Tragikomödie | USA 2023 | 100 Minuten

Regie: Daniel Levy

Auf dem Höhepunkt seines Ruhms stirbt ein Londoner Schriftsteller bei einem Unfall am Weihnachtsabend. Es vergehen Monate, bis sein trauernder Ehemann, ein Kunstmaler in der Schaffenskrise, vom Doppelleben seines vermeintlich unfehlbaren Partners mit einem Geliebten und einem Apartment in Paris erfährt. Ein Jahr nach dem Todesfall bricht dieser mit einem Freund und einer Freundin nach Paris auf, wo ihm diverse Begegnungen neue Impulse geben. Eine Tragikomödie um Krise und Neubeginn eines Künstlers, die mit Figuren überfrachtet ist und mit kaum glaubhaften und platten Wendungen dem Thema der Trauerarbeit nur bedingt gerecht wird. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
GOOD GRIEF
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Not a Real Prod. Comp./Sister
Regie
Daniel Levy
Buch
Daniel Levy
Kamera
Ole Bratt Birkeland
Musik
Rob Simonsen
Schnitt
Jonathan Corn
Darsteller
Daniel Levy (Marc) · Ruth Negga (Sophie) · Himesh Patel (Thomas) · Luke Evans (Oliver) · Celia Imrie (Imelda)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Tragikomödie
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Tragikomödie um einen Künstler, der nach einem schweren Schicksalsschlag mit einem Freund und einer Freundin wieder Boden unter die Füße zu bekommen versucht.

Diskussion

Fröhliche Weihnachten im Heim von Oliver und Marc. Die Eheleute feiern in ihrer schicken Londoner Wohnung mit Freunden, die Stimmung ist prächtig, ein extra für die Party komponiertes Weihnachtslied wird angestimmt. Alles wirkt eine Spur zu schön, um wahr zu sein. Marc, die Hauptfigur von „Good Grief“ – gespielt vom kanadischen Schauspieler und Autor Daniel Levy, der hier seinen ersten Spielfilm inszeniert hat und auch das Drehbuch schrieb – plaudert anfangs mit seinem guten Freund Thomas (Himesh Patel), dessen Lover, ein Galerist, Thomas mit einem Künstler betrügt – im Rahmen einer Reihe angeblicher Videoperformances! Die Frage von Sinn und Blödsinn von Kunst bildet einen Nebenstrang in „Good Grief“, wobei der Film sich mit allerlei Stereotypen über zeitgenössische und klassische Kunst begnügt.

Marc selbst steckt als Porträtmaler in einer Schaffenskrise und hat sich auf die Illustration der Romanreihe seines Gatten Oliver verlegt, deren Fortsetzungen regelmäßig verfilmt werden. Kurzum, der blendend aussehende Oliver (Luke Evans) muss ein Traummann sein. Und so ist des betrogenen Thomas’ Stoßseufzer, er wünsche sich so einen aufrechten Kerl wie Oliver, ebenso nachzuvollziehen wie die Schwärmerei von Marcs Busenfreundin Sophie (Ruth Negga), die halb scherzhaft behauptet, so einen wie Oliver hätte Marc ja gar nicht verdient. Niemand ahnt, dass Oliver ein Doppelleben mit einem Liebhaber in Paris führt. Es dauert, bis die Affäre auffliegt. Zunächst wird Marc durch Olivers Tod am Weihnachtsabend erschüttert. Denn während die Party weitergeht, bricht der Schriftsteller zu einer Lesung in Paris auf. Noch in Sichtweite der Wohnung verunglückt Olivers Taxi.

Daniel Levy wurde durch die TV-Serie „Schitt’s Creek“ berühmt, die zwischen 2015 und 2020 in sechs Staffeln produziert wurde. In der von Levy gemeinsam mit seinem Vater Eugene kreierten Saga muss eine luxusverwöhnte Familie nach einer jähen Pleite in einem Durchschnittskaff namens Schitt’s Creek (sic) weit unter früherem Niveau Wurzeln schlagen. Eugene und Daniel Levy spielen in der Comedy-Serie die Hauptrollen: Vater und Sohn, wie im wahren Leben. Was die Rolle des David Rose aus dem satirisch überspitzten „Schitt’s Creek“ mit Marc verbindet, sind die Queerness und der Schicksalsschlag, der beide Figuren zu einer Neuorientierung zwingt. Als Film über die Trauer nach dem Verlust eines geliebten Menschen schlägt Levys von Netflix produzierter Erstling aber einen anderen, melancholisch gestimmten Ton an. Nach der quirligen, von dem Unfall beendeten Party sehen wir Marc paralysiert im Bett liegen, gefühlt minutenlang an die Wand starrend. Der Titel greift übrigens den Standardsatz von Charles M. Schulz’ Cartoonfigur Charlie Brown auf. Während sich „Grief“ mit „Trauer“ übersetzen lässt, ist der Spruch „Good Grief“ gleichbedeutend mit „Ach, du meine Güte“.

