Blix not Bombs
Dokumentarfilm | Schweden/Deutschland/Tschechien 2023 | 85 Minuten
Regie: Greta Stocklassa
Filmdaten
- Originaltitel
- BLIX NOT BOMBS
- Produktionsland
- Schweden/Deutschland/Tschechien
- Produktionsjahr
- 2023
- Produktionsfirma
- Pink Prod./Corso Film- und Fernsehprod./Sisyfos Film Prod.
- Regie
- Greta Stocklassa
- Buch
- Greta Stocklassa
- Kamera
- Stanislav Adam
- Musik
- Jan Pavel
- Schnitt
- Alan Sýs
- Länge
- 85 Minuten
- Kinostart
- 18.05.2023
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm | Dokumentarisches Porträt
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Ein Porträt des schwedischen Ex-Diplomaten Hans Blix, der mit einer 65 Jahre jüngeren Filmemacherin über den Irakkrieg 2003 und die daraus folgenden globalen Konflikte spricht.
Wie der betagte Mann da in seinem Sessel in einem bescheiden eingerichteten Wohnzimmer sitzt und freundlich lächelt, möchte man kaum glauben, dass es sich hier um einen der bedeutendsten Diplomaten der letzten Jahrzehnte handelt. In den 1970er-Jahren war der 1928 geborene Hans Blix mal schwedischer Außenminister, aber bekannt wurde er vornehmlich als Direktor der Internationalen Atomenergie-Organisation, wobei in seine Amtszeit unter anderem die Katastrophe von Tschernobyl 1986 fiel. Zu Beginn dieses Jahrtausends war Blix dann Leiter der Kommission, die im Auftrag der Vereinten Nationen im Irak nach Massenvernichtungswaffen suchte. Vor allem die USA hatten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf diese Mission gedrängt, da sie den irakischen Diktator Saddam Hussein als Strippenzieher vermuteten und sich sicher gaben, das Land verfüge über ein großes Arsenal an Atomwaffen. Die UN-Kommission wurde jedoch nicht fündig, was Blix in seinem Bericht an den Sicherheitsrat kundtat. Was die US-Administration unter George W. Bush jedoch nicht davon abhielt, am 20. März 2003 gemeinsam mit britischen Streitkräften in den Irak einzumarschieren.
Hätte Blix den Krieg verhindern können?
Die Filmemacherin Greta Stocklassa, Jahrgang 1993, hat Hans Blix für ihren Film „Blix not Bombs“ aufgesucht, um ihn zu fragen, ob er diesen Krieg ohne UN-Mandat nicht hätte verhindern können. Die Antwort des inzwischen über 90-jährigen Diplomaten im Ruhestand ist eindeutig. Er sei für die Untersuchung im Irak zuständig gewesen und den Job habe er gewissenhaft erledigt. Alles andere hätten die beteiligten Politiker zu verantworten. Einfache Frage, einfache Antwort. Aber eigentlich noch kein Stoff für einen Dokumentarfilm, sollte man meinen. Doch Stocklassa verbindet ihre Frage mit der Überzeugung, dass dieser Krieg eine Vielzahl von Konflikten heraufbeschworen hat, die bis heute nicht gelöst sind. So beispielsweise das Erstarken der Bewegung Islamischer Staat, deren Terror im Irak und später in Syrien Millionen von Menschen zur Flucht trieb, womit in Europa womöglich auch der Aufstieg von populistischen Politikern begünstigt wurde, die gegen die Migranten Stimmung machten.
Die Entwicklungen und Ereignisse dokumentiert der Film in einer Fülle von (zumeist Nachrichten-Sendungen entnommenen) Archivbildern. Darunter nicht nur Sequenzen vom Überfall auf den Irak, sondern auch solche um die Debatte im UN-Sicherheitsrat, wo Joschka Fischer, damals deutscher Außenminister, US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld entgegenhielt, er sei von der Rechtmäßigkeit des Krieges nicht überzeugt und damit die Nicht-Beteiligung Deutschlands begründete. So liefert der Film zum einen eine überaus lebendig erzählte Geschichte der letzten Jahrzehnte im Krisenmodus, die bis zum aktuellen Krieg in der Ukraine reicht. Auch der denkwürdige Versprecher, den sich George W. Bush 2022 leistete, als er Russland für den Überfall auf den Irak geißelte, fehlt hier nicht.
Sehr nahe an Blix’ Privatleben
Zum anderen ist er aber auch das intime Porträt jenes Hans Blix, der die Filmemacherin auch sehr nahe in sein Privatleben lässt. Man ist dabei, wie der Mann in seinen Tagebüchern blättert, sein Leben aufräumt und alte Aktenordner entsorgt oder seiner Frau am Küchentisch aus der Zeitung vorliest. Selbst beim Urlaub in einem Sommerhaus, wo er auch seinen Geburtstag feierte, durfte die Regisseurin dabei sein. Dabei zeigt sich der Gastgeber als gänzlich uneitel, ist meist bester Laune und hat auch seinen Humor nicht verloren. Als er beim Einkaufen eine Frau grüßt und die Regisseurin ihn fragt, ob er sie kenne, erklärt er lapidar: „Nein, aber sie sieht gut aus.“
Zumeist kreisen die Gespräche jedoch um die missliche Weltlage, wobei Blix die ähnlich düster sieht wie die Filmemacherin, die sich dabei in Bild und Ton immer wieder sehr persönlich einbringt. Es sind ebenso informative wie kurzweilige Gespräche zwischen Vertretern von zwei Generationen, die die Basis für diesen Dokumentarfilm bilden, dessen kluger Mix aus Porträt und Zeitgeschichte auch eine Kinoleinwand zu füllen vermag.