Infinite Storm

Drama | Großbritannien/Polen/Australien/USA/Slowenien 2022 | 97 Minuten

Regie: Malgorzata Szumowska

Am Jahrestag des Todes ihrer beiden Töchter bricht eine Frau trotz Unwetterwarnungen zu einer Wanderung in die Berge auf. Als auf ihrer Tour ein Sturm hereinbricht und sie umkehren möchte, trifft sie auf einen offenbar orientierungslosen Mann. Sie hilft ihm und bahnt sich gemeinsam mit ihm den Weg durch den Schneesturm zurück ins Tal. Der Film setzt auf typische Elemente eines Survival-Abenteuers und verbindet dabei den äußeren Weg der Figuren mit einem inneren Drama, bei dem es um die Bewältigung von Trauer geht. Dies sorgt dank der Darsteller und der einfühlsamen Inszenierung für nachhaltigen Eindruck, auch wenn der äußere Überlebenskampf sich recht überraschungsarm in klassischen Genrebahnen bewegt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
INFINITE STORM
Produktionsland
Großbritannien/Polen/Australien/USA/Slowenien
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Maven Screen Media/JamTart Prod./ORKA/dFlights
Regie
Malgorzata Szumowska · Michal Englert
Buch
Joshua Rollins
Kamera
Michal Englert
Musik
Lorne Balfe
Schnitt
Agata Cierniak · Jaroslaw Kaminski
Darsteller
Naomi Watts (Pam) · Billy Howle (John) · Denis O'Hare (Dave) · Parker Sawyers (Patrick) · Eliot Sumner (Will)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Thriller

Ein Drama um eine Frau, die am Todestag ihrer Töchter zu einer Bergtour aufbricht und inmitten eines Schneesturms auf einen anderen Bergwanderer trifft, dem sie beistehen muss.

Diskussion

Dass diese Bergtour mit Schwierigkeiten verbunden sein wird, zeichnet sich früh ab. Im Wetterbericht im Radio wird vor schweren Schneefällen im Tagesverlauf gewarnt, die kommende Nacht soll eine frostige werden. Pam Bales (Naomi Watts) ist dennoch fest entschlossen, an diesem Tag auf den Mount Washington zu wandern. Auch die Sorgen eines Bekannten in einer Hütte am Berg, der es leichtsinnig findet, dass sie die Tour allein unternimmt, teilt sie nur bedingt. Und so packt die Such- und Rettungshelferin schon am frühen Morgen ihre Tasche und macht sich auf den Weg. Die Tatsachen, dass sie auf dem Wanderparkplatz nur zwei weitere Wanderer trifft, die ihr zudem sagen, dass auch sonst niemand in der Gegend unterwegs sei, und dass einer ihrer Wanderstöcke früh zerbricht, lassen Böses für den weiteren Verlauf erahnen. Es dauert nicht lange, bis die ersten dunklen Wolken aufziehen und Pam sich in einem Sturm wiederfindet.

Einsame Wanderung wird zu Rettungsmission

Die vielen düsteren Vorzeichen in den ersten Minuten ebnen den Weg für ein klassisches Survival-Drama um den Kampf Mensch vs. Naturgewalten. Die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska, die den Film zusammen mit ihrem langjährigen Kameramann und Regie-Kollegen Michał Englert inszenierte, und Drehbuchautor Joshua Rollins nehmen sich mit „Infinite Storm“ einer auf wahren Begebenheiten basierenden Geschichte an, festgehalten im Artikel „High Places: Footprints in the Snow Lead to an Emotional Rescue“ von Ty Gagne. Die dort im Titel erwähnten Fußabdrücke im Schnee sorgen dafür, dass aus Pam Bales’ einsamer Wanderung eine Rettungsmission wird. Statt bei stärker werdendem Sturm den Rückweg anzutreten, folgt sie den Spuren und trifft auf einen offenbar orientierungslosen, durchgefrorenen Mann (Billy Howle), der auf einem Stein sitzt. Fest entschlossen, den Mann, den sie John nennt, nicht seinem Schicksal zu überlassen, versucht sie, mit ihm einen Weg zurückzufinden, bevor die Dunkelheit einbricht.

