Zwischen uns die Nacht

Drama | Deutschland 2023 | 105 Minuten

Regie: Abini Gold

Eine alleinerziehende Mutter lebt mit ihrem fünfjährigen Sohn in einem Wohnwagen und verdient nur durch Gelegenheitsjobs etwas Geld. Als sie über die Beziehung zu einem Schausteller eine Anstellung auf einer Kirmes bekommt, nähert sie sich auch dessen Freund und Kollegen an, was die Dreierfreundschaft zu kippen droht. Der sensible Liebesfilm kreist um Figuren am Rande der Gesellschaft, die den äußeren Widrigkeiten mit einer Überdosis traumwilder Lebenslust trotzen. Dabei gehört die Sympathie des Films unverkennbar den Außenseitern und der schillernden Jahrmarktwelt, ohne den realistischen Ansatz für allzu märchenhafte Entwicklungen preiszugeben. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Kojoten Filmproduktion/ZDF - Das kleine Fernsehspiel/Filmakademie Baden-Württemberg
Regie
Abini Gold
Buch
Abini Gold
Kamera
Marvin Schatz
Musik
Stefan Benz
Schnitt
Quirin Grimm · Jana Briesner
Darsteller
Laura Balzer (Marie) · Aaron Altaras (Erich) · Paul Boche (Haro) · Daan Bremmer (Lenny) · Bea Brocks (Rebecca)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Liebesfilm
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Sensibler Liebesfilm um eine alleinerziehende Frau aus prekären Verhältnissen, die bei einer Kirmes angestellt wird und mit zwei befreundeten Schaustellern anbandelt.

Diskussion

Ihr zuzuschauen, ist beinahe schon der ganze Film. Wie einst Emilie Dequenne in „Rosetta“ der Dardenne-Brüder. Laura Balzer als die 25-jährige Marie haust auch in einem Wohnwagen abseits eines öden Gewerbegebiets. Statt sich wie Rosetta um die alkoholkranke Mutter zu kümmern, ist es in ihrem Fall der fünfjährige Sohn Lenny, der nach dem Sommer in die Schule gehen soll und in seinem Alter eigentlich stabilere Lebensverhältnisse brauchen würde. Man erfährt am Rande, dass Marie Mietschulden hat, auf einer Warteliste des Sozialamts steht und nicht in ein Heim möchte. Und damit sind in „Zwischen uns die Nacht“ die Parallelen zur Schmerzensfrau Rosetta auch ausgeschöpft. Was folgt, ist kein dokumentarisch angehauchtes Sozialdrama, sondern ein Liebesfilm um Figuren, die den äußeren Widrigkeiten mit einer Überdosis traumwilder Lebenslust trotzen.

Wieder einmal am Nullpunkt

Gerade hat Marie ihren Job an der Tankstelle verloren, weil ihr Kind ein Regal umgeworfen hat. Statt ihren wütenden Chef zu besänftigen, reagiert sie gereizt und weist jede Schuld von sich. Wieder ist sie am Nullpunkt und doch geht es irgendwie weiter. Wenn sie mal Zeit für sich braucht, übernimmt ihre Tankstellen-Kollegin die Betreuung. Dann verbringt sie einige Stunden mit dem Schausteller Erich (Aaron Altaras). Er ist es auch, der ihr einen neuen Job auf der „Sommerkirmes“ organisiert. Sie arbeitet als Kassiererin eines „Breakers“, bei dem Erich und sein unberechenbarer Kollege Haro (Paul Boche) für Ordnung sorgen. Das Duo gefällt sich in angeberischen Posen und wetteifert um die Gunst junger Frauen. Marie muss sich in diesem Milieu erst Respekt verschaffen. Und doch ist sie es am Ende, deren Nähe die zwei Männer suchen und allmählich zu einer fragilen Patchwork-Familie zusammenwachsen.

Die 32-jährige Abini Gold lässt in ihrem Langfilm-Debüt und Abschlussfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg keinen Zweifel daran, dass sie ihren Außenseitern die Momente des Glücks gönnt, in der bunt leuchtenden Nacht, wenn sich alle Sorgen in der rauschhaften Parallelwelt des Jahrmarkts auflösen. Sie legt aber auch schonungslos die Momente frei, wenn die Realität wieder grausam zuschlägt und sich die Sehnsucht nach Freiheit als Illusion erweist.

Vieles bleibt unsagbar und schwebt doch im Raum mit: das hektisch Aufgeregte, die Abwehr des Gefühls, die Drohung der Liebe, Eifersucht, Verrat. Auch wenn sich Marie ihrer Verantwortung bewusst ist, gelingt ihr nicht immer der Spagat zu den eigenen Bedürfnissen. Sie lässt sich auf Wohneinbrüche ein, ein fataler Fehler, und weiß ohnehin, dass Erich nicht mehr lange den Ersatzvater spielen wird, wenn der Jahrmarkt weiterzieht.

Die Bilder beginnen zu fliegen

Das Auge der Kamera von Marvin Schatz, das Marie in den Blick nimmt und kaum loslassen will, schafft immer wieder intime Nahaufnahmen, die unter die Haut gehen. Die Bilder beginnen zu fliegen, wenn die anpeitschende Hintergrundmusik einsetzt. Die Spannungen sind für alle drei so bedrängend, dass Entladungen nicht ausbleiben. Abgesehen von der etwas forciert herbeigeführten dramaturgischen Auflösung gelingt Gold eine sensible Frauenstudie am Rande der Gesellschaft, mit einer Heldin im Zentrum, der man in ihrer Überforderung nicht immer folgen möchte, und doch stets mit ihr bangt – ein Geschenk an die jungen Darsteller, die das Leben sprudeln lassen, auch wenn es nicht wirklich Perspektiven gibt, nur den eigenen unbändigen Eigensinn von Schlafwandlern, die den Tagesmenschen immer einen ekstatischen Schritt voraus sind.

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