Ein schweres Thema auf die leichte Schulter genommen

Sichtlich bemüht sich Levy, ein schwermütiges Thema auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Stimmung des Films hellt sich nach der obligatorischen Beerdigungsszene wieder auf, wobei sich das Skript unverständlich lange mit dem Verblichenen beschäftigt – so sind gleich zwei Trauerreden an Oliver zu hören. Demgegenüber bleibt Marc eine eher passive Figur, was sich an ihrem Status als Protagonist irritierend reibt. Eine lange Leitung könnte man ihm ebenfalls attestieren. Ein ganzes Jahr (!) lässt der Witwer einen Brief ungeöffnet liegen, in dem Oliver seinem Ehemann die Liebe zu einem Anderen gesteht. Diesen Wendepunkt inszeniert Levy erstaunlich beiläufig.

Ohnehin lässt der Regisseur und Drehbuchautor seine Geschichte dramaturgisch und von der Figurenzeichnung her ziemlich schleifen. Marcs partielle Arbeitsblockade, ausgelöst vom Verlust seiner Mutter, wird nur im Dialog verhandelt. Weder er noch eine andere Figur schlägt sich mit beruflichen, Geld- oder sonstigen Alltagsproblemen herum. Sämtliche Nebenfiguren sind freundschaftlich mit Marc verbunden und gehen vorbildlich behutsam mit dem Trauernden um. Das allgemeine Maß an gegenseitiger Empathie ist ebenso unerträglich wie die Weigerung, länger als drei Filmminuten die Komfortzone zu verlassen und von echtem Schmerz und wahrem Leben zu erzählen.

Auf nach Paris!

Als Marc in Begleitung von Thomas und Sophie an die Seine aufbricht, um ein paar Tage in dem unverhofft geerbten Apartment zu verbringen und das Pariser Nachtleben zu genießen, nimmt die Geschichte keineswegs an Fahrt auf. Weil Freund und Freundin – Himesh Patel hält sich wohltuend zurück, die lebendige Ruth Negga spielt über die Skizzenhaftigkeit ihrer Figur munter hinweg – sich in ihrer Funktion von Stichwortgebern und Assistenzfiguren erschöpfen, bleibt der Eindruck eines blassen Trios. Wie um diese Schwäche auszugleichen, lässt Levy im Apartment noch Olivers heimlichen Lover Luca (Mehdi Baki) auftauchen, leider eine gänzlich uninteressante Figur. Und auch der Auftritt des attraktiven Theo (warmherzig: Arnaud Valois) bringt keine neuen Impulse.

Marc hatte Theo in London während der verunglückten Strick-Performance einer frustrierten Künstlerin (Höhepunkt des erwähnten Kunst-Bashings) kennengelernt, nun taucht der mögliche nächste Beziehungspartner überraschend während Marcs, Thomas’ und Sophies Karaoke-Abend auf. Ebenso unglaubwürdig: dass Theo mit Marc nachts vom Wachpersonal ins Musée de l’Orangerie hereingelassen wird, um Claude Monets großformatige Seerosenbilder zu betrachten. „Ich könnte so etwas nicht schaffen“, erklärt Marc, woraufhin Theo dem pausierenden Maler den Wert seiner eigenen Malerei vor Augen führt. Die Konsequenz ist, wie überraschend, eine Einzelausstellung von Marcs großartigen Freundschaftsporträts. Das klingt nicht nur eindimensional und vorhersehbar – „Good Grief“ ist tatsächlich so platt.

Daniel Levy empfiehlt sich nicht als Geschichtenerzähler

Am Schauspieler Daniel Levy ist hier wenig auszusetzen, obwohl er eine Spur zu dick aufträgt. Manchmal schleicht sich eine unpassende Divenhaftigkeit in seine Gesten, die nicht in den Kontext passt. Dann hat man das Gefühl, dass Levy dem Sitcom-Modus des extrovertierten David aus „Schitt’s Creek“ (und als Kristen Stewarts Sidekick in Happiest Season“ von 2020) noch nicht ganz entwachsen ist. Seine Darstellung zerfällt in starke Momente – als Trauernder rührt er – und mittelprächtige Routine. Als fesselnder Geschichtenerzähler empfiehlt sich der Kanadier mit „Good Grief“ indes auf keinen Fall. Dass die kompliziert-überfrachtete Konstruktion und die leere Geschwätzigkeit des Films mehr Aufmerksamkeit fordert als jene Netflix-Filme, die man beim Checken seiner E-Mails parallel schauen kann, macht noch keine gelungene romantische Komödie aus Levys Spielfilmdebüt.

 

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