„Infinite Storm“ entfaltet diese Rettungsmission entlang einer genretypischen Dramaturgie ohne besondere Überraschungen: Die beiden Figuren müssen in einem Wettlauf gegen die Zeit an den Rand der Erschöpfung und darüber hinaus gehen, der Schneesturm wird immer stärker, der Weg zur Rettung auch aufgrund von Unachtsamkeiten und daraus resultierenden Verletzungen immer schwieriger. Das Regie-Team setzt dieses Drama um den physischen Überlebenskampf solide, wenn auch ohne inszenatorische Highlights um, verlässt sich auf das Identifikationspotenzial seiner Darsteller und ihrer Mühsal und verzichtet weitgehend auf spektakuläre Action-Szenen.

Zu der äußeren Reise, die die Figuren bewältigen müssen, kommt zudem eine innere: „Infinite Storm“ ist auch ein Film über die Bewältigung von Trauer und Schicksalsschlägen. Dass Pam darauf besteht, trotz der widrigen Witterungsbedingungen an genau diesem Tag auf den Berg zu steigen, hängt mit ihrer Vergangenheit zusammen: Es ist der Jahrestag, an dem ihre beiden Töchter gestorben sind. Dem Bekannten, der sie anfangs in der Hütte auf den angekündigten Sturm aufmerksam macht und vor der Tour warnt, sagt sie, diese sei für sie günstiger als eine Therapiesitzung. Naomi Watts schafft es mit nur wenigen Worten, die Gemütslage ihrer Figur, den Druck ihres Leids und ihren inneren Antrieb für die risikoreiche Wanderung nachvollziehbar darzustellen. Auch John ist zur Bewältigung eines alten Verlusts an diesem Tag auf dem Berg, wie sich im Laufe der Erzählung herausstellt.

Graue Gegenwart, bunte Vergangenheit

Eine große Stärke des Dramas ist die Inszenierung. Wenn die Kamera nicht gerade aus der Vogelperspektive und in Panoramaaufnahmen die weite Berglandschaft in suggestiven Naturbildern einfängt, ist sie häufig nahe an der Protagonistin, was dem Film eine große, sinnlich-physische Direktheit gibt. Untermalt wird das auch vom Sounddesign: Man hört ihren schweren Atem, ihre Schritte im Schnee, ihre Schreie. Verstärkt wird das dadurch, dass das Regie-Team weitestgehend auf eine musikalische Untermalung verzichtet. Nur Naturgeräusche wie der peitschende Wind und das dichte Schneetreiben sind noch zu hören. Man ist als Zuschauer mittendrin in der bedrohlichen Situation.

Die Szenen im Schnee heben sich zudem stilistisch von den Erinnerungen der Protagonistin deutlich ab. In den kurzen Szenen, die Pam mit ihren beiden Töchtern in der Vergangenheit zeigen, ist Musik zu hören; die Bilder, in denen die drei zusammen spielen, sind in bunten, etwas verblassten Farben gehalten und wirken im Gegensatz zu den weißen und grauen Farben in der verschneiten Berglandschaft wie Wärme-Pole. Es sind Erinnerungen an deutlich bessere Zeiten. Besonders groß wird dieser Kontrast, als Pam und John anfangen, ein Lied zu singen, die Szene in eine Erinnerung von Pam überblendet und ihr Gesang vom Original-Song abgelöst wird. Keine Minute dauert das, doch manchmal braucht es nicht mehr, um das Drama einer Figur eindrucksvoll zu vermitteln. Und so bleibt die emotionale Reise der Figuren dank der stilistischen Mittel und des Spiels der Darsteller letztlich mehr im Gedächtnis als die äußere Survival-Geschichte.

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