Drama | Großbritannien 2024 | 372 (7 Folgen) Minuten

Regie: Florian Cossen

Historische Dramaserie um Mary Villiers (ca. 1570-1632) und ihren Sohn George (1592-1628), den König James I. von England zum Duke of Buckingham erhob. Angesiedelt in den 1610er-Jahren, erzählen die sieben Episoden davon, wie die verwitwete Frau nicht nur eine neue Ehe für sich selbst in die Wege leitet, sondern an dem ehrgeizigen Plan arbeitet, ihren schönen zweitgeborenen Sohn zum Favoriten des Königs zu machen, wofür sie auch über Leichen geht. Getragen von einem exquisiten Schauspielerensemble, entfaltet sich ein pralles, vorwiegend kammerspielartiges Sittenbild barocker „Body Politics“: Zwischenmenschliche Beziehungen werden als machtpolitisches Instrument genutzt, was Mary und ihr Sohn höchst erfolgreich betreiben, freilich aber menschlich einen Preis dafür zahlen müssen, weil Gefühle ständig unter Kontrolle gehalten werden müssen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MARY & GEORGE
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Hera Pict./SKY Studios
Regie
Florian Cossen · Alex Winckler · Oliver Hermanus
Buch
D.C. Moore
Kamera
Frank Lamm · Alexander Dynan · Adam Scarth
Musik
Oliver Coates
Schnitt
Chris Wyatt · Eve Doherty · Ben Whitebeard
Darsteller
Julianne Moore (Mary Villiers) · Nicholas Galitzine (George Villiers) · Tony Curran (König James I.) · Trine Dyrholm (Königin Anne) · Laurie Davidson (Robert Carr, Earl of Somerset)
Länge
372 (7 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Serie
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Eine Historienserie rund um barocke Intrigenspiele am Hof von James I. von England, festgemacht an Lady Mary Villiers und ihrem Sohn George, der mit Hilfe der Mutter zum Favoriten des Königs aufsteigt.

Diskussion

In einer Szene beißt König James I. (Tony Curran) seinem Günstling George Villiers (Nicholas Galitzine) in den Arm – spielerisch, aber doch so herzhaft, dass es wehtut. Eine kokette Warnung, für die es da eigentlich schon zu spät ist: Der schöne, mit seinem glatten, jungen Gesicht so unschuldig wirkende George hat sich zu diesem Zeitpunkt schon tief in den tückischen Wald des Hoflebens mit seinen um Einfluss balgenden Wölfen und Wölfinnen hineingewagt. Die Naivität hat er dabei noch nicht ganz eingebüßt – zu seinem Vorteil, denn nicht zuletzt davon fühlt sich der König angezogen. Ein hilfloses Lämmchen ist George aber doch nicht, schon deshalb, weil seine Mutter Mary Villiers (Julianne Moore) Biss für zwei besitzt und es ihre primäre Agenda ist, ihren Sohn zum Favoriten des Königs zu machen, um damit den gesellschaftlichen Aufstieg ihrer Familie zu befördern.

Eine Frau auf dem Parkett der Macht im 17. Jahrhundert

In der Serienwelt herrscht schon seit Längerem ein reges Interesse an historischen Frauenfiguren, die auf dem Parkett der Macht mitgemischt haben – von Katharina der Großen („The Great“) über die britischen Königinnen Victoria („Victoria“) und Elizabeth II. („The Crown“) bis hin zu Katharina von Medici („The Serpent Queen“) liefern ihre Geschichten Kostümschinken-Erzählmaterial, in dem es immer wieder um die Spannung von öffentlicher Rolle und privaten Gefühlen, von natürlichem und politischem Körper geht und um die Frage, wie frau letzteren so ausfüllen kann, dass sie sich in männlich dominierten Zeiten durchsetzt.

Serienschöpfer D.C. Moore hat auf Basis eines Sachbuchs mit „Mary & George“ nun eine Dame aus der britischen Historie ausgegraben, die zwar nicht so bekannt ist wie Victoria und Co., deren schillernde Vita aber durchaus süffigen Stoff liefert: Mary Villiers, geboren um 1570, gab sich nach dem Tod ihres ersten Gatten nicht mit einem Schicksal als verarmte Witwe zufrieden, sondern schaffte es durch kluge Förderung ihres Zweitgeborenen und geschicktes Taktieren, diesen zunächst zum wichtigsten Vertrauten des (mutmaßlich homosexuellen) James I. zu machen, an den Titel einer Countess of Buckingham zu gelangen und den Sohn später mit einer der reichsten Frauen Englands zu verheiraten.

