Liebesfilm | USA 2023 | 109 Minuten

Regie: Aline Brosh McKenna

Seit einem lange zurückliegenden One-Night-Stand sind ein Mann und eine Frau, beide mittlerweile in ihren Vierzigern, gute Freunde; sie lebt in Los Angeles und hat einen kleinen Sohn, er in New York. Als sie wegen einer Fortbildung dorthin muss, macht er ihr ein Angebot: Er passt bei ihr in Los Angeles auf den Jungen auf, sie übernachtet während der Fortbildung in seinem Luxusapartment. Das gegenseitige Eintauchen in die Lebenswelt des jeweils Anderen hat allerdings zur Folge, dass beide sich mit neuen Augen sehen. Eine sympathische Romantik-Komödie, die das Genre nicht neu erfindet, aber mit angenehmer Selbstironie, markanten Sidekick-Figuren und spritzigen Dialogen bestens unterhält. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
YOUR PLACE OR MINE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Aggregate Films/Hello Sunshine/Lean Machine
Regie
Aline Brosh McKenna
Buch
Aline Brosh McKenna
Kamera
Florian Ballhaus
Musik
Siddhartha Khosla
Schnitt
Chris A. Peterson
Darsteller
Reese Witherspoon (Debbie) · Ashton Kutcher (Peter) · Wesley Kimmel (Jack) · Steve Zahn (Zen) · Rachel Bloom (Scarlet)
Länge
109 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Liebesfilm | Romantische Komödie
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Reese Witherspoon und Asthon Kutcher in einer romantischen Komödie über einen einwöchigen Wohnungstausch und die Wiederbelebung einer alten Liebe.

Diskussion

Kinderlose Männer, die in der Mitte ihres Lebens plötzlich in die Vaterrolle purzeln: Entweder wendet das Kino dafür altbewährten Vater-Humor à la „Drei Männer und ein Baby“ an, oder aber melancholisches Tremolo, wie zuletzt etwa in Mike Mills’ Schwarz-weiß-Elegie „Come on, Come on“. Die romantische Netflix-Komödie „Your Place or Mine“ dagegen ironisiert die Vaterschafts-Herausforderung mit sanfter Boshaftigkeit: Da gesteht Peter (Ashton Kutcher), der eine Woche lang auf den Sohn seiner besten Freundin Debbie (Reese Witherspoon) aufpasst, einer anderen Freundin Alicia (Tig Notaro) im Modus heroischer Selbstkritik: „Diese Rolle als lebensveränderndes männliches Vorbild ist doch schwieriger, als ich angenommen habe.“ Daraufhin sie trocken: „Eigentlich solltest du ihn nur am Leben erhalten.“

Kein blau-rosa Stereotypen-Märchen

Das Kind (Wesley Kimmel) ist im Film tatsächlich nicht der Nabel der Welt, es geht vielmehr um das Update einer lange zurückliegenden „Boy meets Girl“-Konstellation. Romantische Komödien scheinen irgendwie aus der Zeit gefallen: Im Nachdenken über Identitäten als Mann, Frau und Eltern wurde das Genre zuletzt mehrfach für tot und nicht wiederbelebbar erklärt. Die Welt hat schlechte Laune; Status: Es ist kompliziert. Aber manchmal ist es einfach: Wenn zum Beispiel in einem Film oder einer Serie über Paarfindungs- und Familienbelange Tig Notaro mitwirkt, die herb-burschikose amerikanische Stand-Up-Comedienne, Schauspielerin, Drehbuchautorin und Regisseurin, ist immerhin davon auszugehen, von einem blau-rosa Märchen über vermeintlich unumstößliche Geschlechterrollen verschont zu bleiben. Und weil dies mit selbstverständlicher Nonchalance geschieht, dabei auch noch mindestens nett unterhalten zu werden.

