Drama | Großbritannien 2023 | 91 Minuten

Regie: Molly Manning Walker

Drei minderjährige Britinnen wollen auf Kreta ihren High-School-Abschluss feiern und eine ausgelassene Zeit mit Party, Jungs und Alkohol verbringen. Für eine von ihnen entwickelt sich der Trip in den Exzess aber zur traumatischen Erfahrung. Der kraftvolle Debütfilm über Hedonismus, Gruppenzwang und eine hypersexualisierte Welt beobachtet zunächst das Treiben mit farbig-rohem Realismus, wandelt sich dann aber zum inneren Drama aus stillem Schmerz und existenziellen Zweifeln. Das Frappierendste daran aber ist die vom harschen Neid durchzogene Dynamik innerhalb des Mädchen-Trios. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HOW TO HAVE SEX
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Wild Swim Films/Heretic/Umedia
Regie
Molly Manning Walker
Buch
Molly Manning Walker
Kamera
Nicolas Canniccioni
Musik
James Jacob
Schnitt
Fin Oates
Darsteller
Mia McKenna-Bruce (Tara) · Lara Peake (Skye) · Samuel Bottomley (Paddy) · Shaun Thomas (Badger) · Enva Lewis (Em)
Länge
91 Minuten
Kinostart
07.12.2023
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Drama um drei minderjährige Britinnen, die sich in der kretischen Touristenhochburg Malia in eine exzessive Partynacht voller Alkohol und Sex stürzen.

Diskussion

Würde man diese Bilder aus dem Kontext reißen, müsste man vom Schlimmsten ausgehen. Die Straße, von geschlossenen Bars und Clubs gesäumt, sieht aus wie ein Schlachtfeld, auf dem es zu schlimmsten Kampfhandlungen gekommen ist. Doch man befindet sich lediglich auf der Partymeile von Malia in Kreta, am Morgen danach, wenn die feiernde Meute wie ein Sturm über sie hinweggefegt ist, angeturnt von hochprozentigen Getränken, Hormonen und lauten Beats. Jetzt ist der Rausch vorbei. Noch hat keiner die Spuren beseitigt.

Tara (Mia McKenna-Bruce) bahnt sich einen Weg durch den Müll und all die anderen Hinterlassenschaften. Die alkoholgeschwängerte Müdigkeit hat sich wie Blei in ihren Beinen festgesetzt, während ein bedrohlicher Sound auf der Tonspur anschwillt. Die Nacht ist gerade dabei, eines ihrer Opfer auszuspucken. Das ist kein schöner Anblick. Nein, hier wurde nicht gekämpft. Und doch hat die Wirklichkeit den romantischen Träumen der jungen Frau einen heftigen Schlag versetzt; dabei wollte sie doch nur ihr erstes Mal erleben.

Auf der Partymeile

Zumindest war das einer der Gründe, warum Tara mit Skye (Lara Peake) und Em (Enva Lewis) nach Kreta gekommen ist. Um eine gute Zeit zu haben, zu tanzen, feiern und vögeln. Was in völliger Ausgelassenheit und mit jugendlich-enthemmtem Hedonismus beginnt, wandelt sich jedoch bald zu einer Art grenzgängerischer Mutprobe. „Sei keine Spielverderberin, Tara!“, heischt die reifere Skye ihre unerfahrene Freundin an, die vom immer wilderen Treiben um sie herum irritiert ist. Denn wo ihre persönliche Grenze liegt, weiß die junge Engländerin noch nicht. So zieht das Trio mit einer Jungengruppe aus dem Nachbarzimmer um die Häuser. Die Nacht wird zum Tage und verspricht nichts Gutes.

Der prollige, im Grunde aber liebenswerte Badger (Shaun Thomas) scheint ein Auge auf Tara geworfen zu haben. Seine schüchterne Zurückhaltung verhindert eine Annäherung, deren Ausbleiben die beiden Jugendlichen offensichtlich bedauern. Schließlich aber nutzt sein Kumpel Paddy (Samuel Bottomley) einen Moment der emotionalen Verletzlichkeit. Er und Tara haben am Strand Sex, wobei die Einvernehmlichkeit stark angezweifelt werden muss. Der bis dahin pochend-treibende Film stürzt von der Partylaune in einen schweigsamen Taumel, der die männlich dominierte Partywelt und den Gruppenzwang ausstellt und in einen knallharten Faustschlag verwandelt.

„How to Have Sex“ ist im ersten Drittel von einem energetischen Realismus geprägt, der die verführerische Kraft des Exzesses transportiert. Doch nach dem Ereignis am Strand bricht der Film an mehrere Stellen bedrohlich auf und nimmt eine haptische Qualität an, die man bisweilen kaum auszuhalten vermag. Der stille Schmerz und der existentielle Zweifel, die Tara mit sich herumträgt, ohne dass die anderen etwas davon bemerken, werden zu schweren Bildern voll innerer Anspannung. Im Club, während die Körper toben, hört und sieht dich niemand leiden.

Masken aus Sex und Schweiß

Regisseurin Molly Manning Walker, die lang als Kamerafrau arbeitete, hat mit großem Gespür für ambivalente Atmosphären einen eindringlichen Debütfilm von gefährlicher Schönheit geschaffen. Sie entlockt den drei Hauptdarstellerinnen ein unverblümtes Spiel, das noch nicht die Gesten der Erwachsenenwelt beherrscht. Immerzu werden die eigentlichen Gefühle überspielt und die Emotionen wie Tauschkarten zur Schau gestellt: Alles ist geil, alles ist Spaß. Man trägt Masken aus Schweiß und hemmungslosem Sex.

Der Kameramann Nicolas Canniccioni packt die Hektik der Party, das angespannte Treiben um die Pools herum und die Verlorenheit von Tara in farbig-rohe, unmittelbare Bilder. Der griechische Ballermann wird zu einer hypersexuellen Struktur maskuliner Selbstverständlichkeit, zu einem phallischen Stroboskop, in dem die Frauen immer nur Körper zu sein haben. Das von aufdringlichen Animateuren angeleitete Entertainment rückt Brüste und Hintern in den Vordergrund. Es herrscht eine obszöne Überdeutlichkeit, die dem ohnehin mehrdeutigen Titel des Films einen pessimistischen Touch verleiht. Kann man in einem solchen Dickicht aus starren Geschlechterbildern und deren Kapitalisierung überhaupt von Sexualität sprechen? Ist das nicht vielmehr ein geschlechtlicher Unfall kurz vor der Ohnmacht?

Das Frappierende an „How to Have Sex“ ist jedoch vor allem die Dynamik innerhalb der Mädchengruppe, die von harschem Neid durchzogen ist: Freundschaft – vor allem in diesem Alter – wird hier wahrlich in kein gutes Licht gerückt. Gruppenzwang und Partytaumel sind ein gefährlicher Cocktail.

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