Der Schutzengel (2022)

Krimi | Österreich/Deutschland 2022 | 90 Minuten

Regie: Götz Spielmann

Als in einem Badeteich im österreichischen Waldviertel die Leiche einer 60-jährigen Frau gefunden wird, die gewaltsam ums Leben gekommen ist, stoßen die Ermittler schnell auf mehrere Verdächtige und Motive wie Familienstreitereien, Lebenslügen und Habgier. Auch ein Ereignis aus der Vergangenheit spielt eine immer wichtigere Rolle. Der handwerklich und schauspielerisch überzeugende Film aus der „Landkrimi“-Reihe entfaltet mit leiser Spannung und enormer Intensität ein prägnantes Drama, das um die Männerfiguren kreist und im geschickten Wechsel der Zeitebenen aus der Spannung von Tradition und Moderne viel Kapital schlägt. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
DER SCHUTZENGEL
Produktionsland
Österreich/Deutschland
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Superfilm/ORF/ZDF
Regie
Götz Spielmann
Buch
Götz Spielmann
Kamera
André Mayerhofer
Musik
Kyrre Kvam
Schnitt
Karina Ressler
Darsteller
Fritz Karl (Oberinspektor Paul Werner) · Michael Steinocher (Martin Wagner) · Oliver Rosskopf (Robert Hofstätter) · Michael Rotschopf (Dr. Hanno Lanner) · Nicole Heesters (Charlotte Lanner)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Krimi
Externe Links
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In der „Landkrimi-Reihe“ fördert der Tod einer älteren Bediensteten im österreichischen Waldviertel dunkle Geheimnisse zu Tage.

Diskussion

„Gott ist tot.“ – „Ah …“ – „Das Zitat geht aber weiter: ‚Wir alle sind seine Mörder.‘“ Wenn es allein nach solchen bedeutungsschwangeren Kurzdialogen ginge, müsste man dem Landkrimi „Der Schutzengel“ von Götz Spielmann eine allzu selbstbewusste Aufgeblasenheit attestieren und ihn als ästhetisches Ganzes womöglich gar verwerfen. Zum Glück überzeugt der Film jedoch durchgehend als Genrebeitrag, mit handfesten Figuren, die gut verkörpert werden und über genügend Fallhöhe verfügen, sowie auch handwerklich durch die Entfaltung und Lösung des kriminalistischen Falls.

Ein wahrhaftes Schloss mittendrin

Beim niederösterreichischen Schauplatz im sogenannten Waldviertel handelt es sich dabei um eine alte, geschlossen ländliche Kulturlandschaft zwischen Wald und Feld, geprägt von Ackerbau und Viehzucht, aber mit einem wahrhaftigen Schloss mittendrin, das auch von allen stets so genannt wird. Die Szenerie gemahnt streckenweise an Landschaftsschilderungen von Adalbert Stifter. An manchen Orten scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Andererseits ist Wien nur anderthalb Autostunden entfernt. Und wie schon Sherlock Holmes bei einer Fahrt aufs Land treffend anmerkte, lauern unter den traulichsten Dächern häufiger als anderswo Niedertracht und namenloses Grauen.

Man darf sich die Waldviertler aber nicht alle als Hinterwäldler vorstellen. Vielmehr begegnet man hart arbeitenden Realisten des Ökolandbaus (Oliver Rosskopf als Robert Hofstätter), kultivierten Lesern und Rittern der modernen Work-Life-Balance (Michael Rotschopf als Schlossherr Hanno Lanner), einem großstadterfahrenen Rückkehrer in den lokalen Polizeidienst (Michael Steinocher als Martin Wagner), aber auch scheinbar altfeudalen Dienstverhältnissen von (Schloss-)Herrin (Nicole Heesters als Mutter Lanner) und Kammerzofe (Susi Stach als Tante Fanny Hofstätter). Es ist also eher das geschickt ausgehaltene Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne, das den Charakter vieler Szenen und Einstellungen, aber auch die Handlung und manche Motive der Figuren bestimmt.

Auf der Suche nach dem roten Faden

Für Wagner, den immer noch jung wirkenden Beamten, ist es nach zwölf Jahren in Wien der erste Arbeitstag in seiner alten Heimat, an dem ausgerechnet die als unbescholten geltende Landfrau Fanny Hofstätter im Badeteich tot aufgefunden wird. Wagner macht sich mit Ernsthaftigkeit, aber auch im Gefühl einer unbestimmten Bedrohlichkeit an die Ermittlungen; denn vor Jahr und Tag ist seine damalige Freundin Mona in der Nähe unter rätselhaften Umständen verschwunden.

Was zunächst wie ein Badeunfall aussieht, entpuppt sich bald als Tötungsdelikt. Ab hier übernimmt Oberinspektor Paul Werner (Fritz Karl) den Fall. Mit seiner kultiviert-ruhigen, hellwachen Art stößt er bald auf alte Geschichten, dunkle Geheimnisse und familiäres wie finanzielles Ungemach. Ein ganzer Haufen glasklarer Motive für dieses und andere, ältere Verbrechen. Seine Schwierigkeit besteht darin, aus dem Knäuel des motivischen Überangebots den roten Faden herauszuwirren.

Was hat es zum Beispiel mit dem biederen Bauern Hofstätter in seiner riesigen, kostspielig-modernen Melkfabrik auf sich, der mit einem kolossalen Wutausbruch auf die Nachricht vom Tod seiner Tante reagiert? Und warum trägt er ein Amulett in Form eines Schutzengels um den Hals, das demjenigen von Mona täuschend ähnlich sieht? Sollte Wagner hier auch der Lösung seines ganz persönlichen (Lebens-)Falls auf die Spur kommen?

Schlossherr Lanner hingegen, eigentlich in Wien viel beschäftigt, hält gerade besonders häufig Hof in seinem Anwesen; es muss nun ja verkauft werden; seine alte Mutter wird ohne Betreuung durch die tote Fanny nach Wien in eine Wohnung übersiedeln. In seiner an Dirk Bogarde erinnernden Geschmeidigkeit und Nonchalance, eine Braue leicht erhoben, Kette rauchend, dazu noch Nietzsche zitierend, macht Lanner sich hochgradig verdächtig und liefert sich mit Werner ein Katz-und-Maus-Spiel auf hohem Niveau, das auch als Duell der beiden hervorragend disponierten Darsteller ein Genuss ist.

Ohne Nietzsche wäre es auch gegangen

Auch inszenatorisch überzeugt der dritte Film der österreichischen Landkrimi-Reihe so sehr, dass man sich ein Spin-off des Teams Wagner/Werner sehr wohl vorstellen kann. Unaufgeregt, mit moderaten und stets motivierten Rückblenden erzählt und an den passenden Stellen mit klassischer Musik (Bachs Cellosuiten) unterlegt, entfaltet „Der Schutzengel“ einen stimmigen Fall um Familienbande, Lebenslügen und schnöde Habgier, dem es sogar gelingt, gesellschaftliche Trendthemen wie Naturschutz und Ökolandbau unaufdringlich zu integrieren. Die philosophische Überhöhung durch den kleinen Exkurs zu Nietzsche und dem modernen Menschen, dem nach eigenen Regeln alles erlaubt sei, hätte das Drehbuch nicht nötig gehabt; zum schlüssigen Ende hin tritt ohnehin der Ermittler als Erklärer und Sinnstifter auf den Plan.

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