Das gilt auch für „Your Place or Mine“, das Regie-Debüt der erfahrenen Drehbuchautorin Aline Brosh McKenna („Der Teufel trägt Prada“): Mögen Debbie und Peter, seit einem One-Night-Stand vor 20 Jahren beste Freunde, als Charaktere vor Klischees nur so triefen, er mit seiner „Kantiges-Kinn-großer-Kerl-lange-Wimpern-Aura“ (wie Alicia sagt) und Debbie mit ihrem „Sexy-Generation-X-Ökomutti-Stil“ (wie Debbies gute Fee Minka sagt): Dieser Film bemüht Stereotype nicht, um zu behaupten, die beiden seien deshalb so gegensätzlich, weil sie eben Mann und Frau seien. Sondern, um es mit Peter zu sagen: „Weil sie sie ist und ich ich.“ Und weil es in Zeiten identitärer Frontbildungen eine vernachlässigte Kunst ist, vorübergehend auch mal jemand anderes zu sein, andere Möglichkeiten seiner selbst auszuprobieren.

Zwei, die zusammengehören, es aber einfach nicht kapieren

Debbie also lebt alleinerziehend in einem gemütlich mit Kräutertöpfen vollgestellten, umwucherten Haus in Los Angeles, Peter in serieller Monogamie in einer „schnickschnackfreien Zone“, wie er sagt: in einer gesichtslosen Luxuswohnung in New York. Sie hat ihren Traum, Verlagslektorin zu werden, vor Jahren zugunsten pragmatischer Lebensentscheidungen begraben und ist Buchhalterin geworden. Er, der Marketingexperte, war „mit 13 ein laufender Adamsapfel mit Topfhaarschnitt und einer Ausgabe von ,Der Fänger im Roggen’ unterm Arm“ und hat sich längst von der Idee verabschiedet, ein großer Schriftsteller zu werden.

Jeden Tag telefonieren die beiden miteinander, und das Filmbild mit seinem altmodisch gewieften Split Screen weiß natürlich von Anfang an, dass diese beiden Mittvierziger eigentlich schon immer ins selbe Bett gehören, an denselben Tisch, ins selbe Bad. Oder, wie der Kritiker des „Hollywood Reporter“ schrieb: Es gehe weniger um die Romcom-Frage „Werden sie oder werden sie nicht?“ als vielmehr um die Frage: „Warum haben sie nicht?“

Durchs Durcheinanderwirbeln landet alles am rechten Platz

Der Plot lebt von der simplen Idee eines Wohnungstauschs: Debbie muss wegen einer Fortbildung für eine Woche nach New York. Ihr vor zahllosen Allergien und Lebensrisiken zu schützender Sohn soll derweil von einem Kindermädchen betreut werden. Doch das sagt kurzfristig ab. Peter, der angeblich aus Angst vor Erdbeben einst Los Angeles verlassen hat und bei dem gerade weder beruflich noch privat etwas gut läuft, bietet Debbie an, nach Los Angeles zu fliegen und auf ihren Sohn aufzupassen. Zugleich darf sie in seinem New Yorker Appartement wohnen. Ein Tausch, der, man ahnt es, die Dinge so durcheinanderwirbeln wird, dass alles an seinem richtigen Platz landet.

Es kommt offensichtlich darauf an, in welche Regie-Hände Aline Brosh McKenna ihre Drehbücher gibt. In ihrem Portfolio steht auch die Brautjungfern-Schmonzette „27 Dresses“. Bei „Your Place or Mine“ führte sie erstmals selbst Regie und versucht offenkundig nicht, das Genre neu zu erfinden. Stattdessen baut sie eine klassische romantische Komödie mit einer geschmeidig soliden Mechanik und einer altbewährten Konstellation. Den beiden Hauptfiguren stellt sie jeweils eine beratende Sidekick-Figur zur Seite: Im Falle von Debbie ist das Peters Exfreundin Minka, mit vulgär angehauchter Grandezza gespielt von Zoë Chao; im Falle Peters ist es Karohemdträgerin Alicia, an deren Hand ein Kaffeebecher festgewachsen scheint.