Ehrgeizige Mutter mit kühl-beherrschter Grandezza

Es war ein bewegter Zeithintergrund, vor dem sich das Leben dieser ehrgeizigen Frau entfaltete: Hineingeboren noch ins „Golden Age“ der Regierungszeit von Elizabeth I., erlebte sie 1603 den Regierungswechsel mit, als mit Elizabeths Leben die Tudor-Herrschaft endete und James VI. von Schottland, Sohn von Elizabeths Rivalin Maria Stuart, der kinderlosen „Virgin Queen“ als James beziehungsweise Jakob I. von England auf den Thron folgte.

„Mary & George“ spielt in den 1610er-Jahren, als der Tod von Mary Villiers’ erstem Gatten sie nötigt, ihr eigenes und das Auskommen ihrer Kinder neu zu sichern. Und so geht Mary, von Julianne Moore mit kühl-beherrschter Grandezza verkörpert, flugs daran, eine neue Ehe für sich selbst anzubahnen, setzt aber bereits auch ihren langfristigen Plan in Gang, den Zweitgeborenen ihrer Söhne, den attraktiven George, am Hof des Königs zu installieren und dem bisherigen äußerst einflussreichen royalen Favoriten, dem Earl of Somerset (Laurie Davidson), Konkurrenz zu machen.

In Frankreich mit dem nötigen (gesellschaftlichen, aber auch sexuellen) Schliff versehen, lässt sich der junge Mann mehr oder weniger willig für die Ziele der Mutter einspannen; der Weg ins Bett und noch wichtiger zum offenen Ohr des Königs erweist sich indes als steinig. Und das liegt nicht nur daran, dass Somerset natürlich versucht, den Rivalen kleinzuhalten, sondern auch am komplexen Charakter des Königs und an den generellen Tücken des schwer durchschaubaren Beziehungsnetzwerks am Hof. Doch in seiner Mutter hat er eine Strippenzieherin hinter sich, die buchstäblich vor nichts zurückschreckt, um ihre Ziele durchzusetzen.

Barocke „Body Politics“

Politische Themen der Regentschaft von James I. spielen in der Serie kaum eine Rolle. Die anhaltemden Spannungen zwischen den Konfessionen (in seine Amtszeit fällt der „Gunpowder Plot“ radikaler Katholiken) sowie zwischen James’ Reich, für das er als erster Herrscher die Bezeichnung „Großbritannien“ reklamierte, und dem Seemachts- und Kolonialrivalen Spanien, sind ähnlich wie James’ schwieriges Verhältnis zu seinem Parlament allenfalls Hintergrundrauschen. Erst in den letzten Folgen rückt einiges davon mehr in den Vordergrund, wenn es etwa um die umstrittene, vom Volk mit Empörung aufgenommene Hinrichtung von Sir Walter Raleigh im Jahr 1618 geht, mit der James I. den fragilen Frieden mit Spanien wahren will. Im Zentrum der unter anderem von Oliver Hermanus und Florian Cossen inszenierte Serie stehen die „Body Politics“, das an Mary und George Villiers festgemachte Sittenbild einer Gesellschaftsschicht, für die die zwischenmenschlichen Beziehungen primär ein machtpolitisches Instrument sind. Was impliziert, dass Gefühle in dieser Hinsicht äußerst gefährlich sind – und sich doch nie ganz aus der Gleichung nehmen lassen.

Inszeniert ist das Ganze als sinnlich-barockes Kammerspiel um Ambitionen, Gier, Intrigen und Verletzlichkeit (im Vorspann stilvoll eingeleitet mit einem Ausschnitt aus Artemisia Gentileschis „Judith und Holofernes“). Bei den Damen und Herren bei Hofe, verkörpert von einem exquisiten Ensemble (mit dabei: Trine Dyrholm als Queen Anne, Mark O’Halloran als Sir Francis Bacon, Nicola Walker als Lady Hatton), fallen vielleicht hinter verschlossenen Türen die Hüllen aus steifen Kleidern und Rüschenkrägen; sein Inneres aber gibt man so wenig wie möglich preis. Wer Pech hat, verröchelt vergiftet in dunklen Gassen oder hat eine Anklage wegen Hexerei am Hals, wer Glück hat, speist an der Tafel des Königs. Und beides, Pech wie Glück, kann sich aus einer Laune des Monarchen heraus schnell wenden. Mary versteht es, dem Glück nachzuhelfen. Doch wie beim dramatischen Chiaroscuro der barocken Kunst macht auch hier das Licht die Schatten umso dunkler. Sowohl Mary als auch George droht inmitten der höfischen Fülle die Einsamkeit. Wenn man Beziehungen nur hat, um sie strategisch zu benutzen – wie soll man dann selbst jemandem trauen?

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