Biopic | Italien 2024 | 407 (7 Folgen) Minuten

Regie: Matteo Rovere

Biografische Dramaserie über Leben und Werk des italienischen Pornodarstellers Rocco Siffredi, von der Kindheit an der Adriaküste bis zum Aufstieg zum bekanntesten männlichen Star der Pornoindustrie. Auch wenn der Siebenteiler über weite Strecken versucht, sich dem Sujet unverkrampft zu nähern, tut er dies mit einer dezidiert männlichen Sichtweise und stellt dabei die Frauenkörper weit offensiver aus als die Männer im Geschäft, um die es eigentlich gehen soll. Überzeugender funktioniert das immanente Familiendrama, in dem es um die Hassliebe zweier nicht nur charakterlich konträrer Brüder und deren Beziehung zu ihrer allgegenwärtig im Hintergrund thronenden Mutter geht. Der Einblick in die Mechanismen der Pornobranche verweilt hingegen an der gelackten, gefälligen Oberfläche. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SUPERSEX
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Groenlandia/The Apartment
Regie
Matteo Rovere · Francesco Carrozzini · Francesca Mazzoleni
Buch
Francesca Manieri
Kamera
Daria D'Antonio
Musik
Ralf Hildenbeutel
Darsteller
Alessandro Borghi (Rocco Siffredi) · Saul Nanni (junger Rocco) · Adriano Giannini (Tommaso) · Tania Garribba (Roccos Mutter) · Jasmine Trinca (Lucia)
Länge
407 (7 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Biopic | Drama | Serie
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Biografische Dramaserie übers Leben des italienischen Pornodarstellers Rocco Siffredi, von der Kindheit in der Hafenstadt Ortona an der Adriaküste bis zum Aufstieg zu einem der bekanntesten männlichen Stars der Pornoindustrie.

Diskussion

Alles beginnt mit einem Pornoheftchen, dass ein LKW-Fahrer unbedacht aus seinem Fahrerhaus auf die Straße wirft. Zumindest suggeriert dies die Serie über das Leben des berühmtesten Pornodarstellers Rocco Siffredi. Siffredi selbst, inzwischen gerade 60 Jahre geworden, hat dem nicht widersprochen. Wieso sollte er auch? Schließlich setzen ihm die sieben Episoden von „Supersex“ ein schillerndes, überbordendes Denkmal.

Sie kreisen unter anderem darum, wie aus einem Jungen aus dem kleinen verkommenen Hafenstädtchen Ortona an der Adria einer der größten Stars der internationalen Porno-Industrie werden konnte. Wie war noch gleich der Rollenname von Alain Delon in diesem historischen Gangsterfilm „Borsalino“, fragt jemand am Ende der dritten Folge, während der als Rocco Antonio Tano geborene Darsteller, der gerade erst dabei ist, sich im Pornogewerbe zu etablieren, in einem Restaurant binnen zehn Sekunden auf Kommando ejakulieren soll. Ach ja, Roch Siffredi! Das passt! Von da an hat Rocco seinen Künstlernamen. Rocco Siffredi ist geboren.

Vom ewigen kleinen Bruder zum Sexgott

„Supersex“, das ist der Held des schmuddeligen Heftchens, das der kleine Rocco einst am Straßenrand gefunden hat, und gehört längst zu seinen vielen guten Arbeitskollegen aus der Branche. Wie es dazu gekommen ist, erzählen die ersten drei Teile des Serienporträts von Drehbuchautorin und Serienerfinderin Francesca Manieri. Wichtig ist der familiäre Hintergrund: Der schüchterne Junge wird erwachsen unter der Fuchtel einer dominanten Mutter (Tania Garribba) und im Schatten seiner (Halb-)Brüder, allen voran von Tommaso (Adriano Giannini), dem ältesten der Jungs, der zunächst ein Fels in der Brandung zu sein scheint und Rocco später maßlos enttäuschen wird.

Eigentlich ist die Serie „Supersex“ eine dieser ganz normalen Familientragödien, die ihre Kinder irgendwann verletzt und traumatisiert in die Welt treiben, damit sie als einsame Wölfe sterben oder Karriere machen oder beides. Die Hassliebe zwischen Rocco und seinem Bruder Tommaso, die Spannung zwischen ihnen ist der emotionale Antrieb der Serie. Auf der einen Seite der ewige kleine Bruder, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, sich zu emanzipieren. Auf der anderen Seite der charismatische Bestimmer, der sich in Minderwertigkeitskomplexen und Eifersuchtsattacken verzehrt und damit die große Liebe zu seiner ebenso wie Rocco an der Seele verwundeten Ehefrau Lucia (Jasmine Trinca) verspielt.