Glänzt in einer kuriosen Nebenrolle: Steve Zahn

Steve Zahn wiederum, mit einem breiten Grinsen zwischen Terence Hill und Robin Williams, spielt als fernes Echo des Nachbarn aus der 1990er-Serie „Hör mal, wer da hämmert“ einen fast shakespearehaften Narren: Er heißt Zen („ja, wie der Buddhismus“), werkelt den ganzen Tag mitsamt seinem Bauarbeiter-Dekolleté in Debbies Garten und singt dabei schief, während er für seinen eigenen Garten nebenan „jemanden hat“. Er ist eine absurde, beiläufige Fußnote zum Grundthema des Films: dem Verhältnis von körperlicher und virtueller Nähe. Der genügsame Zen verschafft sich eine Nähe zu Debbie, die ihn beglückt, ohne dass das Stigma des Psychopathen oder Stalkers an ihm haftet.

Um Nähe zum geliebten Menschen geht es, fast mehr aber noch um den vor lauter Vermeidungsstrategien verlorenen Kontakt zu dem, was ein Mensch einmal wirklich werden wollte. Mit einer feinen Auswahl an Popsongs und ohne zu sehr den pädagogischen Zeigefinger zu schwingen, richtet sich der sacht nostalgische Film an Menschen, die in den 1990er- und 2000er-Jahren ihre beruflichen Wege einschlugen und sich erstmals in Liebensdingen ausprobierten. Zu einer Zeit, als der Glaube an die Gestaltbarkeit der eigenen Biografie zumindest bei weißen Mittelklasse-Menschen trotz Krisen wie dem Platzen der Dotcom-Blase oder 9/11 einigermaßen intakt war. „Du siehst deprimiert aus“, sagt Sohn Jack einmal zu seiner Mutter, als der New-York-Trip zu scheitern droht. „Ist schon okay, ich bin erwachsen“, sagt Debbie, „und zum Erwachsensein gehört es quasi, deprimiert zu sein.“

Sympathisch selbstironisch

Peter und Debbie sehen noch jung aus, aber dass sie nicht mehr so ganz zur werberelevanten Zielgruppe gehören, wird in kleinen, bissigen Running Gags deutlich: Hier eine Unbeholfenheit bei der Bedienung des Smart Homes, da eine ranzige Vokabel wie „sich verdünnisieren“, dort ein ruckeliger Trolley, der bei allen die Bemerkung auslöst, dass es „jetzt“ übrigens auch solche mit vier Rollen gebe. So selbstironisch die Figuren auf sich selbst blicken, so nimmt sich auch der Film immer wieder selbst auf den Arm, mit One-Linern, die an die goldene Ära der Screwball-Komödie erinnern. Einmal wundert sich Debbie, warum Peter nicht mehr mit Minka zusammen sei, diese sei doch „so gewandt und seidig“. Sie sei doch kein Otter, kontert Peter. An dem Abend, an dem Debbie den gutaussehenden Verleger Theo (Jesse Williams) kennenlernt, bestellt sie den Cocktail „Gartenpracht“. Als der turmhoch vor ihr steht, fragt sie: „Soll man den trinken oder ihm Wasser geben?“

Die bisher hauptsächlich negative Resonanz auf „Your Place or Mine“ zeigt, dass die Beziehung zwischen romantischer Komödie und Publikum zerrüttet ist. Das Genre kann es offenbar nur falsch machen. Womöglich liegt darin eine Chance, Hartnäckigkeit und Wagemut zahlen sich in romantischen Komödien schließlich immer aus. Vielleicht ist auch das Vergnügen an vermeintlich Seichtem in der schlechtgelaunten Gegenwart etwas, das erst einmal wieder gepäppelt werden muss. Wie ein Topf Kräuter auf dem Fensterbrett einer leblosen Luxuswohnung, in der selbst der Besteckkasten noch in Folie eingeschweißt ist, weil das Menschenfreundliche und Lustvolle sowieso immer ein andermal stattfindet. Eigentlich sollte man es nur am Leben erhalten.

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