Abenteuer | USA/Japan/Südafrika/Großbritannien 2023 | 452 (acht Folgen) Minuten

Regie: Marc Jobst

Ein mit übermenschlichen Kräften ausgestatteter Junge träumt davon, König der Piraten zu werden, und setzt als Heranwachsender tatsächlich die Segel. Bei seinen Abenteuern trifft er neue Freunde, aber auch Feinde. Die Realfilm-Adaption einer Manga-Serie von Eiichiro Oda findet die Balance zwischen dem riesigen, seit zweieinhalb Jahrzehnten entfalteten Anime-Kosmos und neuen Elementen. Trotz eines etwas gehetzt wirkenden Erzähltempos erhalten die meisten Hauptfiguren genügend Zeit, um sich zu entfalten. Die jungen Darsteller erwiesen sich als charismatische Idealbesetzung und trösten über manche gestalterische Ungereimtheit hinweg. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
ONE PIECE
Produktionsland
USA/Japan/Südafrika/Großbritannien
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Tomorrow Studios/Netflix/Shueisha
Regie
Marc Jobst · Tim Southam · Emma Sullivan · Josef Kubota Wladyka
Buch
Tom Hyndman · Steven Maeda · Matt Owens
Kamera
Trevor Michael Brown · Michael Swan · Nicole Hirsch Whitaker · Michael Wood
Schnitt
Eric Litman · Tessa Verfuss · Kevin D. Ross · Tirsa Hackshaw · Marie Lee
Darsteller
Iñaki Godoy (Monkey D. Ruffy) · Mackenyu (Lorenor Zoro) · Emily Rudd (Nami) · Jacob Romero Gibson (Lysop) · Taz Skylar (Sanji)
Länge
452 (acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Abenteuer | Fantasy | Komödie | Serie

Realverfilmung einer Manga-Serie von Eiichiro Oda um einen Jungen, der König der Piraten werden will und mit dem Schiff Flying Merry zu abenteuerlichen Fahrten aufbricht.

Diskussion

Reichtum, Macht und Ruhm: all das erkämpfte sich Gold Roger, der König der Piraten. Mit diesen Worten aus dem Intro der Anime-Serie „One Piece“ von Eiichiro Oda begann Ende der 1990er-Jahre ein regelrechter Piratenhype. Über 100 Manga-Bände mit weltweit mehr als 500 Millionen verkauften Exemplaren, über 1000 Anime-Episoden sowie 15 Kinofilme zementieren den Ruf von „One Piece“ als erfolgreichstes „Shonen“-Franchise aller Zeiten, das sich primär an ein jugendlich-männliches Publikum richtet.

Bisher galt „One Piece“ aufgrund seiner überdrehten Fantasy-Elemente sowie der komplizierten Erzählstruktur als unverfilmbar. Andere Manga-Adaptionen wie „Dragonball Evolution“ oder „Cowboy Bebop“ haben zudem deutlich gemacht, dass eine vernünftige Übertragung in den Realfilm mehr als nur einen coolen Look braucht, um beim Publikum gut anzukommen. Die US-Serienentwickler Steven Maeda und Matt Owens haben deshalb gut daran getan, sich mehrere Jahre lang einer Adaption von „One Piece“ zu widmen.

Das Risiko einer westlichen Manga-Adaption

Der kleine Junge Monkey D. Ruffy verbringt schon sein ganzes Leben mit Piraten, die sein Dorf besuchen. Er verehrt den Piratenkapitän Shanks und seine Bande, was ihn in seinem Wunsch bestärkt, selbst irgendwann aufs Meer zu fahren und mit einer eigenen Crew Abenteuer zu erleben. Als er viele Jahre später endlich aufbricht, offenbart das Meer aber seine grausamen Wahrheiten: Plünderung, Betrug und Mord sind das, was die meisten Piraten umtreibt. Dem weiß Ruffy jedoch seine übermenschlichen Fähigkeiten entgegenzusetzen, durch die er seinen Körper wie Gummi dehnen kann, sowie seinen Traum, irgendwann König der Piraten zu werden.

Im Gegensatz zu einer reinen Romanvorlage existieren zu „One Piece“ bereits eindeutige Bilder, wie die Figuren und ihre Welt aussehen. Das stellt Anime-Adaptionen immer wieder vor die schwierige Aufgabe, so eng wie möglich am Original zu bleiben und sich dennoch künstlerische Freiheiten herauszunehmen. Bei „One Piece“ war es jedoch der als perfektionistisch geltenden Schöpfer Eiichiro Oda selbst, der großes Interesse an einer Adaption des Urstoffes zeigte und seit 2017 auch daran arbeitete. So kreuzten sich die Wege mit Steven Maeda und Matt Owens, und Netflix bot sich für die Produktion an.

Die Serienentwicklung unterlag strenger Geheimhaltung. Erst im November 2021 veröffentlichten die Macher erste Informationen auf Twitter, darunter die Besetzung der Hauptfiguren um Monkey D. Ruffy und seine Strohhutbande; ein erster Teaser folgte aber erst im Juli 2023. In einem Brief an die Fans verkündete Oda seine Vorfreude auf das Projekt, präsentierte sich aber auch als strenger Aufseher, der den Produzenten auf die Finger schauen wollte.

