Die Französin Tina (Camille Rowe) und der Engländer Ben (James Jagger) haben die perfekte Work-Life-Balance gefunden. Als mittelerfolgreiche Youtuber bereisen sie die Welt, um ihre Follower an möglichst unheimliche Orte zu bringen. Inszeniertes und Privates geht dabei nahtlos ineinander über. Mal werden die Zuschauer direkt adressiert, weil die Likes zu niedrig sind, mal filmt der zu Scherzen neigende Ben seine Freundin in unvorteilhaften Situationen, etwa beim Austreten in der Natur. Wenn das Paar mit dem Auto an den sonnendurchfluteten, schier endlosen Feldern Südfrankreichs entlang rast, fühlt sich das nach Urlaub und Abenteuer an.
Spukhaus-Horror unter erschwerten Bedingungen
Der Ort, an den die Regisseure Alexandre Bustillo und Julien Maury die Youtuber als nächstes bringen, entpuppt sich jedoch als unheimlicher als alles, was dem Paar bislang begegnet ist. Er liegt in einem See in einem vor Jahrzehnten künstlich gefluteten Waldgebiet. Auf dessen Grund steht ein Haus, das auf mysteriöse Weise perfekt erhalten ist. Den etwas zwielichtig wirkenden Einheimischen (Eric Savin), der sie dorthin bringt, klärt Ben vor dem Tauchgang darüber auf, dass das Peace-Zeichen auf seiner Sauerstoffflasche unter Kaiser Nero ein Symbol für die Christenverfolgung war. Wenn er wenig später eine am Zaun des Unterwasserhauses angebrachte Marienstatue dem Aberglauben der Dorfbevölkerung zuschreibt, erweist sich Ben jedoch als ebenso naiv wie die von ihm eben noch belächelten Hippies.
In der Eröffnungsszene hatte das Paar mit seiner Kamera ein altes ukrainisches Sanatorium inspiziert, in dem es Geister geben soll. Schon zu Beginn wird in „The Deep House“ so das Motiv des unheimlichen Ortes eingeführt, und auch in Frankreich dreht sich die Handlung um ein „Haunted House“, diesmal jedoch unter Wasser und damit unter erschwerten Bedingungen. Das großzügig angelegte Anwesen mit eigener Kapelle erweist sich mit seinen altmodischen Möbeln, der Blumentapete und den gruseligen Puppen als klassisches Spukhaus. Während sich Tina und Ben langsam vom Dachgeschoß aus durch die Zimmer arbeiten, wird immer deutlicher, dass sich hier schreckliche Verbrechen abgespielt haben. Im Keller stoßen sie schließlich auf die an Fleischerhaken aufgehängten Besitzer. Ihre Körper sind noch intakt, aber leblos. Zumindest auf den ersten Blick.
Die Kamera lässt Raum für die Fantasie
Der ungewöhnliche Schauplatz von „The Deep House“ ist nicht nur ein Gimmick, um bewährte Erzählmuster zu variieren, sondern bringt auch ein besonderes ästhetisches Konzept hervor. Nach seiner zwanzigminütigen Einleitung taucht der Film komplett in die düster-klaustrophobische Unterwasserwelt ein. Die Drohne, die das Paar stets vorschickt, verleiht der Inszenierung mehr Spielraum und vermittelt dem Paar scheinbar Übersicht und Kontrolle, während es längst hilflos ausgeliefert ist.
Geschickt spielt die Kamera von Jacques Ballard mit der Orientierung und zeigt manchmal so wenig, dass der Fantasie umso mehr Raum bleibt. Für die Dreharbeiten wurde das Haus auf ein Gitter gebaut und immer nur teilweise in einen Wassertank gelassen, um das Dekor nicht zu stark zu beschädigen. Das Innere des Gruselhauses ist oft nur schemenhaft zu erkennen, während durch das zittrige Licht der Taschenlampe Details hervorgehoben werden. Die Hauptdarsteller sind zwar über Mikrofone zu hören, bleiben aber lediglich als im Wasser schwebende Silhouetten oder über ihre zunehmend angstgeweiteten Augen hinter der Taucherbrille sichtbar. In heikleren Momenten lösen sich die hektischen subjektiven Einstellungen teilweise ganz in einem abstrakten Meer aus Lichtreflexionen, Staubpartikeln und Luftblasen auf. Nur während eines schnellen Schwenks sieht man, wie sich eine bleiche Gestalt auf Tina zubewegt.
Stilisierter & eigenwilliger
Das Regie-Duo, das mit dem Horrorfilm „Inside“ (2006) als Vertreter eines neuen, extrem harten französischen Genrekinos („New French Extremity“) bekannt wurde, dreht zwar auf Englisch, doch „The Deep House“ unterscheidet sich deutlich von thematisch ähnlich gelagerten Produktionen aus den USA. Die Ästhetik ist stilisierter und experimenteller, die Handlung eigensinniger und nihilistischer. Die erst gegen Ende des Films ausgebreitete Vorgeschichte des Hauses gerät zwar ein bisschen abenteuerlich, aber „The Deep House“ interessiert sich ohnehin mehr für die beklemmende Atmosphäre als für gängige Drehbuch-Manöver und Jump Scares. So spielen die Filmemacher überraschend wenig mit dem zunehmend schwindenden Sauerstoff. Umso stärker provozieren sie dagegen mit morbiden Requisiten wie grotesken Masken, aufgespießten Kinderfotos oder blutigen Kratzspuren sofortige Fluchtgedanken.