Die unendliche Erinnerung

Dokumentarfilm | Chile 2023 | 85 Minuten

Regie: Maite Alberdi

Der chilenische Journalist Augusto Góngora und die Schauspielerin Paulina Urrutia sind seit mehr als zwanzig Jahren ein Paar. Als bei ihm Alzheimer diagnostiziert wird, beginnt seine Frau damit, alltägliche Momente ihres Zusammenlebens auf Video aufzuzeichnen. Aus diesen intimen Einblicken der privaten Aufnahmen und alten Fernsehbildern resultiert ein zärtlicher, bewegender Dokumentarfilm. Góngoras Arbeit gegen das Vergessen der Pinochet-Ära findet in der täglichen Erinnerungsarbeit des Paares ein Echo. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LA MEMORIA INFINITA
Produktionsland
Chile
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Fabula/Micromundo/Chicken and Egg/Inmaat/UTA
Regie
Maite Alberdi
Buch
Maite Alberdi
Kamera
Pablo Valdés
Musik
Jose Miguel Tobar · Miguel Miranda
Schnitt
Carolina Siraqyan
Länge
85 Minuten
Kinostart
28.12.2023
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
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Doku über den Kampf eines chilenischen Ehepaars gegen die Alzheimer-Erkrankung des Mannes, in dem sich das Ringen um die Erinnerung an die Pinochet-Ära spiegelt.

Diskussion

Der chilenische Journalist Augusto Góngora hat viele Jahre seines Lebens der Rekonstruktion und Bewahrung der Erinnerung gewidmet und gegen das Vergessen angekämpft. „Ohne Erinnerung wandern wir richtungslos umher, ohne zu wissen, wohin“, heißt es in „Chile. La memoria prohibida“ (Die verbotene Erinnerung), einem 2010 veröffentlichten Sammelband über die Pinochet-Ära, an dem Góngora als Mitautor beteiligt war. Doch inzwischen gibt es Tage, und diese werden mehr, an denen ihm seine eigene Erinnerung entgleitet und er sich nach dem Aufwachen erneut mit sich und seiner langjährigen Lebensgefährtin Paulina bekannt machen muss.

Am Anfang des Films besitzt dieser rituelle Wiedererkennungsakt fast etwas Heiteres, Spielerisches. Augusto freut sich, wenn er in der liebevollen Frau an seiner Seite Paulina erkennt und allmählich in seine Identität hineinfindet. Und sie wird nicht müde, ihn geduldig nach Namen und Zusammenhängen zu befragen und ihm die einzelnen Teile seines in andere Sphären entschwundenen Lebens immer wieder vorzutragen.

Kein Protokoll, sondern ein Liebesfilm

„Die unendliche Erinnerung“ ist kein Krankheitsprotokoll. Arztbesuche, Gespräche über Medikation, Prognosen oder Behandlungsmethoden kommen darin nicht vor; es vergeht einige Zeit, bis der Begriff „Alzheimer“ überhaupt das erste Mal fällt. Die Regisseurin Maite Alberdi legt ihr Augenmerk ganz auf die Beziehung der beiden; ihr Film ist ausdrücklich als Liebesgeschichte konzipiert. Augusto und Paulina sind seit über zwanzig Jahren ein Paar; sie haben zusammen ein Haus mit Blick auf die Berge gebaut, sind gereist, haben geheiratet. Nachdem 2014 bei ihrem Mann Alzheimer diagnostiziert wurde, begann Paulina damit, alltägliche Momente auf Video aufzuzeichnen. Diese intimen Home Movies, deren technische Fehler vor Voyeurismus bewahren – ganze Szenen sind unscharf –, stehen neben Passagen, in denen Alberdi das Paar begleitet, und Bildern aus den Archiven.

Der Journalist und die Schauspielerin sind Personen des öffentlichen Lebens. Augusto, der in den letzten Jahren der chilenischen Militärdiktatur bei der illegalen Nachrichtensendung „Teleanálisis“ arbeitete und Angehörigen der Ermordeten eine Stimme gab, hat über Verbrechen, Streiks und die ökonomischen Folgen der Militärjunta berichtet und war als Chronist der Pinochet-Zeit ein gefragter Gesprächspartner. Paulina bekleidete zeitweilig das Amt der Kulturministerin; im Film sieht man sie gelegentlich auch bei Proben und Aufführungen eines Theaterstücks.

Die Erinnerungen des Körpers

Das Zentrum ist jedoch die häusliche Sphäre als ein friedlicher Kampfplatz gegen das Vergessen. Das ist unser Zimmer, das ist unser Haus, wir sind verheiratet, deine Kinder heißen Cristóbal und Javiera, du hast zwei Geschwister, du bist Journalist. Paulina zeigt ihrem Mann Fotos und Videoaufnahmen, liest ihm vor. Aber fast noch wichtiger sind die ständigen Berührungen, das Streicheln, die Umarmungen, das An-der-Hand-nehmen und Führen.

Die Körpererinnerungen sind substanziell, sie sind vor dem Vergessen besser geschützt als Namen und Bilder. In Momenten, die für beide schmerzhaft und erschütternd, und auch zum Zusehen nicht einfach sind, schwinden auch diese. Dann erkennt der völlig verängstigte Augusto weder seine Umgebung noch die Frau, die beruhigend auf ihn einredet; bis zur Erschöpfung irrt er im Haus umher und steht hilferufend am Fenster. Oder er verzweifelt, weil man ihm vermeintlich seine geliebten Bücher wegnehmen möchte.

Ein Raum für das Erinnern

Alberdis Blick auf Augusto und seine Frau, die sich ständig gegenseitig ihre Liebe versichern, ist eine Spur idealisierend und wird durch die Musikuntermalung überdies emotionalisiert. So sieht man Paulina nie ungeduldig, gereizt oder überfordert. Der Regisseurin geht es allerdings auch weniger darum, den Alltag dieses einander zugewandten Paares in all seinen Facetten einzufangen; sie will vielmehr der unermüdlichen Erinnerungsarbeit Raum zu geben. Diese erweist sich als ein kollektiver wie kommunikativer Prozess.

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