Vorlagengetreu mit erfrischenden Ideen

Die enge Zusammenarbeit mit Oda offenbart sich in den ersten acht Episoden als richtige Entscheidung. Die Angst, dass die Geschichte einfach eins zu eins mit menschlichen Darstellern umgesetzt würde, verfliegt schon in der ersten Episode, in der Ruffys Beziehung zu seinem Kindheitsidol Shanks gezeigt wird. Die Kostüme, die Dialoge und die Welt entsprechen ganz und gar Odas Wünschen, obwohl es Steven Maeda und Matt Owens dennoch gelungen ist, ihre eigenen Ideen auszugestalten. Insbesondere die Welt, in der sich Ruffy bewegt, wirkt von bekannten Piraten-Topoi wie etwa der „Fluch der Karibik“-Reihe inspiriert. Design und Figurenzeichnung aber schlagen den passenden Bogen zur Vorlage.

Zwar merkt man der Serie an, dass sie unter strengen Corona-Bedingungen entstanden ist, etwa an den häufig digital überlagerten Hintergründen oder merkwürdig verwaisten Sets; doch die Setdesigner haben sich bei den Dorfkulissen und den Schiffsnachbauten selbst übertroffen. Die reale Flying Merry, das erste Schiff von Ruffys Bande, wirkt trotz eines alternativen Designs zutiefst vertraut und weiß mit verspieltem Detailreichtum zu verzaubern.

Die Jungdarsteller sind das Herz der Serie

Das Herz der Serie schlägt jedoch in den Figuren und ihren Geschichten. Fast jedes Mitglied der Mannschaft wird plastisch charakterisiert und seine Beweggründe für die romantisierte Piraterie nachvollziehbar skizziert. So wächst Ruffys Bande nach dem unfreiwilligen Bündnis mit der Diebin Nami sowie dem Kopfgeldjäger Zorro immer stärker zusammen. Die abweisende Haltung von Nami und Zorro gegenüber Ruffys ambitionierten Plänen wandelt sich so bald in Zuneigung. Denn Ruffy hält seine Bande und die Welt um sich herum zusammen. Der junge Darsteller Iñaki Godoy erweist sich als Idealbesetzung und verkörpert die naive Tollkühnheit des Helden mit großer Nahbarkeit, gepaart mit einem humorvollen Heißhunger sowie die kindliche Sehnsucht nach Abenteuer und Kameradschaft.

Aber auch Emily Rudd als Navigatorin Nami, Mackenyu als Schwertkämpfer Zorro, Jacob Romero Gibson als Lügenbaron Lysop und Taz Skylar als Smutje Sanji schaffen es, Höhen und Tiefen ihrer Freundschaft empathisch auszuspielen. Eine besondere Rolle kommt dabei Emily Rudd zu, da Namis Geschichte als Grundgerüst für die erste Staffel dient, und ihre Figur den größten Wandel durchleben muss.

Die gegenüber dem Manga abgeänderte Erzählweise setzt auf einen interessanten Perspektivwechsel, da sich der schüchterne Corby (Morgan Davies), der als Sklave auf einem Schiff schuftete, mit Ruffy anfreundet. Irgendwann stehen sich Corby als Marinekadett und Ruffy als Piratenkapitän an einem Scheideweg gegenüber; im Inneren sind sie aber durch gemeinsame Erlebnisse eng verbunden.

Als heimlicher Star entpuppt sich Jeff Ward als Piratenclown Buggy, dessen Wahnsinn und Besessenheit düster-skurrile Töne anschlägt. Die Verbindung mit Buggys Anime-Synchronsprecher Gudo Hoegel verstärkt für Fans die Identifikation mit ihm und den anderen Figuren, die größtenteils auch von ihren deutschen Anime-Stimmpendants gesprochen werden.

Optisch wie erzählerisch ist Luft nach oben

Negativ stechen bei „One Piece“ zwei Dinge hervor. Trotz eines Rekordbudgets von knapp 17 Millionen US-Dollar pro Episode und einem bestechenden Setdesign wirkt das Erscheinungsbild der Serie allzu schwankend. Der Verzicht auf CGI, durch den etwa die Fischmenschen um den Bösewicht Arlong komplett mit Gesichtsprothesen gestaltet sind, verleiht dramaturgischen Höhepunkten wie etwa dem finalen Kampf zwischen der Strohhutbande und den Arlong-Piraten einen unfreiwillig komischen Schein. Die Produzenten setzen zwar auf realistische Physis anstatt aufgepumpter Manga-Muskelberge, doch die Bösewichte vermögen vor lauter Make-Up ihre Bedrohlichkeit kaum auszuspielen. Außerdem merkt man der ersten Staffel eine gewisse Gehetztheit an. Jede Folge verfügt zwar über eine gute Stunde Laufzeit, doch manche Verkürzung, etwa bei Smutje Sanji, wirkt abrupt und übereilt.

An solchen Stellen schimmert der Druck durch, mit der ersten Staffel vor allem eine unterhaltsame, actiongeladene und kurzweilige Adaption schaffen zu wollen, um sowohl Neueinsteiger als auch die Kenner der Anime-Serie zufriedenzustellen. Die Macher beweisen eindrucksvoll, dass sie die Vorlage ernst nehmen und mit viel Herzblut und einer Ehrfurcht zu Werke gegangen sind. Es gibt Grund zur Hoffnung, dass die Abenteuer von Monkey D. Ruffy weitererzählt werden. Dann bleibt hoffentlich mehr Zeit, um der spannenden Welt von „One Piece“ sowie den Figuren mehr Raum zum Atmen zu geben.

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