Burlesk, glamourös, aber auch ein wenig zu glatt

Wenn es nicht (zumindest ein bisschen) wahr wäre – man hätte diese Geschichte glatt für einen der italienischen Filme des Neorealismus der 1960er-Jahre erfinden müssen. Wie hätte ein Pasolini diesen Stoff aus der Gosse verfilmt! Die drei Serien-Regisseure Matteo Rovere, Francesco Carrozzini und Francesca Mazzoleni machen daraus ein burleskes, glamouröses, aber auch ein wenig glatt inszeniertes (Sitten-)Bild.

Innerhalb der Familie Tano küssen und schlagen sie sich. In der Öffentlichkeit zelebrieren sie den Sex. Nicht umsonst begrüßt Tommaso seinen Bruder immer mit „Rocco, der größte Schwanz der Welt“. Dieser ist nicht nur anatomisch verschwenderisch bedacht worden; auch seine Hormonwelt ist spätestens mit der Pubertät völlig aus den Fugen geraten. Tommaso und seine Frau lieben sich in den feuchten Seitenstraßen von Paris, als sie zusammen mit Rocco Italien verlassen, um sich aus dem Würgegriff der Mutter zu befreien. Rocco, der zu diesem Zeitpunkt noch bei seinem Bruder lebt, verdingt sich bei diversen Foto-Shootings, bis mit Beginn der vierten Folge die steile internationale Film-Karriere beginnt. „Supersex“ ist ein Kind seiner Produktionszeit. Netflix-Serien, zumal italienische, sehen 2024 anders, gefälliger aus als Neorealismus. Die Popmusik, die die Handlung begleitet, ist eingängig; das Leben, das porträtiert wird, ist hart, aber nicht trostlos. Das Happy End immer in greifbarer Nähe.

Ein eigentümlich prüder Umgang mit den Männerkörpern

Auch wenn es heißt, dass es dem attraktiven, animalischen Rocco Siffredi zu verdanken sei, dass auch Frauen an Pornos Spaß empfunden haben, die eigentlich auf ein männliches Publikum abzielten, sind doch die (Soft-)Sex-Szenen in „Supersex“ das Ergebnis eines geschmäcklerischen männlichen Blickes auf das Genre. Während sich die Frauen in allen möglichen, möglichst lasziven Stellungen nackt in Position bringen (müssen), wird mit den zuhauf präsentierten Männerkörpern eigentümlich prüde umgegangen.

Die Zuschauer, so heißt es an einer Stelle in der Handlung, würden lieber die Frauen und nicht Rocco sehen wollen, und die Netflix-Serie macht sich diese Sichtweise aus unverständlichen Gründen zu eigen. Statt durch nackte Tatsachen sticht die Siffredi-Verkörperung von Hauptdarsteller Alessandro Borghi („Acht Berge“) eher durchs Tragen der geschmacklich grellen Oberhemden, Unterwäsche und Bademäntel der 1980er- und 1990er-Jahre ins Auge. Sicherlich will die Serie allein schon aufgrund der Altersfreigaben in Sachen Sex-Darstellungen nicht zu weit gehen. Dennoch ist es eine verpasste Chance, dass die Serie ihre Einblicke ins pornografische Schaffen der Titelfigur so stark mit Fokus auf die Frauenkörper statt auf Rocco selbst inszeniert. Fürchteten die Macher, sich andernfalls von einer eher heterosexuellen männlichen Zielgruppe zu entfernen? Selbst die Bisexualität, die man Siffredi attestiert, kommt in „Supersex“ allenfalls als Attitüde vor.

„Mein Schwanz ist international!“

So muss man vieles (auch von der inneren Zerrissenheit des Protagonisten) zwischen den Zeilen über das Dialogbuch vermitteln. Dem Zuschauer wird daher ein Rocco-Siffredi-Erzähler aus dem Off zugemutet, der die ohnehin mitunter arg schwülstigen Alltags-Dialoge um pathetische, teils unfreiwillig komische philosophische Ergüsse des Protagonisten ergänzt: „Egal ob ich die Sprache spreche oder nicht, mein Schwanz ist international!“ Zu sehen bekommt man diesen indes nicht. Mit einer Ausnahme!

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