Diamante - Fußballgott

Mockumentary | Deutschland/Österreich 2022 | 99 Minuten

Regie: Georg Nonnenmacher

In den 1970er-Jahren galt Rudi Varda in der BRD als eines der größten Talente des Fußballs, schaffte es durch seine Disziplinlosigkeit aber nie in die Erste Liga, wechselte ins Ausland und verschwand, bis Gerüchte auftauchten, bei einem brasilianischen Superstar handele es sich um ihn. Die fiktive Geschichte eines bewegten Fußballer-Lebens wird durch eine Fülle authentischer, clever montierter Archivbilder und die Kommentare realer Prominenter zur originellen Mockumentary. Hinzu kommt die Suche von Vardas Bruder nach dem Verschollenen, die dem Film trotz der unverblümten Fiktion anrührende Momente beschert. - Ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Österreich
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Corsofilm/Amour Fou Vienna/WDR/arte/HiHead Film
Regie
Georg Nonnenmacher · Ingo Haeb · Karin Berghammer
Buch
Georg Nonnenmacher · Ingo Haeb · Ines Häufler
Kamera
Olaf Hirschberg · Laura Hansen · Georg Nonnenmacher
Musik
Mariano Galussio
Schnitt
Oliver Held
Darsteller
Gerd Dahlheimer (Ferdi Varga)
Länge
99 Minuten
Kinostart
19.10.2023
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Mockumentary | Sportfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Eine Mockumentary über die Spurensuche nach einem vergessenen deutschen Fußballtalent, das in Brasilien zum Star geworden sein soll.

Diskussion

Wer sich in den 1970er-Jahren in der BRD für Fußball interessierte, dem war der Name Rudi Varda natürlich ein Begriff. Der Junge mit ungarischen Wurzeln kickte als Jugendlicher für den pfälzischen Provinzclub FV Rübenach, doch bald schon wurden die Scouts von Profivereinen auf den Stürmer aufmerksam. Vor allem seine Technik, Dynamik und Torgefährlichkeit beeindruckten. So nahm seine Karriere ihren Lauf, führte ihn zunächst zu Fortuna Köln, später zu Bayer 04 Leverkusen und den Stuttgarter Kickers. „Rudi war eine Rakete“, erinnert sich sein ehemaliger Mitspieler Guido Buchwald.

Doch trotz all seiner überragenden Fähigkeiten schaffte es Varda nie in die Erste Bundesliga. Der Ballzauberer agierte auf dem Platz oft zu eigensinnig, weigerte sich hartnäckig, Defensivarbeiten zu verrichten und tanzte auch sonst mit allerlei Disziplinlosigkeiten aus der Reihe. Irgendwann wechselte der in Deutschland zunehmend frustrierte Kicker dann zu Austria Wien nach Österreich, wo er durch seine Beziehung zu einer erfolgreichen Leistungsschwimmerin auch häufiger in den Klatschspalten auftauchte. Dann verlor sich 1982 plötzlich die Spur des Fußballers, bis Gerüchte auftauchten, hinter dem Künstlernamen des brasilianischen Superstars Diamante verberge sich niemand anders als Rudi Varda aus Rübenach.

Alles erfunden außer Rübenach

Den Ort in der Nähe von Koblenz gibt es wirklich, aber sonst ist an dem Dokumentarfilm, in dem sich Ferdi Varda auf die Suche nach seinem jüngeren Bruder macht, alles frei erfunden. Das Genre Mockumentary wird von deutschen Filmemachern trotz prägnanter Beispiele wie „Fraktus“ oder „Olaf Jagger“ eher selten benutzt, regelmäßig bedient wird es vor allem in Fernsehformaten des Komikers Olli Dittrich, der darin pseudo-authentische Figuren wie einen deutschen Bruder von Donald Trump oder den Doppelgänger von Franz Beckenbauer verkörpert.

Neben einer originellen Idee kommt es bei solchen Formaten sehr oft auf den Umgang mit existierendem dokumentarischem Material an. Und diesbezüglich legen Georg Nonnenmacher, Ingo Haeb und Karin Berghammer als Macher von „Diamante“ auch bei der von Oliver Held verantworteten Montage eine bewundernswerte Virtuosität an den Tag. Es gibt Schwarz-weiß-Bilder vom ärmlichen Landleben in den 1950er-Jahren, zahlreiche Archivmitschnitte von Fußballspielen in großen Stadien, in denen der angebliche Rudi natürlich vornehmlich in Totalen zu sehen ist, und ein paar echte Schmankerl. Etwa wenn Varda in der „Sportschau“ die Medaille für sein „Tor des Monats“ verliehen werden soll, er aber nicht auftaucht und vom Moderator auch telefonisch nicht zu erreichen ist. Bemerkenswert ist zudem, wie viele echte Prominente aus dem Dunstkreis der Fußballgeschichte bei diesem Spaß mitwirken und sich über den Kicker äußern. Die Liste reicht von Rudi Gutendorf über Reiner Calmund, Erich Ribbeck und Hans Meyer bis zu den Österreichern Toni Polster und Herbert Prohaska.

Ein herzensguter Kerl auf Brudersuche

Dazu kommt noch die durchaus bewegende Geschichte um Ferdi Varda, wunderbar verkörpert von Schauspieler Gerd Dahlheimer, der sich zunächst in Europa und schließlich in Brasilien auf die Suche nach seinem Bruder begibt, zu dem er über Jahre keinen Kontakt hatte. Ferdi ist ein herzensguter Kerl von eher schlichtem Gemüt, der beim FV Rübenach den Platzwart macht und im Vereinsheim das Bier zapft. Wenn die Vereins-Oberen gegen Ende des Films Kunstrasen verlegen lassen, auf dem es keine Linien mehr zu ziehen gibt, und die schlichte Kneipe zum Bistro umwandeln wollen, hat man wirklich Mitleid mit dem armen Tropf. Ebenso freut man sich mit ihm, wenn er entdeckt, dass man in Brasilen sogar ein Rasierwasser nach Rudi benannt hat. Und selbst wenn man weiß, dass die ganze Geschichte ein Fake ist, fiebert man am Ende wirklich mit, ob es Ferdi gelingen wird, seinen kleinen Bruder zu finden.

Das ist für eine Mockumentary ein Volltreffer. Auch wenn es natürlich hilfreich ist, sich mit dem deutschen Fußball und seinen Figuren ein wenig auszukennen, bietet der Film auch beste Unterhaltung für Menschen, die nicht mal wissen, dass der Ball rund ist.

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