und Biederkeit des Mörders konstruiert sein mag, so eindeutig ist das dramaturgische Fundament des Films letztlich auf die Adrenalinschübe gebaut, die das Leben des Auftragsmörders mitbringt. Natürlich ist das nicht spannend oder sexy genug, um als schauwertorientierter Genre-Beitrag durchzugehen. Noch ist es kalt und verstörend genug, um an Filme wie John McNaughtons Exploitation-Drama „Henry: Portrait of a Serial Killer“ zu erinnern. Doch als die angedachte Antithese zu den glamourösen und verstörenden Inkarnationen des Auftrags-/Serienmörders taugt Picards Leinwandversion von Gérald Gallant letztlich ebenso wenig. Die Familiengeschichte ist ein nachträglich angebrachter Rahmen, die Entlarvung der heuchlerischen Beichte wenig mehr als narratives Gimmick. Die Hauptattraktionen bleiben die verquere „Bonnie & Clyde“-Affäre – der Witz hier ist, dass der ungebildete Serienmörder selbst noch nie vom ikonischem Killerpärchen gehört hat – und die entlang der spektakulärsten Morde aufgezogene Verbrechergeschichte. Gérald Gallant mag kein charismatischer Killer sein, doch seine 28 Morde eines Langweilers bringen mehr Adrenalin und Erregung auf die Leinwand, als es einem entlarvenden Filmporträt lieb sein kann.